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Unter Einsatz ultrastarker Vollspektrum-Lampen statt des natürlichen Sonnenlichts wollte Fuchida irgendwann sogar Weizen züchten.

»Sieht gut aus«, sagte Jamie.

»Es ist gut«, erwiderte Hall sehr ernst. Fuchida schien gleichermaßen stolz auf den Garten zu sein.

Hall fuhr fort: »Mitsuo und ich erwägen, den Kohlendioxid-Teildruck in dieser Kuppel zu erhöhen.«

»Um das Wachstum der Pflanzen zu beschleunigen«, sagte Fuchida.

Jamie ließ den Blick über die Reihen von Sämlingen schweifen. »Heißt das, wir können hier drin nicht mehr atmen?«

»Man braucht keinen Raumanzug, nur eine Sauerstoffmaske«, erklärte Hall.

»Aber wir haben keine Masken.«

Fuchida erlaubte sich ein ganz leises Lächeln, das seine ernste Fassade durchbrach. »Zur medizinischen Ausrüstung gehören vier Sauerstoffmasken. Die könnten wir benutzen.«

Bevor er darauf antworten konnte, hörte Jamie, wie sich die Luke der Luftschleuse mit einem seufzenden Laut öffnete. Er drehte sich um und sah Dex Trumball heraustreten.

»Hier bist du«, sagte Trumball zu Jamie. Während er mit großen Schritten den Gang zwischen den Pflanzenreihen entlangging, fuhr er fort: »Ich hab gerade gehört, dass du uns auf der ersten Traverse begleitest. Stimmt das?«

Als Missionsleiter wäre Jamies Platz eigentlich im Basislager gewesen. Aber das Ziel der ersten Überland-Traverse der Expedition hieß Tithonium Chasma, wo die Flechte gefunden worden war, und Jamie hatte keineswegs die Absicht, in der Kuppel zu bleiben, während die anderen im Gelände unterwegs waren.

»Willst du wirklich mitkommen?«, fragte Trumball. Sein Gesichtsausdruck lag irgendwo zwischen Belustigung und Ärger.

Durch die offene Luke hörte Jamie einen Country-and-Western-Song, klagende Gitarren und näselnde Sehnsucht.

Er nickte ernst. »Und ob.«

Grinsend machte Trumball eine ausladende Handbewegung. »Und diesen ganzen Luxus hier aufgeben?«

»Ich bin ein halber Navajo«, entgegnete Jamie und zwang sich, Dex' Grinsen zu erwidern. »Ich bin hart im Nehmen.«

In der Basis war endlich alles in Ordnung. Sämtliche Systeme funktionierten hinlänglich, sogar die Toiletten. Possum Craig war mit dem Bohrgerät draußen und wühlte sich jeden Tag tiefer ins marsianische Erdreich, auf der Suche nach Bakterienproben aus der ›plutonischen Biosphäre‹ die es nach der Theorie von Biologen auf der Erde geben sollte.

Der Reserve-Wassergenerator stand nunmehr keine fünfzig Meter von der Kuppel entfernt; die Rohrleitungen zu den Hauptgeräten wie auch zu den Reservemaschinen waren unterirdisch verlegt und gut isoliert worden. Nachdem Fuchida und Hall nun den Hydrokulturgarten vom Schiff herübergeholt hatten, stand wieder rein vegetarische Kost aus »eigenem Anbau« auf ihrem Speiseplan, wie schon während des langen Fluges von der Erde.

Es gab auch zwei Treibstoffgeneratoren. Der erste war den Forschern vorausgeschickt worden und stand immer noch über zwei Kilometer entfernt. Jamie hatte die Lage mit den beiden Astronauten und Craig erörtert und daraufhin beschlossen, ihn weiterhin als Reservegerät einzusetzen und ansonsten den Generator, den sie selbst mitgebracht hatten, als primäre Energiequelle zu benutzen.

Trumball blieb so nahe vor Jamie stehen, dass sich ihre Nasen beinahe berührten, stemmte die Fäuste in die Hüften und legte den Kopf ein wenig schief. »Dann sind wir also zu dritt: du, ich und Trudy. Zwei Geowissenschaftler und eine Biologin.«

»Und Stacy.«

»Unsere Fahrerin.«

Die Sicherheitsvorschriften verlangten, dass bei jeder Exkursion einer der Astronauten des Teams dabei sein musste, bis sich die Wissenschaftler allesamt als geschulte Fahrer qualifizierten.

»Ich übernehme eine Doppelfunktion als ihr Ersatzmann; schließlich habe ich Erfahrung mit der Fahrerei auf dem Mars.«

»Hast du bestimmt zu Hause im Reservat gelernt.«

Mit einem knappen Nicken antwortete Jamie: »Ja, das hat viel Ähnlichkeit mit dem Mars. Wo hast du fahren gelernt?«

»In Boston«, sagte Trumball. »Wenn man in Boston fahren kann, kann man's überall.«

Die gesamte Oberfläche des Mars wurde jetzt von drei stationären, also immer über einem festen Punkt auf dem Boden stehenden Kommunikationssatelliten über dem Äquator abgedeckt. Einer der beiden winzigen Monde des Mars, Deimos – nicht größer als Manhattan Island –, kreiste fast in derselben Höhe wie sie. Seine geringe Anziehungskraft würde die Komsats irgendwann aus ihrem exakten Orbit holen, aber den Berechnungen zufolge sollten die Satelliten mindestens für die Dauer des Aufenthalts der Forscher auf dem Mars stabil sein. Deshalb beunruhigte es Jamie nicht, dass er als Missionsleiter eine Woche lang von der Basis abwesend sein würde. Über die ortsfesten Komsats konnte er mit dem Lager und der Erde Verbindung halten.

Als er für den zehn Meter langen Weg zu dem wartenden Rover in seinen Raumanzug stieg, sah er, wie Vijay Shektar durch die Innenluke der Schleuse trat und den Helm abnahm. Sie schüttelte die Haare aus und lächelte ihn an.

»Ich habe sämtliche Vorräte doppelt überprüft«, sagte sie.

»Alles in bester Ordnung.«

»Dann haben wir grünes Licht für die Exkursion.«

»Ja.«

Sie setzte sich neben ihn auf die Bank, die an den Spinden für die Raumanzüge entlanglief, und begann mit einem Seufzen, ihre Handschuhe auszuziehen.

»Der verdammte Anzug scheuert mir den rechten Ellbogen auf«, beschwerte sie sich.

»Pack ein Schaumgummipolster auf die Stelle«, schlug Jamie vor. Auch wenn der Anzug noch so gut passte, es gab immer irgendeine Unannehmlichkeit. Sein eigener Anzug fühlte sich ungeheuer steif an. Schnell laufen würde er damit garantiert nicht können.

Jamie war bereits in das Unterteil des Anzugs und die Stiefel geschlüpft, der schwierigste Teil des Ankleidens.

Jetzt stand er auf und ging zu dem wartenden Oberteil hin

über.

»Ist, als würde man eine Ritterrüstung anlegen, was?«, sagte Shektar.

»Und dann auf in den Kampf mit den Drachen.«

»Drachen? Das wär mal was Neues!«

»Echte Drachen«, sagte Jamie. »Unwissenheit, das Unbekannte.«

»Ah. Ja, echte Drachen, stimmt.«

»Und Angst.«

»Angst? Hast du Angst?«

»Nicht davor, rauszugehen«, erklärte Jamie hastig. »Nicht vor dem Mars. Diese Welt ist vielleicht gefährlich, aber bösartig ist sie nicht.«

Sie saß da, umhüllt von dem hartschaligen Anzug wie eine Frau, die gerade von einem metallenen Monster verschlungen wurde, und lächelte Jamie neugierig an.

»Wovor hast du dann Angst?«

» Ich gar keine – aber andere schon. Angst davor, Dinge zu finden, die sie durcheinander bringen.«

»Zum Beispiel Leben?«

»Zum Beispiel intelligentes Leben«, sagte Jamie.

Jetzt verstand sie. Ihre Miene hellte sich auf. »Deshalb wolltest du unbedingt mit auf diese Traverse. Deine Felsenbehausung.«

Jamie nickte ernst.

»Meinst du wirklich, du findest sie?«

»Ich könnte zu Fuß hingehen, wenn es sein müsste.«

»Und du glaubst tatsächlich, es ist ein Artefakt, ein Bauwerk intelligenter Marsianer?«

Dex Trumball kam durch die Luke der Luftschleuse herein und schob sein Visier hoch. »Wir sind alle startklar, sobald der Missionsleiter sich an Bord begibt.«

»Zwei Minuten«, sagte Jamie. Dann setzte er mit einem Blick in Vijays fragende Augen hinzu: »Wir werden es ziemlich bald rausfinden, nicht?«

ERSTE TRAVERSE: SOL 6

Zur Expeditionsausrüstung gehörten zwei große, segmentierte Rover-Fahrzeuge für Überland-Traversen. Die Rover waren genau die gleichen wie diejenigen, die bei der ersten Expedition benutzt worden waren: zwei Trios zylindrischer Aluminiummodule auf federnden Rädern mit lockerer Aufhängung, die über ziemlich große Felsen krabbeln konnten, ohne dass das Fahrzeug dabei umstürzte. Sie bedeuteten eine erhebliche finanzielle Einsparung für die Expedition: Die Kosten für ihre Entwicklung und die Tests waren bereits ins Budget der ersten Expedition eingegangen, sodass die zweite Expedition nur zwei weitere hatte bauen lassen müssen.