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»Hydrate und Flechte zusammen; keine Hydrate, keine Flechte.«

Kopfschüttelnd sagte Jamie: »Nein, ich meine, dass die Flechten Wasser spüren.«

»Wie lässt sich das sonst erklären?«, fragte Hall.

»Nun, vielleicht sterben die Flechten, die sich in Gestein ohne Hydrate anzusiedeln versuchen, einfach an Wassermangel ab.«

Trudy machte ein langes Gesicht. »Oh.«

»Also Moment mal«, sagte Trumball. »Das wäre eine Möglichkeit, okay, aber das heißt nicht …«

»Ockhams Skalpell, Dex«, sagte Hall niedergeschlagen.

»Wie?«

»Ockhams Skalpell«, wiederholte sie. »Wenn es zwei mögliche Erklärungen für ein Phänomen gibt, ist die einfachere für gewöhnlich die zutreffende.«

»Das heißt nicht, dass er Recht hat«, sagte Trumball beinahe streitsüchtig.

»Doch, ich fürchte schon«, sagte Trudy. Ihre Stimme war nur noch ein Wispern. »Wir waren so begeistert über die Hydratfunde, dass wir die auf der Hand liegende Erklärung übersehen haben.«

Trumball sah sie mit finsterer Miene an und wandte sich dann an Jamie. »Ich finde trotzdem, dass wir uns die Sache genauer anschauen sollten. Vielleicht kann die Flechte wirklich Hydrate im Gestein spüren.«

»Vielleicht«, gab Jamie zu. »Aber solltet ihr eure Zeit nicht lieber auf die Frage verwenden, wie sie die Wassermoleküle aus dem Gestein löst? Das ist ein echtes Problem.«

Halls Gesicht hellte sich wieder auf. »Ja, das ist das Problem, nicht wahr? Was für eine unglaubliche Anpassungsleistung!«

Jamie nickte und ging davon. Erst als er hinter der geschlossenen Tür seiner Kabine in Sicherheit war, erlaubte er sich ein Lächeln, dass er Dex' Ballon hatte platzen lassen.

Während des Abendessens erstatteten Trudy und Dex dem ganzen Team ausführlich Bericht darüber, was sie an diesem Tag getan hatten. Alle waren sich einig, dass Jamies Erklärung für das Fehlen von Flechten in wasserlosem Gestein wahrscheinlicher war: Flechten, die sich in trockenem Gestein anzusiedeln versuchten, starben an Wassermangel.

Trumball trat zähneknirschend für die Idee ein, dass die Flechte irgendwie die Hydrate spüren konnte, aber seine Versuche waren halbherzig und gingen bald in dem aufgeregten Palaver darüber unter, wie die Organismen wohl nutzbares Wasser aus den Hydraten extrahierten.

Fünfzehn verschiedene Theorien kamen in ebenso vielen Minuten auf den Tisch; alle trugen ihre Ideen vor, kaum dass sie ihnen eingefallen waren. Alle außer Rodriguez, der in missmutigem Schweigen dasaß, wie Jamie bemerkte. Er gibt sich immer noch die Schuld am Verlust des Schwebegleiters, dachte er. Wie kann ich ihn da herausholen?

Possum Craig hatte auch eine Theorie über die Flechte:

»Ich glaub, die kleinen Racker ham alle 'n Diplom in Chemie und bau'n winzige Chemielabors in den Steinen.«

Die anderen johlten und stöhnten.

»Nein, wartet«, sagte Trudy Hall, als das Gelächter erstarb. Sie saß Craig gegenüber und schaute ihm direkt in die Augen. »Possum hat im Grunde absolut Recht.«

Am Tisch wurde es still.

»Wenn die Flechten tatsächlich nutzbares Wasser aus den Hydraten extrahieren, müssen sie ausgezeichnete Chemiker sein und über eine außergewöhnliche chemische Ausrüstung verfügen.«

Mitsuo Fuchida, der am Ende des Tisches saß, ergriff das Wort. »Da kommt mir gerade ein Gedanke: Was passiert mit den Lichenoiden, wenn sie das gesamte Wasser in einem gegebenen Stein verbraucht haben?«

Alle drehten sich zu ihm um.

Fuchida fuhr fort: »Ein einzelner Stein enthält nur eine begrenzte Menge Wasser, nicht wahr? Was machen die Lichenoiden also, wenn sie das ganze Wasser im Stein aufgebraucht haben?«

»Sie werden wohl an Austrocknung sterben«, sagte Hall widerstrebend.

»Aber vorher werden sie sich bestimmt vermehren und ihre Samen zu anderen Steinen schicken«, meinte Vijay Shektar.

»Vielleicht gehen sie in ein Sporenstadium über«, schlug Trumball vor, »und warten, bis eine andere Wasserquelle verfügbar wird.«

»Wir haben keine Sporen gesehen.«

»Ihr habt auch nicht nach welchen gesucht.«

»Das stimmt«, gab Hall zu.

»Augenblick mal«, sagte Jamie. »Da stellt sich eine bedeutsame Frage, nicht? Es gib nur eine begrenzte Menge hydrathaltiger Steine. Was passiert, wenn die Flechten alle trockengelegt haben?«

»Vielleicht sind die Steine ohne Hydrate von den Flechten schon früher leergesaugt worden«, sagte Trumball.

Hall schüttelte den Kopf. »So etwas würde Jahrtausende dauern … äonenlang, um Himmels willen.«

»Das is der Zeitrahmen für planetare Entwicklungen«, sagte Craig. »Wie schon der alte Carl Sagan gesagt hat: Abermilliarden von Jahren.«

»Es ist auch der Zeitrahmen für die evolutionäre Entwicklung von Lebensformen«, fügte Fuchida hinzu.

»Jesus und alle Heiligen«, sagte Trumball leise. »Es ist genau, wie Lowell gesagt hat – dieser Planet stirbt.«

»Lowell … war das der mit den Kanälen?«, fragte Stacy Deschurowa.

Mit einem Nicken erwiderte Trumbalclass="underline" »Er glaubte, Kanäle gesehen zu haben, und behauptete, der Mars sei von intelligenten Wesen bewohnt, die ums Überleben kämpften.«

»Tun wir das nicht alle?«, witzelte Trudy.

»Was?«

»Ums Überleben kämpfen.«

»Nein, im Ernst«, sagte Trumball. »Lowells Kanäle resultierten aus Ermüdungserscheinungen der Augen und optischen Täuschungen. Aber sein zentraler Gedanke war, dass der Mars seine Luft und sein Wasser verlor, dass der ganze Planet starb …«

Trudy Hall sagte mit gedämpfter Stimme: »Und genau das zeigen unsere Forschungsergebnisse.«

»Die Flechten kämpfen ums Überleben«, sagte Jamie,

»aber ihnen gehen die notwendigen Ressourcen aus.«

»Sie verbrauchen die Hydrate im Gestein.«

»Und sterben langsam ab.«

»Aber sie sterben.«

»Oder gehen in ein Sporenstadium über«, rief Trumball ihnen ins Gedächtnis. »Vorübergehende Einstellung aller Lebensfunktionen. Sie warten auf bessere Bedingungen, unter denen sie wieder zum Leben erwachen können.«

»Wie lange können sie das durchhalten?«, fragte Craig.

Fuchida sagte: »Auf der Erde sind schon Sporen aus der Zeit der Dinosaurier wieder belebt worden.«

»Also Millionen Jahre.«

»Dutzende Millionen.«

»Sporen haben sogar auf dem Mond überlebt«, erklärte Deschurowa. »Trotz Vakuum und harter Strahlung.«

»Lunare Sporen?«, fragte Trumball.

»Sporen, die wir mitgebracht hatten, ohne es zu wissen«, antwortete die Kosmonautin. »Sie warteten in der alten Apollo-Abstiegsstufe, als wir über vierzig Jahre später dorthin kamen.«

»Haben sie die Mondfähre nicht dekontaminiert, bevor sie zum Mond geflogen sind?«

»Doch, natürlich, aber das hat nicht alle Bazillen umgebracht. Die sind sehr zäh.«

Craig schnaubte verächtlich. »Da fragt man sich, was wir so alles mit uns rumschleppen, nich?«

»Der entscheidende Punkt ist doch folgender«, sagte Jamie. »Die Flechte deutet offenbar darauf hin, dass der Mars früher einmal viel reicher an Leben war. Und dass er jetzt stirbt.«

Sie nickten alle zustimmend. Jamie dachte: Ja, der Mars stirbt. Früher hat es hier Leben in Hülle und Fülle gegeben.

Früher hat es hier intelligente Marsianer gegeben, die ihre Städte in die Felswände gebaut haben. Ich weiß es! Ich muss hinfahren und es beweisen.

Dex Trumball sah Jamies Gesichtsausdruck und wusste genau, was im Kopf des Indianers vorging. Er errichtet ein theoretisches Kartenhaus, um sich zu beweisen, dass es keine Fata Morgana war, was er in dieser Nische im Canyon gesehen hat, sondern ein von intelligenten Marsianern erbautes Gebilde.

Dex behielt seine Meinung jedoch für sich und hielt bis zum Ende der Diskussion bei Tisch durch; die anderen kamen bald vom Hundertsten ins Tausendste, wiederholten sich, überlegten laut und stellten wilde Vermutungen an, nur um sich reden zu hören. Er blieb die ganze Zeit sitzen, weil er die fröhlich debattierende Runde nicht als Erster verlassen wollte. Schließlich tippte Jamie jedoch auf seine Armbanduhr und schlug vor, dass sie den Tisch abräumten und schlafen gingen.