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»Warum nicht?«, fragte Shektar.

»Schwerkraft«, antwortete Trumball. »Es ist viel leichter, einen marsianischen Felsbrocken abzusprengen und in Richtung Erde taumeln zu lassen, als ein Stück von der Erde abzusprengen und es zum Mars zu befördern.«

»Und der Mars ist viel näher am Asteroidengürtel«, meldete sich Rodriguez am Fußende des Tisches zu Wort.

»Er wird viel öfter von Meteoriten getroffen als die Erde.«

»Ja, natürlich«, sagte Hall.

»Bei Meteoriteneinschlägen werden marsianische Felsbrocken ins All geschleudert«, fuhr Rodriguez beharrlich fort.

»Manche dieser Steinklumpen kommen der Erde so nahe, dass unser Schwerefeld sie erfasst und zum Erdboden runterzieht.«

Sie stürzten sich in eine allgemeine Debatte über die Chancen, dass das Leben auf dem Mars und das auf der Erde irgendwie verwandt sein könnten. Jamie hörte nur mit halbem Ohr zu. Er sann über die Verbindungen zwischen dem Leben auf der Erde und dem Mars nach. Er vergaß Dex und dessen abfällige Bemerkungen, vergaß seine Befürchtungen, was die anderen über ihn denken mochten. Vor seinem geistigen Auge sah er die Felsenbehausung im Grand Canyon des Mars und weitere wie sie, überall in der südwestlichen Wüste.

Tief im Innern spürte er, dass es eine Beziehung gab, es musste sie geben; zwei Welten, die einander nahe genug waren, um Brüder zu sein, und die beide Leben trugen. Sie mussten miteinander verwandt sein. Irgendwann und irgendwie hatte das Leben sowohl die rote Welt als auch die blaue besiedelt. Wie lange mochte das her sein? Wie war es geschehen?

Um das herauszufinden, sind wir hier, antwortete sein rationales Ich.

»Die einheimischen Lebensformen müssten natürlich alle geschützt werden«, sagte Trumball gerade. »Vorausgesetzt, es gibt mehr als eine.«

Jamie wandte seine volle Aufmerksamkeit abrupt ihrer Diskussion zu. »Das ist doch ziemlich abwegig«, meinte Hall, »findest du nicht?«

»Nicht abwegiger, als Leben auf dem Planeten zu finden.«

Trumball lehnte sich auf der Bank zurück, bis er mit den Schultern an dem gekrümmten Schott ruhte.

Shektar starrte ihn an. »Glaubst du wirklich, wir könnten die Umwelt des gesamten Planeten verändern?«

»Ihn so erdähnlich machen, dass Menschen ohne Raumanzüge rumlaufen können?« Rodriguez schaute ausgesprochen ungläubig drein.

»Warum nicht?«, gab Trumball lässig zurück. »In der Permafrostschicht gibt's massenhaft Wasser. Das wärmen wir auf, pumpen es hoch und heizen dadurch die Atmosphäre auf. Wir setzen siderophile Bakterien ein. Besäen die Atmosphäre mit blaugrünen Algen, die das Kohlendioxid in der Luft aufsaugen, und schon haben wir eine atembare Sauerstoff-Stickstoff-Atmosphäre.«

»In hunderttausend Jahren oder so«, meinte Hall.

»Nun sei doch nicht so phantasielos«, knurrte Trumball.

»Es gibt Studien, die zeigen, dass sich das Ganze in einem Zeitraum von ein, zwei Jahrhunderten bewerkstelligen lässt.«

Jamie sah das schiefe, selbstsichere Grinsen auf Trumballs Gesicht und erinnerte sich an sein höhnisches Worin besteht denn eigentlich sein Beitrag zum Gebiet der Geologie?

»Und was passiert mit den einheimischen Lebensformen?«, fragte er ruhig.

»Wie gesagt, die müssen geschützt werden.«

»Mal angenommen, das wär alles machbar«, sagte Craig,

»wer soll das finanzieren?«

Trumballs großspuriges Grinsen wurde breiter. »Das ist das Schöne daran. Das Projekt finanziert sich selbst.«

»Wie denn?«

»Kolonisierung.«

»Kolonisierung?«, fragten mehrere Stimmen.

»Klar, warum nicht? Touristen waren doch auch ganz scharf darauf, in dieses Orbitalhotel zu fliegen, oder? Und die Mondbasis baut Einrichtungen für Pensionäre. Warum sollten wir den Mars nicht kolonisieren?«

»Sehr teure Angelegenheit, meinst du nicht?«, sagte Deschurowa.

Jamie merkte, dass etwas wie weiß glühende Lava in seinen Gedärmen zu brodeln begann.

Trumball verschränkte lässig die Finger hinter dem Kopf.

»Also, ihr solltet wirklich mal den Kopf aus dem Sand ziehen. Es gibt schon jetzt einen Haufen Leute, die für einen Trip zum Mars bezahlen würden. Und wenn es zehn Millionen Dollar pro Person kostet – was ist das schon für den Generaldirektor von Masterson Aerospace oder den Chef von Yamagata Heavy Industries? Oder für irgendeinen Fernsehstar? Und der Preis wird sinken, sobald wir hier auf dem Mars Anlagen zum Wiederauftanken und zum Anbau von Nahrungsmitteln errichten.«

»Damit man dauerhafte Kolonien auf dem Mars bauen kann«, sagte Rodriguez leise.

»Klar«, wiederholte Dex. »Warum nicht?«

»Guter Gott«, murmelte Hall.

»Die Großkonzerne werden die Führungsrolle übernehmen«, fuhr Trumball fort, »und die Tourismusindustrie wird mit beiden Füßen zugleich reinspringen. Ferien auf dem Mars! Besuchen Sie den Grand Canyon! Besteigen Sie den höchsten Berg im Sonnensystem!«

»Warum nicht gleich mit Skiern runterfahren?«, murmelte Deschurowa.

»Schnee könnten wir auch machen, klar!«

»Aber Touristen bleiben nicht lange …«

»Schon richtig, aber das wird erst der Anfang sein«, gab Dex mit wachsendem Enthusiasmus zurück. »Wir werden Touristeneinrichtungen bauen müssen, stimmt's? Ich sag's euch, das ist die erste Keimzelle von dauerhaften Kolonien.«

»Nein«, sagte Jamie.

Trumball drehte sich langsam zu ihm um, immer noch mit dem schiefen Grinsen auf seinem hübschen Gesicht. »War mir klar, dass du das nicht gut finden würdest.«

»Der Mars wird weder ein Urlaubsort für Touristen noch eine Kolonie werden.«

»Wetten?«

»Ich halte das für totalen Unsinn«, sagte Hall mit einem Schnauben.

»So hat dein Großvater auch über Flitterwochen im Orbit gedacht«, schoss Trumball zurück, »aber jetzt fliegen die Leute zu diesem Zweck dorthin, oder?«

»Das, wovon du da redest«, sagte Deschurowa, »die Umwandlung des ganzen Planeten – das nennt man Terraformen, richtig?«

»Terraformen, stimmt.« Trumball nickte.

Jamie versuchte, die Wut zu bezähmen, die in ihm kochte.

»Du willst also den ganzen Planeten verändern, ihn zu einer zweiten Erde machen.«

»Das ist die Grundidee. Damit reduzieren wir die Gefahren für die Besucher. Dann können wir dauerhafte Siedlungen auf dem Mars bauen. Städte, Kolonien.«

»Genau wie die Europäer in Amerika«, sagte Jamie.

Trumball lachte schallend. »Ich wusste, dass dir das gegen den Strich gehen würde. Kulturell bedingte Vorurteile und so weiter.«

»Und du willst die Flechte in ein Reservat stecken, wo die Besucher sie begaffen können.«

Trumballs Grinsen verblasste nicht im mindesten. »Also, nun flipp mal nicht aus, Das ist das kommende Ding. Und du hast mehr als sonst jemand hier dazu beigetragen, es zu ermöglichen.«

»Ach tatsächlich?«

»Aber ja«, sagte Trumball. »Du warst doch derjenige, der bei der ersten Expedition auf die Fahrt zum Grand Canyon gedrängt hat, oder nicht? Ohne dich hätte man die Flechte nie gefunden.«

Jamie fühlte sich plötzlich aus dem Gleichgewicht. Lob von Trumball hätte er als Letztes erwartet.

»Und du hast sogar einen ziemlichen Wirbel um eine Felsenbehausung gemacht, stimmt's?«, fuhr Dex fort. »Also, das wäre doch eine Wahnsinns-Touristenattraktion! Ein echtes marsianisches Dorf. Glaub mir, die Leute würden ein Vermögen dafür bezahlen, es zu sehen.«

»Nicht, solange ich lebe«, sagte Jamie mit aller eisernen Härte, die er in sich spürte.

»Du wirst es nicht verhindern können, Chief«, sagte Trumball genauso stahlhart. »Es ist unvermeidlich. Wir kommen, wir sehen, wir erobern.«

»Nicht, solange ich lebe«, wiederholte Jamie. Dann fügte er hinzu: »Und auch nicht, solange du lebst.«

»Ach nein? Was wollen wir wetten, dass bei der nächsten Expedition zum Mars schon Touristen dabei sind? Nur ein paar stinkreiche alte Fürze, denen es nichts ausmacht, ein paar Millionen hinzublättern, um sich zu beweisen, was für knallharte Typen sie sind. Aber sie werden kommen.«