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»Gut«, sagte Jamie.

»In einer Stunde gehen wir schlafen«, sagte Trumball. »Ich melde mich dann noch mal.«

»Gut«, wiederholte Jamie.

Er beendete die Verbindung und lehnte sich zurück. Er fühlte sich, als hätte er zehn Runden mit einem Profiboxer im Ring gestanden.

Eine Viertelstunde später war Jamie im Geologielabor und führte eine Analyse der Kernproben durch, die Craigs Bohrer heraufbefördert hatte. Er war froh darüber, mit Steinen und Erde zu tun zu haben statt mit Menschen. Sedimentäre Ablagerungen, kein Zweifel. Diese Kuppel steht auf dem Grund eines uralten Meeres. Wenn wir vor ein paar hundert Millionen Jahren hier gewesen wären, dachte er, hätten wir eine Taucherausrüstung gebraucht.

»Jamie«, ertönte Stacy Deschurowas scharfe Stimme aus den Lautsprechern, »wir haben einen Notruf von Rodriguez.«

Als Deschurowas Stimme durch die Kuppel hallte, vergaß er seine Grübeleien sofort. Er ließ die Kernprobe im eingeschalteten Elektronenmikroskop und sprintete durch die Kuppel zum Kommunikationszentrum.

Deschurowa gab Jamie wortlos und mit grimmiger Miene ein Headset.

Rodriguez' Stimme war ruhig, aber man hörte seine nervliche Anspannung. »… jetzt schon über zwei Stunden da unten, und der Funkkontakt ist abgebrochen«, sagte der Astronaut gerade.

Jamie setzte sich wieder auf den Bürostuhl neben Deschurowa, während er das Stiftmikro zurechtbog. »Hier ist Jamie. Was ist los, Tomas?«

»Mitsuo ist wie geplant in die Caldera runtergestiegen.

Ungefähr fünfzig, sechzig Meter weiter unten hat er einen Lavaschlot entdeckt und ist reingegangen. Dann ist der Funkkontakt mit ihm abgebrochen.«

»Wie lange …«

»Jetzt schon über eine halbe Stunde. Ich hab am Seil gezogen, aber er reagiert nicht.«

»Was hältst du davon?«

»Entweder er ist bewusstlos, oder sein Funkgerät streikt.

Ich meine, ich hab richtig an dem Seil gezerrt. Nichts.«

Die dritte Möglichkeit, dass Fuchida tot war, erwähnte der Astronaut nicht, aber der Gedanke loderte in Jamies Geist.

»Du sagst, der Funkkontakt mit ihm ist abgebrochen, als er im Lavaschlot war?«

»Ja, genau. Schon vor über 'ner halben Stunde.«

Tausend Möglichkeiten schossen Jamie durch den Kopf.

Das Seil ist garantiert nicht gerissen, dachte er. Diese Buckyballs sind unglaublich belastbar.

»Es wird bald dunkel«, sagte Rodriguez.

»Du wirst ihm folgen müssen«, erklärte Jamie.

»Ich weiß.«

»Geh nur so weit, dass du feststellen kannst, was ihm zugestoßen ist. Finde raus, was passiert ist, und melde dich dann wieder hier.«

»Ja. Ist gut.«

»Es gefällt mir nicht, aber es geht nicht anders.«

»Mir gefällt's auch nicht«, sagte Rodriguez.

Durch einen Nebel aus Schmerz erkannte Mitsuo Fuchida die Ironie der Situation. Er hatte eine grandiose Entdeckung gemacht, aber er würde wahrscheinlich nicht lange genug leben, um jemandem davon zu erzählen.

Schon beim Betreten des Lavaschlots hatte er eine ungewohnte Furcht verspürt, wie eine Figur in einem alten Horrorfilm, die mit nichts als einer flackernden Kerze in der Hand langsam und ängstlich den engen Korridor eines Spukhauses entlanggeht. Nur dass dieser Korridor hier ein Schacht war, den ein uralter Strom rot glühender Lava ins massive Gestein geschmolzen hatte, und dass Fuchidas Licht von der Lampe im Helm seines Raumanzugs stammte.

Unsinn!, fauchte er stumm. In deinem Raumanzug bist du sicher, und das Seil verbindet dich mit Rodriguez oben an der Oberfläche. Aber er rief den Astronauten und schwatzte dummes Zeug mit ihm, nur um sich zu vergewissern, dass er in diesem engen, dunklen Gang hier unten nicht völlig vom Rest des Universums abgeschnitten war.

Die VR-Kameras an seinem Helm zeichneten alles auf, was er sah, aber Fuchida dachte, dass sich nur Geologen für diesen engen, klaustrophobischen Tunnel interessieren würden.

Der Schlot führte schräg nach unten, und die Wände waren ziemlich glatt, an manchen Stellen sogar beinahe glasig. Das schwarze Gestein glänzte im Lichtschein der Lampe. Ab und zu wurde der Tunnel noch enger, dann verbreiterte er sich wieder, obwohl er nirgends so breit war, dass Fuchida die Arme ganz zu den Seiten ausstrecken konnte.

Schweiß trat ihm auf Lippen und Stirn und tröpfelte ihm kalt über die Rippen. Hör auf mit dem Unsinn, ermahnte er sich. Du warst schon in engeren Höhlen als dieser.

Er dachte an Elizabeth, die in Japan auf ihn wartete und die subtilen Brüskierungen des tief sitzenden Rassismus hinnahm, weil sie ihn liebte und bei ihm sein wollte, wenn er zurückkam. Ich werde zu dir zurückkommen, schwor er, auch wenn dieser Tunnel in die Hölle selbst hinabführt.

Das Seil schien sich hin und wieder zu verhaken. Er musste stehen bleiben und daran ziehen, um es wieder zu befreien. Vielleicht experimentierte Rodriguez auch mit der Seilspannung herum, dachte er. Immer tiefer ging er in den Tunnel hinein, setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, fuhr hin und wieder mit den beschuhten Händen über die sonderbar glatten Wände.

Fuchida verlor jedes Zeitgefühl, während er hier und dort etwas von den Tunnelwänden abschlug und die Probenbeutel füllte, die am Gurt seines Geschirrs baumelten. Das vor der Brust befestigte Seil erschwerte ihm das Gehen; er musste es über die Schulter oder um die Taille herumführen und kam nur mit Mühe voran.

Dann fiel ihm im Lichtkreis seiner Helmlampe zur Linken eine Einbuchtung auf, eine Mini-Nische, die heller wirkte als die übrigen glänzend schwarzen Tunnelwände. Fuchida schob sich näher heran und beugte sich ein kleines Stück in die Nische, um sie zu untersuchen.

Das Produkt einer Lavablase, dachte er. Die Nische war kaum groß genug für einen Mann – einen Mann, der nicht mit einem hartschaligen Raumanzug und einem klobigen Tornistergerät befrachtet war, hieß das. Fuchida stand am Eingang der kleinen Nische und spähte staunend hinein.

Und dann fiel ihm ein roter Streifen auf, der die Farbe von Eisenrost hatte. Rost? Wieso hier und nicht woanders?

Er schob sich näher heran, zwängte sich in die enge Öffnung, um den Rostfleck zu inspizieren. Ja, eindeutig die Farbe von Eisenrost. Er holte einen Schaber aus dem Werkzeug-Set an seiner Taille und hatte Schwierigkeiten, ihn mit den ungeschickten, von Handschuhen behinderten Fingern festzuhalten. Wenn ich ihn fallen lasse, kann ich mich nicht bücken, um ihn aufzuheben – nicht in dieser engen Spalte, dachte er. Der rote Fleck zerbröselte unter der Berührung des Schabers. Merkwürdig, dachte Fuchida. Das sieht dem Basalt gar nicht ähnlich. Könnte er … nass sein? Nein! Bei diesem niedrigen Luftdruck gibt es kein flüssiges Wasser.

Aber wie hoch ist der Druck im Innern des Gesteins?

Vielleicht …

Das rote Zeug ließ sich problemlos in den Probenbeutel bröseln, den er mit zitternden Fingern darunterhielt. Es muss Eisenoxid sein, das irgendwie von Wasser zerfressen wird. Wasser und Eisen. Siderophile Organismen! Bakterien, die Eisen und Wasser umwandeln! Fuchida war sich dessen so sicher wie seiner eigenen Existenz. Sein Herz raste. Eine Kolonie eisenfressender Bakterien, die in der Caldera von Olympus Mons lebten! Wer wusste, was tiefer im Innern noch alles zu finden sein mochte?

Erst als er den Probenbeutel verschloss und in der an seinem Gurt hängenden Plastikbox verstaute, hörte er das seltsame Grollen. Wegen seines dicken Helms klang es gedämpft und weit entfernt, aber trotzdem, jedes Geräusch so tief im Innern des Tunnels war alarmierend.

Fuchida trat von der bröckeligen, rostroten Spalte zurück.

Das Grollen schien lauter zu werden, wie das Knurren einer sich anschleichenden Bestie. Es war natürlich Unsinn, aber er glaubte, dass die Tunnelwände leicht erbebten und erzitterten. Du bist derjenige, der zittert, du Narr, ermahnte er sich.