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»Auf dieser Seite hat sich der Sand angehäuft«, sagte Deschurowa. In Jamies Helmlautsprechern klang ihre Stimme ruhig, beinahe klinisch nüchtern.

»Ist ziemlich weich, das Zeug«, sagte Jamie. »Wie Staubflocken. Conners und ich konnten es wegschaufeln, nachdem wir auf dem Boden des Canyons in einen Sandsturm geraten waren.«

Trumball steckte eine beschuhte Hand in die Verwehung.

»Staubflocken ist richtig. Schaut!« Er warf eine Hand voll Sand in die Luft; der Sand trieb wie Pulver dahin und sank in der geringen marsianischen Schwerkraft langsam zu Boden.

»Wir könnten darauf Ski fahren«, meinte Trumball. »He, das wäre doch was für die Touristen! Auf dem Mars Ski fahren!«

Er lachte, während Jamie mit den Zähnen knirschte. Meint er das ernst, fragte sich Jamie, oder will er mich nur auf die Palme bringen?

»Die Solarpaneele sind staubverkrustet«, bemerkte Deschurowa.

Jamie hob den Blick zum Dach der Segmente des Rovers und sah, dass sie Recht hatte. »Der Wind hat den Sand auf die Paneele geweht, ihn aber nicht wieder weggeblasen.«

Trumball sagte: »Das Zeug ist auch verdammt scharfkantig. Hat die Paneele wahrscheinlich gründlich zerkratzt.«

»Kommt hier rüber«, sagte Deschurowa. »Die Luke ist auf der Leeseite.«

Jamie folgte ihr, den Blick auf ihre Stiefelabdrücke im Boden gerichtet. Hier war er fest, aber ein paar Meter weiter war der Rand des Kraters.

Deschurowa drückte auf den Bedienungsknopf der Luke.

»Tut sich nichts.«

»Wenn die Solarpaneele nicht mehr funktionieren, haben die Batterien bestimmt schon vor Jahren den Geist aufgegeben«, meinte Trumball.

»Dann müssen wir sie eben von Hand aufmachen«, brummelte Deschurowa und zog einen schmalen, schnurlosen Akkuschrauber aus dem Werkzeug-Set, das sich in die Oberschenkeltasche ihres Anzugs schmiegte.

Jamie sah zu, wie sie die Verkleidung über der manuellen Steuerung entfernte. Der scharfkantige Staub und die Zeit hatten die Schrauben festgesetzt, und sie ließen sich nicht bewegen. Deschurowa begann leise auf Russisch zu fluchen, während der elektrische Schraubenzieher immer wieder aufjaulte. Jamie hörte ihr Gemurmel in seinen Helmlautsprechern und befürchtete, sie könnte sich mit dem Schrauber den Handschuh zerreißen, wenn sie abrutschte.

Ein Riss in den Handschuhen des Raumanzugs wäre weitaus schlimmer als ein abgeschürfter Knöchel.

Der elektrische Schraubenzieher bekam die erste Schraube schließlich los, und Deschurowas leise Flüche verstummten.

Die anderen Schrauben ließen sich viel leichter lösen.

»Ist immer so«, sagte sie, ohne von ihrer Arbeit aufzublicken. »Die erste, die man sich aussucht, geht immer am schwersten.«

Das Rad, mit dem man die Luke von Hand öffnen konnte, saß noch fester. Deschurowa konnte es nicht bewegen.

Trumball griff eilfertig zu, und zusammen zerrten die beiden ächzend daran herum, bis die Luftschleuse schließlich einen Spaltbreit aufging. Dann ließ es sich leichter drehen, und die Tür glitt ganz auf.

»Okay, Jamie«, sagte Deschurowa keuchend. »Nach dir.«

»Du bleibst draußen, Stacy«, ermahnte er sie, »bis wir uns drinnen umgesehen haben.«

»Geht klar, Chief«, sagte sie.

Jamie fragte sich, ob sie Trumballs Spitznamen für ihn unbewusst oder mit Absicht verwendete. Er zwängte einen Stiefel auf die mittlere Sprosse der kurzen Leiter und hielt sich mit beiden Händen an den Rändern der offenen Luke fest. Dann zog er sich in die Schleuse, wobei er ganz nebenbei feststellte, dass die Gewöhnung an die Drittelschwerkraft des Mars ihre Nachteile hatte: Es kostete ihn echte Anstrengung, sich samt Anzug und Tornister hochzuhieven.

Die manuelle Steuerung für die Innenluke befand sich direkt unter der elektrischen Kontrolltafel. Anfangs klemmte sie genauso, aber dann gelang es Jamie, das Rad zu drehen, und die Innenluke ließ sich langsam aufkurbeln.

»Okay, ich gehe rein«, sagte er.

»Ich auch«, sagte Trumball. Jamie hörte ihn ächzen, als er sich in die Luftschleuse hievte, und grinste heimlich, dass Dex sich beim Hochklettern genauso anstrengen musste wie er.

Im Innern herrschte ein wüstes Durcheinander. Sie hatten alle vier Skorbut gehabt, als die Russen ihnen zu Hilfe gekommen waren. Sie hatten den Rover verlassen, ohne einen Gedanken ans Aufräumen zu verschwenden. Die Laken auf den Liegen waren zerknittert, so wie sie sie zurückgelassen hatten. Jamie fand, dass sie immer noch verschwitzt aussahen, obwohl er wusste, dass alle Feuchtigkeit schon vor Jahren verdunstet sein musste.

Er hörte Trumball hinter sich. »Hier ist es also passiert.«

Die Stimme des jüngeren Mannes war weicher als sonst.

Jamie drehte sich um und sah ihn an. Dex spähte durch die Schleuse ins mittlere Segment des Rovers, das in ein mobiles Biologielabor umgewandelt worden war.

»Hier haben Brumado und Malater die Flechte entdeckt«, sagte Trumball, fast so, als sähe er einen heiligen Schrein vor sich.

»Das stimmt«, sagte Jamie. Die Erinnerung kam zurück, und er sah Joanna, die ängstliche, schöne Joanna mit ihren großen dunklen Augen und dem Gesicht eines einsamen, verletzlichen Straßenkindes. Die Kindfrau, in die er sich verliebt hatte. Die Tochter von Alberto Brumado, die er geheiratet hatte. Die Frau, die endlich erwachsen geworden war und ihn verlassen hatte.

Sie hat mich nie geliebt, dachte Jamie zum millionsten Mal. Vielleicht hat sie's anfangs geglaubt, aber sie hat mich nie geliebt. War ich wirklich verliebt in sie? Er schüttelte in seinem Helm den Kopf und dachte: Wie auch immer, du hast die ganze Sache jedenfalls gründlich vermasselt.

»Mann, was die Museen bezahlen würden, um dieses Teil in die Finger zu kriegen«, sagte Trumball, und die Ehrfucht in seiner Stimme wich der Erregung.

Jamie setzte zu einer scharfen Erwiderung an, fing sich aber gerade noch rechtzeitig. Dieses Teil ist viel zu schwer, als dass wir es zur Erde mitnehmen könnten, sagte er sich.

Die Aufstiegssektion des L/AV könnte es unmöglich tragen.

Als läse er Jamies Gedanken, fuhr Trumball fort: »Wir machen ein Ausstellungsstück für die Besucher draus.

Vielleicht parken wir ihn wieder unten auf dem Boden des Canyons, wo die Entdeckung gemacht wurde, und karren die Touristen mit Bussen hin.«

Vor Jamies geistigem Auge erstand ein Bild der Navajo-Frauen, die auf den Gehwegen am zentralen Platz von Santa Fe ihre Decken ausbreiteten, um den Touristen Schmuck zu verhökern.

»Alles in Ordnung?«, fragte Stacy Deschurowas Stimme in ihren Helmlautsprechern.

»Wir sind drin«, berichtete Jamie. »Keine Probleme.«

»Ich komme rein«, sagte sie. »Wir müssen die elektrischen Systeme durchchecken.«

»Gut.«

Fast eine Stunde später verkündete Deschurowa, was sie bereits gewusst hatten. »So tot wie ein Dinosaurier«, sagte sie vom Fahrersitz aus.

Jamie, der hinter ihr stand und auf die leeren Monitore und leblosen Instrumente der Kontrolltafel schaute, nickte in seinem Helm. Was hast du erwartet, fragte er sich. Er steht seit sechs Jahren hier draußen, jede Nacht hundert Grad minus, die Solarpaneele von Staub bedeckt. Die Batterien müssen innerhalb von ein paar Tagen oder höchstens einer Woche leer gewesen sein. Die Brennstoffzellen sind hinüber, der Wasserstoff ist diffundiert.

»Wir werden ihn abschleppen müssen«, meinte Trumball.

»Wenn wir können«, sagte Jamie.

»Warum nicht?«

Jamie wollte die Achseln zucken, aber der hartschalige Anzug verhinderte es. »Wir müssen's einfach ausprobieren.«

»Okay«, sagte Deschurowa. »Machen wir uns an die Arbeit, bevor die Sonne untergeht.«

SONNENUNTERGANG: SOL 15

Jamie verspürte immer noch einen leichten, unbehaglichen Schauder, wenn er zur Sonne hinaufblickte; sie war merkwürdig klein und geschrumpft, ein sichtbares Zeichen dafür, wie weit entfernt von zu Hause sie waren.