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Jamie lächelte in seinem Helm in sich hinein, während er das spitze Ende der Bake tiefer in den Boden schraubte. Der Mars hat sie alle überrascht, dachte er. Wir haben Leben gefunden. Was für neue Überraschungen hat er uns diesmal zu bieten?

Vielleicht gab es unter der Peroxid Schicht Kolonien von Bakterien, die nie das Sonnenlicht erblickt hatten, Bakterien, die sich mit Hilfe von Wasser aus dem Permafrost von Gestein ernährten. Auf der Erde hatten die Geologen zu ihrer Verblüffung solche Bakterien tief im Erdboden gefunden.

Possum Craig bohrte nach ähnlichen marsianischen Organismen.

Jamie schwitzte, als er die Stange endlich so fest im Boden verankert hatte, dass er mit seiner Arbeit zufrieden war. Er klappte die Solarpaneele am oberen Ende auf und schaltete dann den Funksender der Bake ein.

Sing dein Lied, sagte Jamie stumm zu der Bake. Ein Totem für die Wissenschaftler, erkannte er. Die in die dünne Stange eingebauten Instrumente würden unablässig Bodenerschütterungen, den Wärmestrom aus dem Innern des Planeten, die Lufttemperatur, die Windgeschwindigkeit und die Feuchtigkeit messen. Von den über hundert Baken, die sie im Verlauf der ersten Expedition aufgestellt hatten, funktionierten sechs Jahre später noch mehr als dreißig. Jamie wollte diejenigen suchen, die ausgefallen waren, und nachsehen, was mit ihnen passiert war.

Aber nicht jetzt, sagte er sich. Nicht heute. Er ging zum Rover zurück und stieg zur offenen Schleusenluke hinauf.

Er drehte sich um und schaute noch einmal auf die von Geröll übersäte Landschaft hinaus, bevor er die Luke schloss. Dieser neu aussehende Krater lockte ihn, aber er wusste, dass sie keine Zeit für ihn hatten. Noch nicht.

Jamie schaute auf den Mars hinaus. Kahl, fast luftlos, kälter als Sibirien, Grönland und sogar der Südpol. Dennoch sah er für ihn immer noch so aus, als wäre er seine Heimat.

TAGEBUCHEINTRAGUNG

Keiner meiner Kameraden scheint zu begreifen, in welcher Gefahr wir schweben. Dies ist eine fremde Welt, und unser einziger Schutz ist eine dünne Hülle aus Kunststoff oder Metall. Wenn diese Hülle durchbrochen wird, und sei es nur von einem winzigen Nadelstich, werden wir alle qualvoll sterben. Es war töricht von mir, hierher zu kommen, aber die anderen sind noch törichter. Sie sind eine Fingernagelbreite vom Tod entfernt, aber sie handeln, als wüssten sie es nicht. Oder als wäre es ihnen egal.

Diese Narren!

NACHT: SOL 6/7

»Eigentlich«, sagte Trudy Hall, »ist wissenschaftliche Arbeit meistens todlangweilig.«

Sie saßen alle vier auf den unteren Liegen in der mittleren Sektion des Moduls um den schmalen Klapptisch, mit den Überresten ihres Abendessens in den Plastikschalen vor sich. Die beiden Frauen saßen auf einer Seite des Tisches, Trumball und Jamie auf der anderen.

»Fast jede Arbeit ist langweilig«, sagte Trumball und griff nach seinem Glas Wasser. »Als Junge hab ich bei meinem alten Herrn im Büro gearbeitet. Langweiliger geht's nicht!«

»Das sagt man ja auch über die Fliegerei bei der Luftwaffe«, setzte Stacy Deschurowa mit unbewegter Miene hinzu. »Endlose Stunden der Langeweile, und zwischendurch mal Momente puren Entsetzens.«

Sie lachten alle.

»Ich weiß, dass wir viel schneller sein könnten, wenn wir die Baken nicht aufstellen müssten«, sagte Jamie, »aber es ist wichtig, dass sie …«

»Ach, nun sei doch nicht so ernst!« Hall wirkte überrascht.

»Ich habe mich nicht beklagt, sondern nur ein philosophisches Argument vorgebracht.«

»Die Engländer sind ja immer sehr tiefschürfend«, sagte Trumball und grinste sie über den Tisch hinweg an. »Die haben's wirklich total mit Philosophie und so.«

»Kann mal wohl sagen«, stimmte Hall zu.

Jamie zeigte den beiden ein Lächeln.

»Wir sind gut vorangekommen«, meinte Deschurowa.

»Morgen bei Sonnenuntergang werden wir in Schlagweite des Canyonrands sein.«

»Wir könnten bis zum Rand kommen, wenn wir die Abstände zwischen den Baken ein bisschen vergrößern würden«, schlug Trumball vor. »Sagen wir, fünfzig Klicks statt dreißig.«

Jamie merkte, wie sich seine Augenbrauen ein wenig zusammenzogen. »Dreißig Klicks heißt, dass wir ungefähr einmal pro Stunde anhalten.«

Trumball drehte sich auf der Liege zu Jamie um. Sein Grinsen war wissend und selbstsicher. »Ja, aber wenn wir den Abstand auf anderthalb Stunden ausdehnen, könnten wir morgen sechs bis sieben Stopps einsparen. Ich hab's im Computer durchgerechnet. Wir kämen viel, viel schneller voran.«

Halls Miene wurde nachdenklich. »Was für Auswirkungen hätte das auf den Datenstrom?«

Trumball zuckte die Achseln. »Keine großen. Wir haben die dreißig Klicks ziemlich willkürlich gewählt, stimmt's?

Ein Stopp pro Stunde, und die Höchstgeschwindigkeit des Rovers ist nicht viel höher als dreißig Stundenkilometer.«

»Und wenn wir die Baken nun im Abstand von fünfzig Klicks aufstellen – kriegt ihr dann noch die Daten, die ihr haben wollt?«, fragte Hall.

Jamie musterte ihr Gesicht jenseits des schmalen Tisches.

Ihre graublauen Augen waren auf Trumball gerichtet. Ihr Kinn war ein bisschen spitz und ihre Gesichtsknochen waren fast wie die eines Models geformt. Auf der Erde war sie Läuferin gewesen; selbst auf dem langen Flug zum Mars war sie in ihrer Freizeit stundenlang durch den Außenkorridor des Raumschiffs gejoggt.

Trumball wedelte mit der Hand. »Klar. Dreißig Klicks, fünfzig Klicks, wo ist da der Unterschied?« Er sah Hall an, warf Jamie jedoch einen raschen Seitenblick zu.

Jamie holte Luft, um einen Moment Zeit zum Nachdenken zu haben, dann sagte er: »Vielleicht hast du Recht, Dex.

Wenn wir den Abstand zwischen den Baken ein bisschen vergrößern, kann das nicht allzu viel schaden.« Trumball machte einen Moment lang große Augen.

Rasch fügte er hinzu: »Und wir wären schneller beim Canyon.«

Jamie nickte. »Warum nicht? Guter Vorschlag.« Trumballs Grinsen wirkte eher triumphierend als dankbar.

Während die anderen der Reihe nach in den Waschraum gingen und ihre Schlafoveralls anzogen, ging Jamie nach vorn ins Cockpit und setzte sich mit der Basiskuppel in Verbindung.

Tomas Rodriguez' massiges Gesicht mit den dunklen Augen füllte den Bildschirm am Armaturenbrett. Während Jamie seinen Abendbericht herunterspulte, den Rodriguez nach Tarawa weiterleiten würde, dachte ein Teil von ihm über die Hautfarben der Expeditionsmitglieder nach. Es hatte keinen bewussten Versuch gegeben, eine rassische, nationale oder auch nur geschlechtliche Ausgewogenheit herzustellen, aber die Farbpalette reichte dennoch von Trudy Halls Elfenbein über Rodriguez' Olivbraun bis zu Vijay Shektars annäherndem Ebenholzschwarz. Ich schätze, ich liege irgendwo zwischen Tomas und Vijay, dachte er.

Jamie hatte die Exkursionsteams so zusammengestellt, dass immer zwei Frauen in jedem Team waren. Er wusste, dass er übermäßig vorsichtig, ja sogar prüde war, aber er dachte, die Frauen würden sich mit einer zweiten Frau an Bord besser fühlen, als wenn sie mit mehreren Männern allein wären.

Darum war Vijay nun mit Fuchida, Craig und Rodriguez allein in der Kuppel, wie er wusste, aber er glaubte, dass Vijay auf sich selbst aufpassen konnte. Fuchida würde kein Problem sein, und Craig würde sich höchstwahrscheinlich wie ein gutmütiger Onkel benehmen. Rodriguez hatte einen gewissen Testosteronspiegel, aber er wirkte nicht so aggressiv, dass er Jamie Kopfzerbrechen bereitet hätte.

Trotzdem wollte er Vijay sehen, mit ihr sprechen.

Nachdem er seinen Bericht beendet hatte, fragte er: »Ist Vijay noch wach?«

»Glaub schon«, sagte Rodriguez. »Momentchen, ich hole sie.«

Es gab keine Sprechanlage in der Basiskuppel, sondern nur ein ausschließlich für Notfälle reserviertes Lautsprechernetz für Durchsagen. Rodriguez stand einfach von der Kommunikationskonsole auf und ging zu Shektars Kabine.