Выбрать главу

Das hier bereitet dir größere Sorgen als der Start des Generators, sagte er sich. Und wusste sofort, warum. In dem Flugzeug saßen zwei Menschen. Wenn etwas schief ging, wenn sie abstürzten, würden sie alle beide ums Leben kommen.

»Startfreigabe erteilt«, sprach Deschurowa mechanisch in ihr Lippenmikro.

»Verstanden, Startfreigabe«, sagte Rodriguez' Stimme aus den Lautsprechern.

Stacy schaute ein letztes Mal auf die Bildschirme um sie herum, dann sagte sie: »Klar zur Zündung.«

»Zündung.«

Auf einmal schoss eine tosende Stichflamme aus den beiden Raketentriebwerken unter den Flügelwurzeln, und das Flugzeug setzte sich abrupt in Bewegung. Während es, verfolgt von der Kamera, über die Start- und Landbahn holperte und dabei immer schneller wurde, schienen die langen, herabhängenden Tragflächen sich zu versteifen und auszustrecken.

»Komm schon, Baby«, sagte Deschurowa leise.

Jamie sah alles wie in Zeitlupe geschehen: Das Flugzeug rollte die Piste entlang, der Abgasstrahl der Triebwerke wurde so heiß, dass die Flamme unsichtbar wurde, Staub-und Sandwolken wallten hinter dem Flugzeug auf, als es immer schneller, immer schneller die Piste entlangraste. Die Nase hob sich.

»Sieht gut aus«, flüsterte Deschurowa.

Das Flugzeug hob rasant ab, schoss wie ein Pfeil in den makellosen Himmel und ließ eine wogende Wolke aus Staub und Dunst zurück, die sich auf ganzer Länge der Piste langsam auflöste. Für Jamie sah es so aus, als wollte die Wolke nach dem Flugzeug greifen und es wieder zu Boden ziehen.

Doch nun war das Flugzeug kaum mehr als ein Fleck am hellen, orangefarbenen Himmel.

Rodriguez' Stimme kam knisternd aus den Lautsprechern.

»Nächste Haltestelle: Mount Olympus.«

OLYMPUS MONS

Der höchste Berg im Sonnensystem ist ein massiver Schildvulkan, der seit mehreren zehn oder vielleicht sogar hundert Millionen Jahren untätig ist.

Früher einmal stellten seine gewaltigen Lavaströme jedoch alles andere auf dem Planeten in den Schatten. Mit der Zeit entstand durch sie ein Berg, der dreimal so hoch ist wie der Mount Everest und eine Sohlfläche von der Größe Iowas hat. Die Ränder dieser Sohlfläche sind zerklüftete, über einen Kilometer hohe Felswände aus Basalt. Der Gipfel des Berges, wo riesige Calderen die Schlote kennzeichnen, die einst geschmolzenes Gestein spien, liegt etwa siebenundzwanzig Kilometer über der Ebene, auf der er ruht: 27

000 Meter. Zum Vergleich: Der Mount Everest ist 8848 Meter hoch.

Olympus Mons ist so hoch, dass sein Gipfel auf der Erde weit über die Troposphäre – die unterste Luftschicht, in der sich die Wettervorgänge abspielen – und beinahe auch noch über die gesamte Stratosphäre hinausragen würde. Auf dem Mars ist die Atmosphäre jedoch so dünn, dass der Luftdruck auf dem Gipfel von Olympus Mons nur zehn Prozent niedriger ist als am Boden.

Das Kohlendioxid, der Hauptbestandteil der Marsatmosphäre, kann in dieser Höhe ausfrieren, auf dem kalten, nackten Gestein kondensieren und es mit einer dünnen, unsichtbaren Trockeneisschicht überziehen.

NACHMITTAG: SOL 48

»Na, wie findest du's, uns alle drei für dich allein zu haben?«, fragte Vijay.

Jamie und die drei Frauen hatten sich gerade zu einem späten Mittagessen hingesetzt. Rodriguez und Fuchida würden in weniger als einer Stunde auf dem Olympus Mons landen. Trumball und Craig hatten vor ein paar Minuten berichtet, dass sie ohne Probleme Richtung Xanthe rollten.

Vijay hatte bei diesen Worten ein teuflisches Grinsen im Gesicht. Jamies Augenbrauen zogen sich zu einem leichten Stirnrunzeln zusammen.

»Ja«, fügte Trudy Hall hinzu. »Du hast die anderen Männer sehr geschickt aus dem Weg geräumt, nicht?«

Um seine Verlegenheit zu verbergen, wandte sich Jamie an Deschurowa. »Hast du nicht auch noch was dazu beizusteuern, Stacy?«

Stacy mampfte bereits ein eilig zusammengestoppeltes Sandwich. Sie kaute nachdenklich, schluckte und sagte dann: »Wie heißt das amerikanische Wort dafür? Kinky?«

Alle drei Frauen lachten; Jamie brachte ein gezwungenes Lächeln zustande und konzentrierte sich dann auf seinen Teller mit Pasta aus der Mikrowelle und Tofu-Kräutersalat.

Er war dankbar, als die Frauen miteinander über das Essen, den Geschmack des aufbereiteten Wassers und die Tatsache zu reden begannen, dass die Waschmaschine mit integriertem Trockner ihre Sachen ausbleichte. Sie trugen alle den üblichen Overall, aber Jamie fiel auf, dass jede von ihnen ihre Kleidung individualisiert hatte: Deschurowa hatte schicke russische Logos aus ihrer Zeit als Astronautin in Staatsdiensten auf ihre Brusttaschen genäht; Hall steckte sich immer glitzernden Modeschmuck an; Shektar fügte ein buntes Halstuch oder eine farbenfrohe Schärpe um die Taille hinzu.

»Wir sollten es mal mit dem Kleiderreinigungssystem der Mondbasis probieren«, sagte Deschurowa. »Das ist viel schonender fürs Material.«

»Davon hab ich gehört«, sagte Trudy. »Die bringen die Kleider einfach nach draußen, nicht?«

Stacy nickte eifrig. »Ja. Im Vakuum auf dem Mond blättert der Schmutz einfach ab. Und das ungefilterte ultraviolette Licht der Sonne sterilisiert alles.«

»Wir haben kein Vakuum draußen«, wandte Vijay ein.

»Aber beinahe«, entgegnete Stacy.

»Und jede Menge UV-Licht«, sagte Trudy.

»Was meinst du, Vijay?«, drängte Stacy. »Ist doch einen Versuch wert, nicht?«

»Wir bräuchten irgendeinen Behälter, oder? Man hängt die Sachen ja wohl nicht einfach auf die Leine.«

»Könnten wir aber tun, glaube ich«, sagte Trudy.

»In der Mondbasis packen sie die Kleider in einen großen Drahtkorb und lassen ihn auf einem Gleis hin und her fahren, das sie gebaut haben«, erklärte Stacy. »Der Korb dreht sich, wie die Trommel in einer Waschmaschine.«

»So was haben wir hier nicht.«

»Ich könnte eins bauen«, sagte Stacy zuversichtlich.

»Müsste ganz einfach sein.«

»Glaubst du wirklich?«

Sie nickte ernst. »Possum ist hier nicht der Einzige mit geschickten Händen.«

»Was meinst du, Jamie?«, fragte Vijay.

Dankbar dafür, dass sie ihn nicht mehr aufzogen, antwortete er: »Was ist mit dem Staub? Der würde doch an die Kleider kommen, oder?«

»Auf dem Mond gibt es auch Staub«, meinte Trudy.

»Aber keinen Wind.«

»Oh. Ja.«

Stacy sagte: »Wir könnten das Korbgleis auf Pfähle bauen, ein Stück über dem Boden.«

»Wäre machbar«, gab Jamie zu.

»Sonst bleichen unsere Sachen immer mehr aus und werden immer dünner.«

»Früher oder später fallen sie dann vollständig auseinander«, sagte Trudy.

Vijays boshaftes Grinsen kehrte zurück. »Da hätte Jamie nichts dagegen, nicht wahr, Jamie?«

Er versuchte, sie so lange zu fixieren, bis sie wegschaute, gab es dann jedoch auf und stieß sich stattdessen vom Tisch zurück. »Tomas müsste sich in etwa fünf Minuten melden.«

Als er aufstand und ins Kommunikationszentrum floh, war er sicher, sie hinter seinem Rücken kichern zu hören.

Rodriguez war glücklich. Das Flugzeug reagierte auf alles, was er tat, wie eine schöne Frau, sanft und gutartig.

Sie schnurrten in – er warf einen raschen Blick auf den Höhenmesser – achtundzwanzigtausendsechs Metern dahin. Mal sehen, überlegte er. Ein Meter entspricht ungefähr drei Komma zwei Fuß, das sind also neunundachtzigtausend, fast neunzigtausend Fuß. Nicht schlecht. Gar nicht schlecht.

Er wusste, dass der Weltrekord für ein Flugzeug mit Solarantrieb bei über hunderttausend Fuß lag. Aber das war ein ULF gewesen, ein unbemanntes Luftfahrzeug. Kein Pilot war mit einem solarbetriebenen Flugzeug jemals so hoch geflogen, das wusste er. Hinter der Sichtscheibe seines Helms lächelte er den großen Sechsblattpropeller an, der vor seinen Augen träge rotierte.