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» Da solltest du sein, Freundchen«, sagte er leise, während er zusah, wie der Mini-Zyklon zuckend über den fernen Horizont tanzte.

Als Dex das Fernglas absetzte, dachte er an die gewaltigen Staubstürme, die den Mars manchmal fast von Pol zu Pol bedeckten. Normalerweise im Frühling. Er schüttelte im Helm den Kopf. Eigentlich ist es dafür schon zu spät; wir haben die Landung zeitlich so gelegt, dass die Stürme vorbei sein würden. Außerdem hat es dieses Jahr gar keine gegeben.

Noch nicht, warnte ein winzige Stimme in seinem Kopf.

Auf dem Mars dauert der Frühling sechs Monate.

Beim Frühstück fühlte Jamie sich ziemlich unwohl. Für gewöhnlich nahmen die Teammitglieder ihre Morgenmahlzeit ein, wann sie wollten; es gab keinen festgelegten Zeitpunkt, zu dem sich alle morgens in der Messe versammelten. Doch wie der Zufall es wollte, saßen die drei Frauen schon am Tisch, als Jamie aus seiner Unterkunft kam, hatten die Köpfe zusammengesteckt und schwatzten munter.

Als sie Jamie kommen sahen, verstummte das Geplauder.

Er sagte ihnen guten Morgen, und sie erwiderten den Gruß im Chor. Dann wachsames Schweigen, als er sich eine Frühstückspackung aus der Gefriertruhe auswählte. Er spürte ihre Blicke im Rücken.

»In ein paar Tagen müssten wir die Erdbeeren pflücken können«, sagte er zu niemand Bestimmtem.

»Ja, und die Tomaten auch«, antwortete Trudy Hall.

Jamie nahm am Kopfende des Tisches Platz. Trudy und Stacy saßen zu seiner Linken, Vijay am anderen Ende, ihm gegenüber. Sie lächelte ihn an, und er lächelte befangen zurück.

»Gut geschlafen?«, fragte Trudy, ihre Miene das Inbild unschuldiger Neugier.

Jamie nickte und wandte seine Aufmerksamkeit der Schüssel Instant-Müsli zu, die vor ihm stand.

Die Unterhaltung war anstrengend. Ganz gleich, was Hall oder Deschurowa sagten, alles klang für Jamie wie eine versteckte Anspielung auf Sex. Vijay wirkte jedoch völlig entspannt. Ihr macht dieses Geschäker Spaß, dachte Jamie.

Er schaufelte sein Essen so schnell in sich hinein, wie er konnte, und ging dann zum Kommunikationszentrum.

»Ich muss mich mit den anderen in Verbindung setzen«, erklärte er den Frauen.

»Ich habe schon mit beiden Teams gesprochen«, rief Stacy seinem entschwindenden Rücken nach. »Possum hat eine streikende Brennstoffzelle, aber ansonsten ist alles okay.«

Jamie blieb stehen und drehte sich zu ihr um. »Und Tomas?«

»Sie sind unterwegs zur großen Caldera, genau nach Plan.«

»Gut«, sagte Jamie. Dann machte er sich wieder auf den Weg zum Kommunikationszentrum.

Ein paar Minuten, nachdem er mit Fuchida gesprochen hatte, schlüpfte Vijay in die Kabine und setzte sich neben ihn.

»Es ist kein Verbrechen, weißt du«, sagte sie. Ihre Lippen verzogen sich zu einem leisen Lächeln.

»Ich weiß.«

»Wir sind schließlich erwachsene Menschen.«

»Ich weiß«, wiederholte er.

»Hast du gedacht, die anderen wären eifersüchtig?«

»Ach, komm schon, Vijay …«

Sie lachte fröhlich. »Schon besser. Mann, warst du vorhin verkrampft!«

»Wissen sie Bescheid?«

»Ich hab nichts gesagt, aber so wie du dich benommen hast, müssen sie's erraten haben.«

»Verdammt.«

»Kein Grund, sich zu schämen.«

»Ich weiß, aber …«

»Es ist nun mal passiert, Jamie. Jetzt vergiss es. Mach einfach so weiter wie bisher. Du brauchst dich zu nichts verpflichtet zu fühlen. Daran liegt mir nichts.«

Er war erleichtert und enttäuscht zugleich. »Vijay, ich …

sieh mal, das kompliziert irgendwie alles.«

Sie schüttelte den Kopf. »Keine Sorge, Kamerad. Keine Komplikationen. Es ist passiert, und es war sehr nett.

Vielleicht wird's wieder passieren, wenn der Mond richtig steht. Vielleicht auch nicht. Denk nicht weiter drüber nach.«

»Wie, zum Teufel, soll ich das anstellen, nicht weiter dar

über nachzudenken?«

Ihr Lächeln kehrte zurück. »Das wollte ich von dir hören, Jamie. Das ist alles, was ich hören wollte.«

NACHMITTAG: SOL 49

Rodriguez fühlte, wie ihn ein eisiger, beklemmender Schauer überlief, als er in die Caldera starrte. Es war, als stünde man am Rand eines riesigen Lochs in der Welt, eines Lochs, das bis in die Hölle hinunterführte.

»Nietzsche hatte Recht«, sagte Fuchida. In Rodriguez'

Helmlautsprechern klang seine Stimme ehrfürchtig, fast ängstlich.

Rodriguez musste den gesamten Oberkörper drehen, um den japanischen Biologen anzusehen, der neben ihm stand.

In seinem klobigen Raumanzug war er nur an den blauen Streifen an den Armen zu erkennen.

»Du meinst das mit dem Abgrund, in den man schaut, und der dann irgendwann in einen zurückschaut.«

»Hast du Nietzsche gelesen?«

Rodriguez grunzte. »Auf Spanisch.«

»Das muss interessant gewesen sein. Ich habe ihn auf Japanisch gelesen.«

Mit einem leisen Glucksen sagte Rodriguez: »Deutsch kann also offenbar keiner von uns beiden, hm?«

Es war eine so gute Art wie jede andere, die Spannung zu lösen. Die Caldera war riesig, eine Mammutgrube, die sich von Horizont zu Horizont erstreckte. An ihrem Rand zu stehen und in die dunklen, schattigen Tiefen zu schauen, die wer weiß wie weit hinabreichten, war ausgesprochen verstörend.

»Das ist 'n höllisches Loch«, murmelte Rodriguez.

»Es könnte den kompletten Mount Everest schlucken«, sagte Fuchida. Seine Stimme klang ein wenig dumpf vor Ehrfurcht.

»Wie lange ist dieses Biest schon tot?«

»Mindestens zehn oder zwanzig Millionen Jahre.

Vielleicht auch viel länger. Das ist eins der Dinge, die wir hier herausfinden wollen.«

»Was meinst du, ist demnächst 'n neuer Ausbruch fällig?«

Fuchida lachte zittrig. »Wir würden ausreichend vorgewarnt werden, keine Angst.«

»Was, ich und Angst?«

Sie begannen, die Ausrüstung abzuladen, die sie auf dem Schlitten mitgeschleppt hatten. Die beiden Kufen waren mit kleinen, teflonbeschichteten Rädern bestückt, sodass die Muskelkraft der beiden Männer ausreichte, um ihn auch über unebenen Boden zu ziehen. Ein großer Teil der Ausrüstung war Bergsteigermateriaclass="underline" Klemmkeile, Haken und lange Rollen Buckyball-Seil.

»Willst du wirklich da runter?«, fragte Rodriguez, während er Löcher in den harten Basalt bohrte, damit Fuchida Geo/Met-Baken aufstellen konnte.

»Ich habe viel Zeit mit der Erforschung von Höhlen verbracht«, antwortete Fuchida, der eine der Baken in seiner beschuhten Hand hielt. »Ich habe mich lange darauf vorbereitet.«

»Dann bist du also fest entschlossen, da runter zu gehen, hm?«

Fuchida merkte, dass er eigentlich nicht gehen wollte. Jedes Mal, wenn er auf der Erde eine Höhle betrat, hatte er eine irrationale Furcht verspürt, aber er hatte sich gezwungen, die Kavernen zu erforschen, weil er wusste, dass es ein wichtiger Punkt war, der im Wettbewerb um einen Platz bei der Marsexpedition zu seinen Gunsten sprechen würde.

»Ja, ich bin fest entschlossen«, antwortete der Biologe und rammte ächzend die erste Bake in ihr Loch.

»Ist ein schmutziger Job«, scherzte Rodriguez über das Elektromotorgeheul des Bohrers hinweg, »aber irgendjemand muss es ja machen.«

»Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss«, gab Fuchida mit derselben gespielten Tapferkeit wie sein Teamkamerad zurück.

Rodriguez lachte. »Das ist nicht von Nietzsche.«

»Nein. Von John Wayne.«

Sie stellten die restlichen Baken auf und gingen zum Rand der Caldera zurück. Langsam. Widerwillig, dachte Rodriguez. Na ja, sagte er sich, selbst wenn wir uns beim Rumstöbern da unten das Kreuz brechen, haben wir zumindest die Baken fertig.