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Fuchida und Hall fuhren auf dem Weg zur Kuppel an der Felsennische vorbei nach oben. Vijay, die an der Kommunikationskonsole saß, erklärte ihm, die Sonne gehe gleich unter, und er müsse zurückkommen.

Sobald Jamie durch die Innenluke der Luftschleuse trat, sah er, dass Dex vor Begeisterung geradezu durch die Kuppel hüpfte.

»Die Hälfte aller Nachrichtenmedien der Welt will mit dir sprechen, Kumpel«, krähte er, kaum dass Jamie den Helm abgenommen hatte. »Die drehen alle durch da unten!«

»Irgendeine Nachricht von deinem Vater?«

»Nein. Aber Pete Connors hat sich gemeldet und erzählt, dass der liebe alte Dad seinen Flug abgesagt hat.«

Als er den Oberkörper aus dem Oberteil des Raumanzugs wand, sah Jamie, dass Vijay auf sie zugeeilt kam.

»Das heißt, er wird nichts zur Finanzierung der nächsten Expedition beitragen, nicht wahr?«, sagte Jamie.

»Wen interessiert's?«, fauchte Dex. »Ich werde mich darum kümmern, sobald wir wieder zu Hause sind.«

Vijay wirkte aufgeregt und besorgt. »Kommt ins Kommunikationszentrum, schnell!«, rief sie, beinahe nach Luft ringend. »Es hat einen Unfall gegeben!«

ABEND: SOL 368

Stacy Deschurowas fleischiges Gesicht war dreckverschmiert und schweißglänzend. Sie schaute grimmig und wütend drein.

»Vollständiger Ausfall des Hauptstromsystems«, erklärte sie Jamie. »Wir haben auf die Brennstoffzellen umgeschaltet, aber selbst wenn wir alles bis auf die Notfallstufe herunterfahren, werden wir die Nacht nicht überstehen.«

»Was ist passiert?«, fragte Jamie.

Stacy schüttelte den Kopf. »Die ganze Anlage hat sich abgeschaltet. Das Notsystem ist sofort angesprungen, aber wenn wir das Hauptsystem nicht vor Einbruch der Dunkelheit wieder in Gang kriegen, werden wir … Moment. Hier ist Possum … äh … Wiley.«

Jamie saß an der Hauptkommunikationskonsole, Vijay neben ihm. Trudy, Mitsuo, Dex und Tomas drängten sich hinter ihnen.

Craigs Hängebackengesicht sah noch düsterer aus als das von Deschurowa, als er auf den Stuhl neben der Kosmonautin sackte.

»Der Atomreaktor is im Arsch«, berichtete er. »Kann sein, dass mein Raumanzug 'ne ordentliche Dosis Strahlung abgekriegt hat.«

»Was?«

»Irgend so 'n Dreckskerl hat 'n Loch zum Atomgenerator runter gegraben und Säure drübergegossen«, sagte Craig und schaute drein, als könnte er seine eigenen Worte kaum glauben.

Fuchida, der hinter Jamie stand, zischte: »Sabotage.«

Jamies Stimme klang hohl, als er sagte: »Du meinst, einer von euch beiden hat absichtlich …« Die Worte blieben ihm im Hals stecken; er bekam sie nicht heraus.

Craig schüttelte den Kopf. »Nee, das war keiner von uns.

Jedenfalls nich notwendigerweise. Das Loch muss schon vor 'ner Woche oder länger gegraben worden sein. Mindestens so lange sickert die verdammte Säure schon in den Generator. Musste sich ja ers'ma durch den Schutzmantel fressen, bevor sie echten Schaden anrichten konnte.«

Im Kommunikationszentrum trat absolute Stille ein. Selbst das Summen der Geräte wirkte gedämpft.

»Aber eins sag ich euch«, fuhr Craig finster fort. »Es war garantiert Absicht.«

Eine ganze Weile sagte niemand ein Wort. Jamies Gedanken rasten. Ein Saboteur. Wir haben einen Saboteur unter uns. Einen Irren. Oder eine Irre.

»In Ordnung«, sagte er langsam. »Steigt in den Rover und kommt so schnell her, wie ihr könnt.«

»Ich muss hier alle Systeme abschalten«, sagte Stacy.

Dex streckte den Kopf zwischen Jamie und Vijay durch.

»Lade die Computerdaten runter. Ich glaube, wir haben alles bis zu diesem Nachmittag, aber lade trotzdem das ganze Zeug runter, nur zur Sicherheit.«

»Ja. Natürlich.«

Rodriguez beugte sich über Jamies Schulter. »Wir sollten Tarawa Bescheid sagen, dass wir einen Reserve-Atomgenerator brauchen.«

»Wir fluten die Kuppel mit Stickstoff«, sagte Stacy. »Hat keinen Sinn zu riskieren, dass hier ein Feuer ausbricht, während wir weg sind.«

»Wartet noch damit«, sagte Jamie. »Können wir die Kuppel nicht mit Strom aus dem L/AV betreiben?«

»Ja, vielleicht. Wir könnten die Brennstoffzellen des Landers benutzen. Aber es wird ein paar Tage dauern, ihn mit dem Treibstoffgenerator zu verbinden und die Rohre unterirdisch zu verlegen.«

Deschurowa bemerkte: »Wir hätten gleich eine große Solaranlage bauen sollen, als wir gelandet sind. So eine wie in der Mondbasis.«

Jamie schnitt eine Grimasse. »Hätten wir machen sollen.«

»Das steht auf dem Plan für die dritte Expedition, oder?«, fragte Craig.

»Stimmt, aber das wird uns jetzt nichts nützen«, gab Jamie zu. »Okay, ladet die Computerdaten runter, reinigt die Kuppel von Sauerstoff und kommt her. Wir werden uns überlegen, wie …«

»Was ist mit dem Garten?«, stieß Trudy hervor.

Deschurowa runzelte die Stirn. Craig wedelte hilflos mit der Hand. »Deine Pflanzen werden 'ne Weile auf sich selbst aufpassen müssen, Trudy.«

»Bis wir zurückkommen und das Stromsystem des L/AV

so umrüsten, dass wir die Kuppel mit Strom versorgen können«, sagte Rodriguez.

Hall schien den Tränen nahe zu sein. »Was für ein Scheiß«, sagte sie leise. »Was für ein elender Scheiß.«

Das Abendessen war eine triste Angelegenheit. Jamie spürte das Misstrauen und die Furcht, die so dick über dem Tisch in der Messe hingen, dass sie alle Gespräche erstickten.

Einer von uns ist verrückt, dachte er immer wieder. So sehr er sich auch bemühte, den Gedanken zu verdrängen, die Worte formten sich stets von Neuem in seinem Kopf.

Einer von uns hat vorsätzlich den Atomgenerator bei Kuppel Eins sabotiert.

Er schaute reihum in die Gesichter am Tisch, während alle bedrückt in ihren Mahlzeiten herumstocherten: Vijay, Dex, Tomas, Trudy, Mitsuo. Das Problem war, dass er sich keinen von ihnen als Wahnsinnigen vorstellen konnte, als Irren, der absichtlich ihre Ausrüstung zerstörte, als potenziellen Killer.

Ja, so war es, erkannte er. Ein Killer. Ein Mörder. Der Versuch, die Gartenkuppel zu zerstören, Ausrüstungsgegenstände zu beschädigen, den Atomreaktor außer Betrieb zu setzen – all das könnte zur Folge haben, dass Menschen sterben. Wir haben einen mutmaßlichen Mörder unter uns.

Obwohl niemand viel aß, schien keiner als Erster vom Tisch aufstehen zu wollen. Sie blieben alle sitzen, unterhielten sich halbherzig, und in ihren Gesichtern standen unübersehbar ihre Angst und das Misstrauen, das diese Expedition ebenso sicher zerstören konnte wie ein Mord.

»Okay«, sagte Jamie so laut, dass sie alle aufschreckten.

»Okay«, wiederholte er leiser. »Einer von uns hat den Atomgenerator bei Kuppel Eins kaputtgemacht. Möchte jemand vielleicht ein Geständnis ablegen?«

Sie starrten ihn mit offenem Mund an, dann drehten sie langsam den Kopf, um ihre Kameraden anzuschauen.

Jamie hatte nicht erwartet, dass sich jemand freiwillig melden würde. »Wer es auch sein mag, es steht offenbar so gut wie fest, dass er oder sie krank ist. Geisteskrank oder psychisch krank …«

»Wäre nicht das erste Mal«, sagte Vijay, die Jamie gegen

übersaß.

»Was meinst du damit?«

»Bei Polarexpeditionen«, erklärte sie. »Auf Atom-UBooten, die monatelang unter Wasser geblieben sind. Irgendwer läuft Amok oder – noch schlimmer – dreht still und heimlich durch.«

»Und was passiert dann?«, fragte Dex. Er saß zwischen Jamie und Mitsuo.

»Meistens geht es damit los, dass der oder die Betreffende sich selbst verletzt, sich selbst Wunden zufügt«, antwortete Vijay. »Dann eskaliert die Sache, und es werden Geräte beschädigt und Dinge zerstört. Wenn man es nicht rechtzeitig stoppt, kann es zu Gewalttätigkeiten, ja sogar zu Mord führen.«

»Du bist der Doktor, Vijay«, sagte Jamie. »Ist jemand mit einer Verletzung zu dir gekommen, die er oder sie sich selbst beigebracht haben könnte?«