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Sie entfernten sich langsam von der Kuppel, gingen über den mit Steinen übersäten roten Sand.

»Oh Gott, das ist ja noch öder als das Outback«, meinte Vijay leise.

»Aber schön«, sagte Jamie.

»Das findest du schön?« Ungläubigkeit sprach aus ihrem Ton.

»Du vergleichst es mit der Erde, mit einem Ort, den du kennst oder vielleicht sogar liebst.«

»Dagegen ist Coober Pedy der Garten Eden.«

Jamie schüttelte den Kopf. »Zieh keine Vergleiche. Das ist eine andere Welt, Vijay. Nimm sie so, wie sie ist. Betrachte sie mit neuen Augen.«

Noch während er das sagte, erkannte Jamie, dass er selbst die marsianische Landschaft instinktiv mit der felsigen Ein

öde des Navajo-Reservats verglich. Befolge deinen eigenen Rat, dachte er. Betrachte sie mit neuen Augen.

Und er sah Schönheit. Die Welt vor ihren Augen war eine Sinfonie der Rottöne: Überall lagen rostfarbene Felsbrocken herum, sanfte Dünen in Ocker und Kastanienbraun erstreckten sich bis zum hügeligen, unebenen Horizont, der Himmel war von einem zarten Rosa, das sich über ihnen zu Blau verdunkelte. Eine leise Brise strich über sie hinweg; er hörte ihr freundliches Raunen durch seinen Helm. Es war richtig, harmonisch, eine ausgewogene Welt ohne Druck, lärmende Menschenmengen, riesenhafte Gebäude oder verkehrsreiche Straßen.

Ohne Menschen, erkannte er. Vielleicht sollten wir nicht in übervölkerten Städten leben. Vielleicht sollten wir in kleinen Familien leben, in kleinen Gruppen mit viel freiem Raum um uns herum.

»Weißt du«, sagte Vijay langsam, »es ist wirklich irgendwie schön, auf gewisse Weise. Friedlich.«

Ja, dachte Jamie. Friedlich. Aber wenn Dex seinen Willen bekommt, dann werden hier Touristen durchtrampeln und Bauunternehmer Städte bauen, und ein Heer von Ingenieuren wird überall herumwuseln, um all das zu ändern und ein zweites Phoenix, Tokio oder New York daraus zu machen.

»Natürlich ist es hier nur friedlich, weil wir nicht aus diesen Anzügen herauskönnen«, fuhr Vijay fort. »Es ist schön, weil wir hier eigentlich nicht leben können, wir können nur zu Besuch kommen.«

»Der Mars duldet uns«, sagte Jamie. »Solange wir seine Welt respektieren.«

»Im Grunde sind wir gar nicht auf dem Mars, nicht wahr?

Ich meine, wir können den Wind nicht spüren und nicht barfuß über den Sand laufen.«

»Nein. Wir sind Besucher. Gäste.«

Sie trat näher zu ihm, und Jamie versuchte, ihr den Arm um die Schultern zu legen. In den überdimensionalen hartschaligen Anzügen mit den klobigen Tornistergeräten war das jedoch unmöglich.

Stattdessen fasste er sie am Arm und führte sie wortlos auf den Kamm einer niedrigen, bogenförmigen Felsenkette.

Die Spätnachmittagssonne warf ihre langen Schatten über die kahlen Sanddünen, die in symmetrischer Anordnung bis zu dem beunruhigend nahen Horizont marschierten.

Das Sonnenlicht enthielt keine Wärme; ohne die schützenden Anzüge, die sie umhüllten, wären sie schnell erfroren. Und ohne die Luft aus den Tanks in ihren Tornistern wären sie noch schneller erstickt.

Dennoch brachte sie mit ihrer unheimlichen Schönheit eine Saite in Jamie zum Klingen, diese rote Welt. Es war eine sanfte Landschaft, kahl und leer, aber irgendwie freundlich und verlockend. Was ist jenseits des nächsten Hügels, fragte er sich. Und hinter dem Horizont?

Dennoch blieb er stehen.

»Warum bleibst du stehen?«, fragte sie. »Gehen wir zu diesen Dünen hinüber.«

Jamie berührte mit der einen Hand ihre Schulter und zeigte mit der anderen nach hinten. »Wir wären außerhalb des Kamerabereichs.«

Hinter ihnen ragte eine der auf Masten montierten Überwachungskameras gerade eben noch über den Horizont.

Ihre nebeneinander herlaufenden Stiefelabdrücke waren in dem eisenhaltigen Sand deutlich zu sehen. Sie werden bis zum nächsten großen Sturm erhalten bleiben, sagte sich Jamie. Der sanfte Wind, der hier weht, hat nicht genug Kraft, um die rostigen Sandkörner zu bewegen.

»Gehen wir eine Weile auf diesem Kamm entlang«, sagte er zu Vijay. »Es ist noch früh, wir haben Zeit.«

»Gern.«

»Wir können aber nicht sehr lange draußen bleiben«, schränkte er ein. »Sobald die Sonne untergeht, wird es rasch dunkel.«

»Stacy hat mir erzählt, dass du ihr die Polarlichter gezeigt hast.«

»Ja, das stimmt.«

Nachdem sie ein paar Minuten lang stumm dahingegangen waren, blieb Jamie stehen und drehte sich ganz herum. Im Osten wurde der Himmel bereits dunkel, obwohl die Sonne noch nicht ganz den welligen westlichen Horizont berührte.

Jamie dachte: Dort müsste … ja! Da ist er!

Er berührte Vijay an der Schulter und zeigte mit der anderen Hand hin. »Schau, da oben.«

»Wo? Was ist – ein Flugzeug!«

»Nein«, korrigierte sie Jamie, »das ist Phobos, der nähere Mond.«

Ein heller Funken bewegte sich dort oben zielstrebig dahin, ohne zu blinken, ohne Eile, zog über den dunkelnden Himmel, als wäre er in einer eigenen Mission unterwegs.

»Er ist so klein, dass man ihn nicht als Scheibe sehen kann«, erklärte Jamie, »und so nah an dem Planeten, dass er sich wie ein künstlicher Satellit in einer niedrigen Umlaufbahn von Osten nach Westen bewegt.«

»Ich sehe einen Stern«, sagte sie und zeigte hin.

»Wahrscheinlich Deimos, der größere Mond.« Jamie folgte ihrem ausgestreckten Arm mit dem Blick und erkannte, dass er sich irrte. Er merkte, wie ihm der Atem entwich.

»Das ist die Erde«, sagte er. Oder flüsterte er vielmehr.

»Die Erde?«

Jamie nickte in seinem Helm. »Groß und blau. Das ist die Erde. Für die nächsten paar Monate ist sie hier der Abendstern.«

»Die Erde.« Vijays Stimme klang dumpf vor Staunen.

Stacy Deschurowas Stimme zerstörte den Zauber des Augenblicks. »Basis an Waterman. Die Sonne ist am Horizont. Macht euch auf den Rückweg.«

Er drehte sich um und sah, dass die Sonne tatsächlich die fernen Hügel berührte. »Okay«, sagte er widerstrebend.

»Wir kommen.«

Sicherheitsvorschriften. Trotz der Helmlampen war es nicht erlaubt, nachts draußen herumzulaufen; das wäre auch ziemlich unklug gewesen, sofern es keinen dringenden Grund dafür gab. Trotzdem hätte Jamie es genossen, zumindest für ein paar Minuten mit Vijay und dem funkelnden Nachthimmel des Mars allein zu sein.

»Keine Polarlichter heute, tut mir Leid«, sagte er bedauernd.

»Stacy ist eifersüchtig.«

»Nein, sie hält sich nur an die Vorschriften.«

»Tja … danke für den Spaziergang«, sagte sie, als sie den Rückweg antraten.

»Freut mich, dass es dir gefallen hat«, sagte er.

»Ich sollte öfter mal rausgehen. Ich war zu lange in dieser Kuppel eingepfercht.«

»Macht es dir nichts aus, in einen Anzug eingepfercht zu sein?«

»Eigentlich nicht. Dir?«

»Eigentlich nicht«, erwiderte er. »Ich fühle mich hier draußen irgendwie frei, beinahe so, als könnte ich den Anzug ausziehen und zum Horizont laufen.«

»Wirklich?«

Die plötzliche Veränderung ihres Tonfalls alarmierte Jamie. »Oh-oh. Das hätte ich der Psychologin des Teams gegenüber nicht zugeben dürfen, wie?«

Sie lachte. »Keine Sorge. Es bleibt unter uns.«

Jamie wusste es besser. Er versuchte, es auf die leichte Schulter zu nehmen. »Ich habe keine richtigen Wahnvorstellungen, weißt du.«

»Noch nicht«, gab sie neckisch zurück.

»Ich hab mich schon gefragt, wozu wir bei dieser Mission eine Psychologin brauchten«, sagte er. »Auf der ersten Expedition sind wir prima ohne eine ausgekommen.«

»Ihr braucht eine Psychologin, weil ihr alle an der Grenze zum Wahnsinn seid«, gab Vijay zurück.

»Zum Wahnsinn?«

»Wer, wenn nicht ein Wahnsinniger, würde Millionen von Kilometern zu dieser eisigen Wüste fliegen? Ich könnte einen Forschungsbericht über jeden Teilnehmer dieser Mission schreiben. Jeden einzelnen.«