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Auf der anderen Seite des Tisches setzte Trudy Hall sich aufrechter hin. »Wir müssen feststellen, ob die Flechte Wasser aus den Hydraten extrahieren kann«, sagte sie. Ihre Stimme zitterte ein wenig vor Eifer.

Sie und Trumball stürzten sich in einen lebhaften Dialog darüber, wie man die Flechte testen könnte. Jamie sah die Aufregung in ihren Gesichtern, hörte die Leidenschaft in ihren Stimmen.

»Wir müssen Proben ziehen und sie zur Basis mitnehmen«, sagte Hall. »Ich habe hier nicht die Geräte für solche Untersuchungen.«

»Nehmen wir ganze Steine und bewahren wir sie in Probenkästen außerhalb des Rovers auf«, empfahl Trumball. »Wir sollten kein Risiko eingehen, sie zu kontaminieren.«

»Richtig. Aber wo können wir sie unterbringen?«

Trumball stand von der Liege auf, ging um den Tisch herum und setzte sich neben sie. Sie beugten sich über den Bildschirm des Laptops; ihre Köpfe berührten sich fast. Stacy Deschurowa kam aus dem Cockpit zurück und warf einen Blick auf die beiden, die miteinander schwatzten und auf der Tastatur des Laptops herumtippten.

»Was ist los?«, fragte sie Jamie.

»Sie versuchen rauszufinden, wo sie außen am Rover ein paar Probenkästen für die Rückfahrt aufhängen können.«

»Außen? Sucht es euch aus. An der Außenhaut gibt's alle paar Meter Befestigungspunkte.«

Nachdem dieses Problem gelöst war, schlüpfte Deschurowa an Jamie vorbei in Richtung Waschraum. Jamie saß allein auf seiner Liege und fühlte sich ausgeschlossen. Sie sind so aufgeregt wegen dieser Sache, dass sie alles andere vergessen, sagte er sich.

Dann blickte Hall vom Bildschirm auf und sagte: »Ist euch eigentlich klar, was das bedeutet? Das mit der Wärmespeicherfähigkeit der Flechte, meine ich.«

Trumball schaute einen Moment lang verwirrt drein.

Jamie begann zu überlegen: Wenn die Steine mit Flechten wärmer sind als die Steine ohne, dann heißt das …

»Wir könnten sie per Satellit kartieren!«, rief Trumball.

»Genau«, rief Trudy. »Die Infrarotsensoren in den Satelliten können Temperaturanomalien am Boden aufspüren …«

»Und die wärmeren Stellen werden die sein, wo die Flechten leben«, beendete Jamie ihren Satz.

»He, auf diese Weise könnten wir innerhalb von ein paar Stunden eine vollständige Karte des ganzen Planeten kriegen«, sagte Trumball. »Die uns genau zeigt, wo es Flechtenkolonien gibt!«

»Länger als ein paar Stunden wird es schon dauern«, dämpfte Jamie ihre Begeisterung. »Wir brauchen mehrere Überflüge, um sicherzustellen, dass die Daten zuverlässig sind, und wir müssen sie für jedes Gebiet mehrfach erheben, um die Temperaturunterschiede festzustellen.«

»Können die Satellitensensoren einen Unterschied von etwa sechs Grad messen?«, fragte Hall.

»Na klar«, sagte Trumball. »Mit Leichtigkeit.«

»Bodentemperaturen, meine ich.«

»Ich bin ziemlich sicher, dass das kein Problem sein wird, Trudy«, sagte Jamie. »Die Atmosphäre absorbiert nicht viel; sie ist so dünn, dass die Bodenwärme direkt in den Weltraum entweicht. Deshalb wird es jede Nacht so kalt, ganz gleich, wie hoch die Temperatur tagsüber war.«

Sie nickte nachdenklich. »Fünf oder sechs Grad also.

Wenn die Satelliten fähig sind, einen so geringen Unterschied zu messen, können wir den ganzen Planeten kartieren und sehen, wo es Flechtenkolonien gibt.«

»Oder andere Lebensformen«, meinte Trumball.

»Bisher haben wir keine gefunden«, sagte sie.

»Das kommt noch«, antwortete Trumball zuversichtlich.

»Hoffentlich.«

»Holen wir uns mal die technischen Daten der Satellitensensoren auf den Bildschirm«, sagte Trumball. »Dann werden wir ja sehen, ob die Infrarotscanner deine Temperaturunterschiede messen können.«

Hall nickte eifrig, und Trumball zog den Laptop zu sich herüber und begann, auf der Tastatur herumzutippen. Jamie stand auf und ging nach vorn ins Cockpit. Wird Zeit, dass ich mich mit der Basis in Verbindung setze und den abendlichen Bericht durchgebe, dachte er.

ABEND: SOL 10

Vijay Shektar hatte gerade Dienst an der Kommunikationskonsole. Sie lächelte Jamie an. »Na, wie sieht's aus, Kamerad?«

»Sehr gut.« Jamie berichtete von ihrer Hypothese über die Flechte, die Wasser aus dem Innern ihres Wirtsgesteins saugte, und die Möglichkeit, den ganzen Planeten nach Flechtenkolonien abzutasten.

»Das ist ja großartig, Jamie«, sagte Shektar mit einem fröhlichen Lächeln.

»Trudy ist wirklich auf Draht«, sagte er. »Sie ist auf dem besten Wege zum Nobelpreis.«

»Schön für sie«, erwiderte Vijay ein bisschen abwesend, wie Jamie fand.

Dann verblasste ihr Lächeln, und sie fragte mit leiserer Stimme: »Wie läuft's zwischen dir und Dex?«

Jamie dachte an den vorletzten Abend, als er mit ihr hatte sprechen wollen, sie jedoch mit Trumball gechattet hatte.

Ohne sich etwas anmerken zu lassen, antwortete er:

»Nicht schlecht. Er will den alten Rover bergen.«

»Ja, das hab ich in deinem gestrigen Bericht gelesen.«

»Und zu diesem Zweck hat er versucht, mich zu bestechen.«

»Dich zu bestechen?«

Jamie berichtete ihr von dem Vorschlag mit der Felsenbehausung.

Shektar sagte: »Aber das wolltest du doch ohnehin tun, oder?«

Er musste es zugeben. »Ich hatte es jedenfalls vor. Aber jetzt, wo Dex es offen angesprochen hat, bin ich irgendwie froh drüber.«

»Das ist gut.«

»Äh … du hast doch neulich abends mit ihm gesprochen, nicht?«

Ihr dunkelhäutiges Gesicht zeigte keine Spur von Überraschung. Ihre Onyx-Augen flackerten nicht. »Ich versuche, alle paar Tage mit jedem Mitglied des Teams zu sprechen, Jamie. Das gehört zu meinem Job.«

»Ich verstehe«, sagte er.

Sie lächelte. »Ja, natürlich.«

Auf einmal fühlte Jamie sich unwohl. Er hätte am liebsten stundenlang mit Vijay gesprochen, hätte gern über Gott und die Welt mit ihr geredet, nicht nur über die sachlichen Aspekte der Expedition. Aber er spürte, dass sie mehr dar

über wusste als er selbst, was in ihm vorging.

»Wie steht's bei euch?«, hörte er sich fragen. »Alles in Ordnung?«

»Ja, alles bestens«, sagte Vijay. »Possums Bohrer hat die Zweihundert-Meter-Marke erreicht, und er holt jetzt die ersten Bakterienproben herauf. Er und Mitsuo untersuchen sie. Die beiden nehmen die ganze Laborausrüstung in Beschlag.«

»Lebende Bakterien?«

»Ja. Die Biologen auf der Erde tanzen auf der Straße, wenn man die beiden so reden hört.«

»Warum, zum Teufel, haben die mir nichts davon erzählt?«

Sie machte ein überraschtes Gesicht. »Ich dachte, das hätten sie. Heute Morgen haben sie gerade die erste Probe raufgeholt. Ich dachte, sie hätten dir sofort einen Bericht geschickt.«

Jamie holte tief Luft. »Vielleicht ist er in meiner Mail. Ich hab heute Abend noch gar nicht nachgesehen.«

»Bestimmt ist er drin.«

Ohne die Verbindung mit Shektar zu unterbrechen, holte er sich die Liste der eingegangenen Nachrichten auf den Bildschirm. Ja, da waren zwei von Fuchida, nur ein paar Minuten nacheinander abgeschickt, vor knapp drei Stunden.

Ich sollte mir meine Mail ansehen, bevor ich die Basis anrufe, ermahnte sich Jamie. Er merkte, dass er sich töricht benommen hatte, weil er sich so sehr gewünscht hatte, mit Vijay zu sprechen, dass er gar nicht auf die Idee gekommen war, vorher einen Blick in seinen Posteingang zu werfen.

»Mitsuo meint, die Vulkane wären vielleicht noch bessere Stellen für eine unterirdische Ökologie«, sagte sie. »Er kann es gar nicht erwarten, mit seiner Exkursion loszulegen.«

Jamie seufzte. »Das Gefühl kenne ich.«

»Geht's dir gut?«

Beinahe überrascht von ihrer simplen Frage, antwortete Jamie: »Klar, alles in Ordnung.«