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Mars ist der vierte Planet, von der Sonne aus gerechnet. Er kommt nie näher als 56 Millionen Kilometer an die Erde heran und ist in dieser Position immer noch über hundert Mal so weit von ihr entfernt wie der Mond. Er ist eine kleine Welt, ungefähr halb so groß wie die Erde, und seine Oberflächenschwerkraft beträgt etwas mehr als ein Drittel derjenigen der Erde. Hundert irdische Kilo wiegen auf dem Mars nur achtunddreißig.

Der Mars ist als der Rote Planet bekannt, weil seine Oberfläche im Wesentlichen eine knochentrockene Wüste aus sandigen Eisenoxiden ist: rostiger Eisenstaub.

Trotzdem gibt es Wasser auf dem Mars. Der Planet hat helle Polarkappen, die zumindest teilweise aus gefrorenem Wasser bestehen. Den größten Teil des Jahres über sind sie von Trockeneis bedeckt, gefrorenem Kohlendioxid. Die erste Marsexpedition bestätigte, das riesige Gebiete des Planeten von Permafrost unterlegt sind: Ein Meer aus gefrorenem Wasser liegt unter dem roten Sand.

Der Mars ist der erdähnlichste Planet im Sonnensystem.

Es gibt Jahreszeiten auf dem Mars – Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Weil er weiter von der Sonne entfernt seine Bahn zieht, ist das Marsjahr annähernd doppelt so lang wie das irdische Jahr (ein paar Minuten weniger als 689 Erdentage), und seine Jahreszeiten sind folglich fast doppelt so lang wie die auf der Erde. Der Mars dreht sich beinahe genauso schnell um seine Achse wie die Erde. Ein Erdentag dauert 23 Stunden, 56 Minuten und 4,09 Sekunden. Ein Tag auf dem Mars ist nur geringfügig länger: 24 Stunden, 37 Minuten und 22,7 Sekunden.

Um Konfusion zwischen Erdzeit und marsianischer Zeit zu vermeiden, bezeichnen die Raumforscher den Marstag als ›Sol‹. Ein Marsjahr umfasst also 669 Sol sowie überständige vierzehn Stunden, sechsundvierzig Minuten und zwölf Sekunden.

Die Entdeckung der felsenbewohnenden Marsflechte warf unter den Wissenschaftlern neue Fragen auf: Ist die Flechte die einzige Lebensform auf dem Planeten? Oder gibt es ein ökologisches Netz verschiedener Organismen? Wenn ja, warum wurden außer der Flechte keine gefunden?

Sind diese niedrigen Organismen die höchste Errungenschaft des Lebens auf dem Mars?

Oder sind sie die zähen Überlebenden einer ehemals reicheren und komplexeren Ökologie?

Falls sie die einzigen Überlebenden sind, was hat dann all die anderen Lebensformen auf dem Mars ausgelöscht? 

ERSTES BUCH.

DIE ANKUNFT

MARS-HABITAT: SOL 1

»Wir sind wieder da, Großvater«, sagte Jamie Waterman leise. »Wir sind zum Mars zurückgekehrt.«

Jamie stand im Innern des kuppelförmigen Habitats neben der Reihe leerer Ausrüstungsschränke gleich bei der Luftschleuse und nahm die kleine Steinskulptur von dem Bord, wo sie sechs Jahre lang gewartet hatte: ein winziger, pechschwarzer Obsidian in der Totemform eines zusammengekauerten Bären. Eine Miniaturpfeilspitze aus Türkis mit einer kleinen weißen Adlerfeder darauf war mit einem Lederband auf seinen Rücken gebunden. Jamie hielt den Navajo-Fetisch in der behandschuhten Hand.

»Was ist das?«, fragte Stacy Deschurowa.

Jamie hörte ihre kräftige, muntere Stimme in seinen Helmlautsprechern. Keines der acht Mitglieder der zweiten Marsexpedition hatte schon den Raumanzug ausgezogen; sie hatten nicht einmal das Helmvisier hochgeklappt. Sie standen in einem groben Halbkreis vor der Innenluke der Luftschleuse, acht gesichtslose Männer und Frauen in klobigen, hartschaligen Raumanzügen.

»Ein Navajo-Fetisch«, antwortete Jamie. »Mächtiger Zauber.«

Dex Trumball schlurfte unbeholfen zu Jamie. Seine dicken Stiefel stapften schwer über den Kunststofffußboden des Habitats.

»Hast du das von der Erde mitgebracht?«, fragte Trumball beinahe anklagend.

»Bei der ersten Expedition«, sagte Jamie. »Ich hab's hier gelassen, damit es den Ort während unserer Abwesenheit beschützt.«

Trumballs Gesicht war hinter der getönten Sichtscheibe seines Helms verborgen, aber sein Ton ließ keinen Zweifel daran, was er davon hielt. »Richtig starke Medizin, hm?«

Jamie unterdrückte einen Anflug von Ärger. »Ganz recht«, sagte er und zwang sich, mit ruhiger, gelassener Stimme zu sprechen. »Die Kuppel ist noch da, nicht wahr?

Sechs Jahre, und sie steht noch und wartet darauf, dass wir sie wieder bewohnen.«

Possum Craig sagte mit seinem ausdruckslosen, näselnden texanischen Akzent: »Pumpen wir erst mal 'n bisschen atembaren Sauerstoff hier rein, bevor wir uns gegenseitig auf die Schulter klopfen.«

»Sechs Jahre«, murmelte Trumbull. »So lange liegt das Ding schon hier.«

Sechs Jahre.

Selbst die Entdeckung von Leben, das sich verzweifelt an die Felsen tief unten im Grand Canyon des Mars klammerte, hatte diese Rückkehr zum Roten Planeten nicht leicht oder einfach gemacht. Es hatte sechs Jahre gedauert, die Menschen, die Ausrüstung und – am allerwichtigsten –

das Geld zusammenzubekommen, um diese zweite Marsexpedition zu realisieren.

Zu seiner Überraschung und seinem Ärger hatte Jamie Waterman mit jedem Molekül Kraft und Geschick, das er besaß, um einen Platz bei der zweiten Expedition kämpfen müssen. Aber wie es schien, war der Fetisch seines Großvaters wirklich mächtig gewesen: Nun war er doch noch zum Mars zurückgekehrt.

Nach fünf Monaten im All zwischen den beiden Welten, nach einer Woche im Orbit um den Mars, nach dem Flammenritt durch die dünne, von ihrem feurigen Abstieg bis zur Weißglut aufgeheizten Marsatmosphäre waren Jamie Waterman und die anderen sieben Mitglieder der Expedition schließlich auf den rostroten, sandigen Boden des Mars hinausgetreten.

Fünf Männer und drei Frauen, alle in unförmige Raumanzüge gehüllt, die ihnen das Aussehen tapsiger, auf die Hinterbeine aufgerichteter Schildkröten verliehen. Sämtliche Anzüge waren weiß, mit farbkodierten Streifen an den Ärmeln, damit man den jeweiligen Träger leicht identifizieren konnte. Jamies drei Streifen waren feuerwehrrot.

Das von der ersten Expedition zurückgelassene Habitat sah unverändert aus. Die Kuppel war noch aufgeblasen und schien die sechsjährige Wartezeit unversehrt überstanden zu haben.

Als Erstes stapften die Forscher zur Luftschleuse der Kuppel und gingen hinein. Nachdem sie sich im leeren Innern kurz umgeschaut hatten, widmeten sie sich ihren jeweiligen Aufgaben und überprüften das Lebenserhaltungssystem. Falls die Kuppel unbrauchbar war, würden sie während der gesamten anderthalb Jahre ihres Aufenthalts auf dem Mars in dem Raumschiffmodul wohnen müssen, mit dem sie zum Roten Planeten geflogen und auf ihm gelandet waren. Keiner von ihnen wollte das. Fünf Monate in dieser Blechdose waren mehr als genug gewesen.

Die Kuppel war intakt, ihre Lebenserhaltungsanlage funktionierte hinlänglich, und der Atomkraftgenerator lieferte noch genug Strom für das Habitat.

Ich wusste, dass es so sein würde, sagte sich Jamie. Der Mars ist eine sanfte Welt. Er will uns keinen Schaden zufügen.

Craig und Tomas Rodriguez, der von der NASA gestellte Astronaut, warfen den Sauerstoffgenerator an. Nach sechs Jahren Untätigkeit machte er zunächst Mucken, aber dann bekamen sie ihn schließlich in Gang, und er begann, atembaren Sauerstoff aus der Marsatmosphäre zu gewinnen und mit dem Stickstoff zu mischen, der die Kuppel in den vergangenen sechs Jahren prall gefüllt hatte.

Die übrigen Forscher gingen hinaus und bauten die Videokameras und Virtual-Reality-Geräte auf, mit denen sie ihre Ankunft auf dem Mars aufzeichnen und die Nachricht zur Erde übermitteln wollten. Mit dem Steinfetisch in der Oberschenkeltasche seines Raumanzugs erinnerte Jamie sich an den politischen Aufruhr, den er verursacht hatte, als die erste Expedition den Boden des Mars betreten und er ein paar Worte auf Navajo gesagt hatte, statt die von der Presseabteilung der NASA für ihn ausgearbeitete steife, formelle Ansprache zu halten.