Выбрать главу

Ganz weit hinten in seinem Kopf sagte eine Stimme: Angst ist gesund. Man muss sich nicht dafür schämen, wenn man …

Das rostige Gestein verschwand in einem Schwall aus explodierendem Dampf, der Fuchida von den Füßen hob und ihn schmerzhaft an die gegenüberliegende Wand des Lavaschlots schleuderte.

ABEND: SOL 49

Fuchida wäre beinahe ohnmächtig geworden, als sein Kopf gegen die Rückseite des Helms knallte. Er sackte auf den Boden des Tunnels. Seine Sichtscheibe war völlig beschlagen, grelle Supernovae blitzten ihm in die Augen, sein Schädel dröhnte vor Schmerz.

Zähneknirschend und unter Aufbietung eiserner Willenskraft hinderte er sich daran, in die Bewusstlosigkeit zu entgleiten. Trotz des dumpfen Pochens in seinem Schädel zwang er sich, wach und wachsam zu bleiben.

Nicht das Bewusstsein verlieren, befahl er sich. Nicht den feigen Weg nehmen. Du musst wach bleiben, wenn du am Leben bleiben willst. Er merkte, wie sich Schweißtropfen auf seiner Stirn bildeten und ihm in die Augen rannen, sodass er zwinkern und blinzeln musste.

Dann spülte eine Woge des Zorns über ihn hinweg. So etwas Dummes, schalt er sich. Ein Hydrothermalschlot.

Wasser. Flüssiges Wasser, hier auf dem Mars. Du hättest es wissen müssen. Du hättest darauf kommen müssen. Der Wärmestrom, das rostige Eisen. Es muss hier siderophile Organismen geben, Bakterien, die Eisen und Wasser umwandeln. Sie haben die Wand geschwächt, und du hast so viel davon abgekratzt, dass der Druck sie gesprengt hat. Du hast einem Geysir ein Ventil geschaffen.

Ja, stimmte er sich zu. Jetzt, wo du diese Entdeckung gemacht hast, musst du weiterleben, um dem Rest der Welt davon zu berichten.

Seine Sichtscheibe war noch immer völlig beschlagen. Fuchida tastete nach dem Bedienungsknopf an seinem Handgelenk, um das Gebläse des Anzugs hochzudrehen und die Sichtscheibe frei zu machen. Er glaubte, die richtige Taste gefunden zu haben und drückte darauf. Nichts änderte sich. Tatsächlich, jetzt, wo er auf das leise Summen des Gebläses horchte, konnte er es überhaupt nicht mehr hören.

Außer den Geräuschen seines eigenen mühsamen Atmens war alles still.

Warte. Sei ruhig. Denk nach.

Ruf Rodriguez. Sag ihm, was passiert ist.

»Tomas, ich hatte einen kleinen Unfall.«

Keine Antwort.

»Rodriguez! Hörst du mich?«

Stille.

Langsam und vorsichtig bewegte er beide Arme, dann die Beine. Er hatte Schmerzen am ganzen Körper, schien sich aber nichts gebrochen zu haben. Trotzdem blieb das Gebläse stumm, und Schweiß tropfte ihm in die Augen. Zwinkernd und blinzelnd sah er, dass die Sichtscheibe von selbst wieder klar zu werden begann. Offenbar ist das kein sehr starker Hydrothermalschlot gewesen, dachte er dankbar.

Das Grollen war verstummt; der Tunnel schien nicht mehr zu beben.

Fast widerstrebend hob er den Arm bis in Augenhöhe und hielt die Handgelenkstastatur nah an die Sichtscheibe.

Das Display war leer. Die Elektrik funktionierte nicht!

Verzweifelt tippte er auf der Tastatur herum: nichts. Heizung, Wärmetauscher, Gebläse, Funk – alles aus.

Ich bin ein toter Mann.

Kalte Panik traf ihn wie ein Schlag aufs Herz. Deshalb hörst du die Luftzirkulationsventilatoren nicht mehr! Die Anzugbatterie muss beim Aufprall an die Wand beschädigt worden sein.

Das Herz schlug Fuchida dröhnend laut in den Ohren. Beruhige dich, befahl er sich. So schlimm ist es nicht. Die Luft im Anzug reicht noch für mindestens eine Stunde. Und der Anzug ist sehr gut isoliert; erfrieren wirst du nicht – zumindest nicht in den nächsten Stunden. Du kommst auch ohne kühlendes Gebläse aus. Für eine Weile.

Erst als er aufzustehen versuchte, bekam er es wirklich mit der Angst. Schmerz loderte in seinem rechten Knöchel auf. Er ist gebrochen oder böse verstaucht, dachte Fuchida.

Ich kann nicht darauf stehen. Ich komme hier nicht heraus!

Dann wurde ihm die Ironie der Situation klar. Ich könnte der erste Mensch sein, der auf dem Mars an einem Hitzschlag stirbt.

Das Problem ist, dachte Rodriguez, dass wir nur ein Klettergeschirr mitgebracht haben, und das trägt Mitsuo.

Bis ich zum Flugzeug zurückgegangen bin, das andere Geschirr geholt habe, wieder hier bin und es angelegt habe, könnte er tot sein. Ich muss da runter, und zwar ohne Seil, ohne auch nur eins der Kletterwerkzeuge, die er bei sich hat.

Scheiße! Rodriguez schüttelte den Kopf. Ich kann ihn nicht da unten lassen. Es wird schon dunkel, und die Nacht überlebt er nicht.

Andererseits stehen die Chancen verdammt gut, dass wir beide da unten sterben.

Scheiße hoch zwei.

Eine Zeit lang starrte er sinnlos in die dunklen Tiefen der Caldera hinunter, die jetzt, wo die Sonne näher an den fernen Horizont herankroch, vollständig im Schatten lag.

Zeig keine Furcht, wiederholte Rodriguez bei sich. Nicht einmal dir selbst gegenüber. Er nickte in seinem Helm.

Ja, leicht gesagt. Jetzt musst du nur noch die Schlangen in deinem Bauch davon überzeugen, dass du dich wirklich nicht fürchtest. Trotzdem machte er sich auf den Weg nach unten. Langsam und bedächtig stieg er in die Tiefe und hielt sich dabei Hand über Hand am Seil fest.

Kaum hatte er den Rand der Caldera ein paar Schritte hinter sich gelassen, wurde es auch schon vollständig dunkel.

Das einzige Licht stammte von seiner Helmlampe, und das dunkle Gestein überall um ihn herum schien es gierig zu schlucken. Er setzte seine Stiefel vorsichtig und bedächtig auf, weil er wusste, dass das Kohlendioxid aus der Luft bereits an dem bitterkalten Stein auszufrieren begann.

Rodriguez schaute zum dunkler werdenden Himmel hinauf wie ein Gefangener, der noch einen letzten, verzweifelten Blick auf die Freiheit erhascht, bevor er sein Verlies betritt.

Immerhin kann ich dem Seil folgen, dachte er. Seine Bewegungen waren schwerfällig und besonnen, weil er Angst hatte, auf vereisten Stellen auszurutschen. Wenn ich außer Gefecht gesetzt werde, sind wir beide im Arsch, sagte er sich. Immer mit der Ruhe. Nur nichts überstürzen. Mach keine Fehler.

Langsam, ganz langsam stieg er hinunter. Als er am Seil entlang zur Mündung des Lavaschlots gelangte, konnte er das kleine Stückchen Himmel oben nicht mehr sehen; es war absolut schwarz. Falls ihn dort oben Sterne anfunkelten, so drang ihr Licht nicht durch die getönte Sichtscheibe seines Helms.

Er spähte in den Tunnel. Es war, als würde man in einen pechschwarzen Schacht starren.

»Hey, Mitsuo!«, rief er. »Kannst du mich hören?«

Keine Reaktion. Er ist entweder tot oder bewusstlos, dachte Rodriguez. Er liegt irgendwo tief drin in diesem Tunnel, und ich muss ihn finden. Oder das, was von ihm übrig ist.

Er holte tief Luft. Keine Furcht, rief er sich ins Gedächtnis.

Er stapfte in den dunklen Tunnel hinein, ohne das Flattern in seinen Eingeweiden oder die Stimme in seinem Kopf zu beachten, die ihm erklärte, er sei weit genug gegangen, der Bursche sei tot, es habe keinen Sinn, wenn er hier unten auch noch umkomme, also nichts wie raus hier, und zwar sofort.

Ich kann ihn nicht hier lassen, rief Rodriguez der Stimme wortlos zu. Ob er nun tot oder lebendig ist, ich kann ihn nicht hier unten lassen.

Ist deine Beerdigung, entgegnete die Stimme.

Ja, klar. Und wenn ich wohlbehalten zur Basis zurückkomme, aber ohne ihn? Was werden sie von mir denken?

Wie soll ich …

Er sah die zusammengesunkene Gestalt des Biologen, ein unförmiger Haufen aus einem Raumanzug und einem Wirrwarr von Ausrüstungsgegenständen an einer Wand des Tunnels.

»Hey, Mitsuo!«, rief er.

Die Gestalt rührte sich nicht.

Rodriguez eilte zu dem Biologen und versuchte, durch die Sichtscheibe seines Helms zu schauen.

»Mitsuo«, rief er. »Alles in Ordnung?« Es klang idiotisch, kaum dass er die Worte ausgesprochen hatte.

Aber Fuchida hob plötzlich die Hand und packte ihn an den Schultern.