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»Du bist nicht müde oder vielleicht ein bisschen reizbar, vor allem abends?«

Jamie schüttelte den Kopf. »Nein, nichts dergleichen.«

»Wie ist es beim Aufwachen morgens? Irgendwelche Anzeichen von Niedergeschlagenheit?«

»Wovon redest du?« Er erinnerte sich daran, wie es ihm bei der ersten Expedition gegangen war, als Vitaminmangel zu Skorbut geführt hatte. Machte sich Vijay deswegen Sorgen?

Aber sie antwortete: »Vom Jetlag.«

»Jetlag?«

Shektar nickte ganz ernst. »Der Marstag ist über eine halbe Stunde länger als der Erdentag. Hier in der Basis haben einige Leute Schwierigkeiten gehabt, ihre innere Uhr darauf umzustellen.«

Jamie war sofort alarmiert. »Wer? Wie ernst ist es?«

»Es ist nicht ernst«, erwiderte Shektar. »Kein Grund zur Sorge. Und ich werde deshalb nicht die ärztliche Schweigepflicht verletzen.«

»Aber wenn es sich auf die Arbeit der Betreffenden auswirkt …«

»Bis jetzt ist das nicht der Fall, und ich bezweifle, dass es so weit kommen wird. Sie passen sich an; nur ein bisschen langsam, das ist alles.«

Jamie gab sich alle Mühe, sie nicht finster anzusehen. Daran hätten wir denken sollen, tadelte er sich. Wir haben die Schwerkraftanpassung durchgeführt, aber niemand hat an die Anpassung an die unterschiedliche Tageslänge gedacht.

»Mach nicht so ein Gesicht, Jamie«, sagte Vijay. Sie lächelte wieder. »Du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen.«

»Bist du sicher?«

»Ja, ich bin absolut und vollkommen sicher.« Dann wurde ihr Lächeln schalkhaft. »Jedenfalls ziemlich.«

Sie unterhielten sich ein wenig über Biorhythmen und natürliche Zyklen. Jamie genoss es, mit ihr zu plaudern; er merkte, dass die Anspannungen des Tages sich allmählich von ihm lösten. Ihm fiel auf, wie weiß ihre Zähne in dem dunklen Gesicht glänzten. Ihre Haut wirkte glatt und weich. Wie gern würde er ihr Gesicht, ihre Schultern streicheln …

»Wo wir gerade von Biorhythmen sprechen«, sagte Vijay,

»ich habe den Harem-Effekt im Auge behalten.«

Das machte seinen Phantasien ein Ende. »Den was

»Den Harem-Effekt«, sagte sie. »Die Tendenz zusammenlebender Frauen, ihren Menstruationszyklus zu synchronisieren.«

Davon will ich nichts hören, dachte Jamie. Aber er hörte sich fragen: »Ist das hier bei … euch der Fall?«

Shektar nickte. Ihr Blick war neckisch. »Ja, in der Tat, Kamerad. Ich habe vor kurzem mit Stacy gesprochen. Wir sind alle nicht mehr als drei Tage auseinander.«

»Der Harem-Effekt«, murmelte er.

»Ein Element der generellen Boshaftigkeit der Natur«, sagte sie.

»Ach wirklich?«

»Wir machen das nicht absichtlich, Jamie. Wir können unsere Zyklen nicht kontrollieren, jedenfalls nicht ohne Hormontherapie, und soweit ich weiß, nimmt keine von uns die Pille.«

Jamie dachte, vielleicht solltet ihr das tun, und fragte sich dann, warum sie es nicht taten. Weil sie nicht sexuell aktiv sein wollten?

»Wir haben uns vor dem Abflug von der Erde bereit erklärt, auf die Pille zu verzichten«, erklärte Shektar. »Wir sind alle drei freiwillige Teilnehmerinnen eines medizinischen Experiments über den Harem-Effekt.«

»Wirst du eine Abhandlung darüber schreiben?«

»Nach unserer Rückkehr, ja. Publizieren oder krepieren, du weißt schon.«

Jamie konnte nicht erkennen, ob sie es ernst meinte oder ob sie ihn triezen wollte.

»Falls eine von uns glaubt, sie hätte Anlass dazu«, fuhr sie fort, »kann sie natürlich eine ›Pille danach‹ nehmen. Von denen habe ich einen ordentlichen Vorrat dabei.«

Jamie hörte sich fragen: »Hat schon jemand …?«

Ihr Lächeln wurde strahlend. »Ärztliche Schweigepflicht, Jamie. Meine Lippen sind versiegelt.«

Er seufzte frustriert. Es klang eher wie ein Knurren.

Auf einmal wechselte Shektar das Thema. »Du hast seit deiner Abreise von der Basis keine medizinische Diagnose mehr machen lassen, weißt du.«

»Ich brauche keine …«

»Du hast die Vorschriften gebilligt, Jamie. Wir haben uns alle bereit erklärt, uns an sie zu halten.«

»Ja, ich weiß.«

»Es ist meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass du körperlich und seelisch gesund bleibst.« Sie war jetzt vollkommen ernst. »Aber das kann ich nicht, wenn du nicht kooperierst.«

»Haben die anderen …?«

»Dex und Trudy waren sehr kooperativ. Stacy hat die typische Abneigung der Astronauten gegen Ärzte, aber sie hat gestern eine Diagnose machen lassen. Ich habe die Daten hier.«

»Ich würde mich lieber von dir persönlich untersuchen lassen als von dieser blöden Maschine«, entfuhr es ihm.

Sie zog die Augenbrauen hoch. »Tatsächlich?«

Jamie verfluchte sich für seine Dummheit. »Ich wollte damit nur sagen, dass …«

Aber Vijay lächelte schon wieder. »Ich untersuche dich gern, wenn du zurückkommst. Aber für den Augenblick ist die Diagnosemaschine leider der Gipfel der Romantik.«

»Romantik?«

Sie lachte. »Tut mir Leid. Ich wollte dich nicht durcheinander bringen. Ist nur mein bösartiger Humor.«

Er zwang sich, ihr Lächeln zu erwidern. Mit begrenztem Erfolg. »Ich bin nicht durcheinander. Ist schon in Ordnung.«

»Ja, das sehe ich.«

Jamie versuchte, das Gespräch wieder in den Griff zu bekommen. »Ich muss mit Tomas sprechen.«

»Jetzt?«

»Bevor ich mich verabschiede.«

»Möchtest du deinen formellen Bericht abliefern?«

»Ich möchte, dass er einen der Schwebegleiter darauf programmiert, einen Erkundungsflug zu der Felsenbehausung durchzuführen.«

MORGEN: SOL 11

Trotz der ganzen Staubsaugerei wirkten die Anzüge allmählich schmutzig und gebraucht, stellte Jamie fest. Die einstmals glänzend weißen Stiefel und Unterteile hatten jetzt einen leicht rötlichen Ton. Die Handsauger entfernten offenbar nicht den ganzen Staub. Ihm fiel wieder ein, wie fleckig und gebraucht die Anzüge bei der ersten Expedition schon nach ein paar Wochen ausgesehen hatten.

»Hier ist das Gerät«, sagte Dex Trumball und reichte Jamie den Helm. Das Visier war bereits geschlossen; die VR-Kameras befanden sich knapp über Augenhöhe. Stacy Deschurowa hatte das Modul mit der Virtual-Reality-Elektronik in den Tornister von Jamies Anzug gepackt.

»Okay.« Jamie setzte den Helm vorsichtig auf und verschloss den Halsring. »Sobald ich die VR-Handschuhe anhabe, bin ich bereit für meine große Chance im Showbiz.«

Trumball war ganz sachlich. »Mach immer schön langsam. Keine plötzlichen Bewegungen. Du willst doch nicht, dass den Zuschauern zu Hause schwindlig wird.«

Deschurowa hatte bereits ihren Raumanzug an. Ihr Visier war hochgeklappt, und sie war bereit, Jamie zu überprüfen, bevor er durch die Luftschleuse hinausging. Jamie hörte ihre Stimmen gedämpft durch seinen gepolsterten Helm.

Dann kam Deschurowa über die Helmlautsprecher: »Funkcheck.«

»Laut und klar, Stacy.«

»Dann hast du grünes Licht für die Exkursion.«

Jamie stapfte unbeholfen in die Luftschleuse und setzte den Pumpzyklus in Gang. Wir könnten ein paar Proben mit hineinnehmen, dachte er. Solange sie in Probenbehältern eingeschlossen sind, kann nichts passieren. Die Behälter sind isoliert und das UV-Licht kommt nicht durch. Aber dann dachte er: Wozu ein Risiko eingehen? Lassen wir sie draußen; in ihrer natürlichen Umgebung sind sie besser aufgehoben.

Das Lämpchen an der Anzeigetafel sprang auf Rot. Jamie drückte mit einem behandschuhten Daumen auf den Knopf, der die Außenluke öffnete. Dann trat er wieder einmal auf den roten Sand des Mars hinaus.

Der Boden war von Stiefelabdrücken übersät. Jamie entfernte sich ein Dutzend Schritte vom Rover und schaute dann an der gigantischen Steilwand hinauf, die sich in beiden Richtungen bis zum Horizont erstreckte. Da der Helm des hartschaligen Raumanzugs sein Blickfeld begrenzte, konnte er den oberen Rand der Felswand nicht sehen, auch wenn er sich so weit wie möglich nach hinten bog.