Выбрать главу

Ihm stockte der Atem, als ihm wieder einmal klar wurde, dass er sich auf einem anderen Himmelskörper befand, einem großartigen, markanten neuen Planeten mit einer ganzen Welt voller Überraschungen und Rätsel, die sie entdecken und lösen konnten. Er spürte, wie die Wärme der Morgensonne in die am Boden verstreuten Steine und die über sein Blickfeld hinaus aufragende massive Felswand drang.

Hier gab es einmal einen Fluss, dachte Jamie. Einen gewaltigen, reißenden Strom, der häusergroße Felsbrocken mit sich getragen hat. Aber wann? Vor wie langer Zeit? Und was ist aus ihm geworden?

Die Felsenbehausung ist keine fünfzig Klicks von hier, sagte er sich. Wir könnten hinfahren, sie uns rasch ansehen und noch vor Sonnenuntergang wieder hier sein.

Er drehte sich um und ließ den Blick über den Boden des Canyons schweifen. Die Felswände auf der anderen Seite waren hinter dem Horizont, außer Sichtweite. Der Horizont selbst wirkte zu nah, beunruhigend nah, und so scharf, als wäre der Rand der Welt mit dem Rasiermesser gezogen. Ein ganzer Planet, den es zu erforschen galt. Eine ganze Welt.

Wenn es hier draußen wirklich eine Felsenbehausung gibt, wie viele andere werden wir dann noch finden?

Aber die Stimme der Pflicht antwortete: Nicht heute. Du kannst dich nicht auf die Suche nach deiner Felsenbehausung machen. Nicht auf dieser Mission. Du würdest die Treibstoffreserve des Rovers angreifen und ein unnötiges Risiko eingehen.

Nur Geduld, riet er sich. Erst soll der Schwebegleiter einen Erkundungsflug über das Gebiet machen. Dann kannst du eine spezielle Exkursion dorthin planen.

Falls die Kameras des Schwebegleiters etwas zeigen, das eine genauere Untersuchung lohnt.

»Kann es losgehen mit deiner Viertelstunde des Ruhms?«

Stacy Deschurowas Stimme in den Helmlautsprechern riss Jamie aus seinen Gedanken.

Als er sich wieder zum Rover umdrehte, sah er sie in ihrem Raumanzug an der Luftschleuse stehen, mit leicht rosa gefleckten Stiefeln und Beinen. Aber die gelben Streifen an den Ärmeln waren noch immer so hell und makellos wie Butterblumen.

»Ich denke schon«, sagte er.

»Tarawa ist bereit für deine Übertragung«, sagte sie. »Pete Connors sitzt an der Kommunikationskonsole.«

»Auf welcher Frequenz ist er?«

»Zwei.«

Jamie holte tief Luft, während er auf dem Tastenfeld am Handgelenk seine Eingabe vornahm. Es wäre schön, mit Pete zu reden, dachte er. Einen netten, langen, freundlichen Plausch zu halten. Aber Jamie wusste, dass die Entfernung diese Hoffnung zunichte machte. Es würde fast eine Viertelstunde dauern, bis seine Worte die Erde erreichten, und noch einmal so lange, bis Connors' Antwort bei ihm eintraf.

Allein die Begrüßung könnte schon den halben Vormittag dauern, wusste Jamie.

Widerstrebend sprach er in sein Mikrofon: »Willkommen auf dem Mars, diesmal auf dem Grund des Grand Canyon.

Heute werden wir Ihnen echte Marsianer zeigen …«

Fulvio A. DiNardo, S.J., saß in seiner Einzimmerwohnung in der obersten Etage eines ehemaligen Renaissance-Palazzos. Von dem stattlichen alten Gebäude aus hatte man einen guten Blick auf den reich verzierten Brunnen in der Mitte der Piazza Navona. Vor Hunderten von Jahren hatte es als römisches Heim für die lärmende Familie eines reichen Kaufmanns gedient, der mit edlen Metallen handelte; in den letzten zweihundert Jahren hatte es ein Dutzend marmorverkleidete Wohnungen beherbergt, die lukrative Mieten für die entfernten Nachfahren jener Familie abwarfen.

Pater DiNardo stammte aus einer sehr reichen Familie, obwohl man zu seiner Ehre sagen musste, dass er seine jesuitischen Gelübde ernst nahm und ein bescheidenes Leben führte. Geologie war seine Leidenschaft, sein einziges Laster. Er brannte darauf zu verstehen, wie Gott diese Erde und die anderen von ihm nach Gutdünken erschaffenen Welten konstruiert hatte.

Aus dem hervorragenden Studenten mit von Anfang an blendenden Erfolgsaussichten war schließlich ein Geologe von Weltrang geworden, ein nahe liegender Kandidat für einen Platz bei der ersten Mission zum Mars. Er bemühte sich um größtmögliche Demut, was das betraf, aber innerlich strahlte er vor Stolz bei dem Gedanken, dass er in eine andere Welt vorangehen würde. Die Sünde des Stolzes zog ihre Strafe nach sich: eine Gallenblasenkolik, die operativ behandelt werden musste und ihn aus dem Team der ersten Marsexpedition katapultierte. Jetzt saß er in seiner kleinen, aber gut ausgestatteten Wohnung, einen Virtual-Reality-Helm auf dem Kopf und Datenhandschuhe an den Händen mit den dicken Fingern, und erlebte den Mars mittels einer elektronischen Illusion.

Er sah die Steine, die Jamie Waterman sah, hob sie hoch und inspizierte eingehend ihre zernarbte, raue Oberfläche.

Er untersuchte die gelblichen Flecken an einigen dieser Steine, wo die Marsflechte ein paar Millimeter unter der Oberfläche lebte. Er fühlte die Festigkeit des kompakten, elektronisch verstärkten Mikroskops, das Waterman in einer Hand hielt, als er sich niederkniete, um einen genauen Blick auf die außerirdische Flechte zu werfen.

»Diese dunklen Stellen an der Oberfläche der Flechte«, hörte er Watermans Stimme, »sind in Wahrheit Fenster, die Licht durch die Außenhaut des Organismus eindringen lassen.«

DiNardo nickte verstehend.

»Bei Nacht schließen sie sich, wie Augen«, fuhr Waterman fort, »damit die innere Wärme des Organismus nicht durch die Fenster wieder in die Atmosphäre entweicht.«

Natürlich, dachte DiNardo. Eine wunderbare Anpassung.

Durch Jamie Watermans Sinne schlurfte der Jesuit an der Felswand entlang, untersuchte Steine und hinterließ Stiefelspuren im rostigen Sand.

Zu seiner Überraschung merkte Jamie, dass ihm die Arbeit als Führer Spaß machte. Vielleicht hätte ich doch Lehrer werden sollen, dachte er, während er langsam an der Felswand entlangging und sein Publikum auf die unterschiedlich gefärbten Gesteinsschichten hinwies: eisendunkelrot, ocker, hellbraun, sogar ein paar Extrusionen blassen, gelblichen Gesteins.

»Diese Schichten sind allem Anschein nach über einen langen Zeitraum hinweg entstanden, höchstwahrscheinlich im Verlauf von mehreren Milliarden Jahren. Sie erzählen uns möglicherweise, dass es hier einmal ein Meer gab oder zumindest einen sehr großen See, der dieses Material Schicht um Schicht abgelagert hat.«

Er kam zu einem hausgroßen Felsblock, der offensichtlich aus einiger Höhe auf den Boden des Canyons gestürzt war.

»Problem: Wie alt sind diese Steine?«, fragte Jamie rhetorisch, während er mit behandschuhten Fingern über die seltsam glatte Oberfläche des Felsblocks strich. »Bevor wir lernten, Gestein mit Hilfe des radioaktiven Zerfalls zu datieren, beurteilten die Geologen sein Alter danach, wie tief eine Schicht unter der Oberfläche lag. Heutzutage …«

Während er erklärte, wie die radioaktive Datierung funktionierte und wie Geologen das Alter von Gesteinen nach dem Verhältnis der radioaktiven Elemente darin schätzten, bestieg Jamie den Felsblock, kletterte Spalten in dessen Wand hinauf, bis er oben auf dem großen Stein stand.

»Wie Sie sehen«, begann er keuchend. Dann hielt er inne.

Auf seinem Visier blinkte mit einem Mal eine Kaskade roter Lichter. Die Datenhandschuhe, die mit den Augenbewegungen synchronisierten Kameras, die gesamte VR-Ausrüstung war außer Betrieb, funktionierte nicht mehr.

Jamie murmelte Flüche.

Überall auf der Welt brach bei den Menschen, die zusammen mit Jamie verzückt Tithonium Chasma erforschten, auf einmal die Verbindung zusammen. Ihre Displays wurden dunkel. Bevor sie den Helm abnehmen konnten, erschien das ernste, dunkle Gesicht des ehemaligen Astronauten Pete Connors vor ihnen.

»Wir haben den VR-Kontakt mit Dr. Waterman verloren«, sagte Connors. Seine Stimme war ernst, aber nicht nervös.