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»Zu provozierend«, sagte er. »Ich würde das Unterteil nicht mehr abkriegen.«

Sie machte einen Moment lang große Augen, dann brach sie in Gelächter aus. Jamie grinste zurück und begann dann selbst zu lachen.

»Es ist zweifelsfrei eine andere Spezies!« Trudy Hall sprudelte geradezu über vor Freude. Selbst Fuchida gestattete sich ein breites Zahnpastalächeln auf seinem normalerweise ausdruckslosen Gesicht.

»Ares olympicus«, sagte er. »Wir haben beschlossen, sie so zu nennen.«

Die sechs Forscher saßen mit ihren Essensschalen um den Tisch in der Messe. Gleich nachdem Fuchida und Hall aus dem Biologielabor gekommen waren, hatten sie verkündet, dass Mitsuos Gesteinsproben vom Olympus Mons Bakterienkolonien enthielten, die gewisse Ähnlichkeiten mit den von Craigs Tiefenbohrer in der Nähe der Kuppel heraufbeförderten Bakterien aufwiesen, sich aber auch signifikant von ihnen unterschieden.

»Warum nennt ihr sie nicht nach dem Entdecker?«, fragte Stacy Deschurowa. »So macht man das doch normalerweise, oder?«

Fuchida verneigte sich leicht. Hall erklärte: »Brumado und Malater haben mit Ares marineris, der Flechte, die sie auf dem Boden des Canyons entdeckt haben, den Präzedenzfall geschaffen.«

»Ja, aber der Canyon ist nach der Mariner-Sonde benannt, die ihn entdeckt hat«, warf Rodriguez ein.

»Tommy ist enttäuscht, weil wir die Flechte nicht nach ihm benannt haben«, spöttelte Hall.

Rodriguez' ohnehin schon dunkle Gesichtsfarbe wurde noch etwas dunkler.

»Aber im Ernst«, fuhr die englische Biologin fort, »ich finde, es ist eine gute Idee, die neu entdeckten Arten nach den Orten zu benennen, wo man sie gefunden hat, statt nach den Entdeckern.«

»Vor allem, weil du die Entdeckung nicht gemacht hast«, stichelte Vijay.

Trudy zischte sie aus.

Nach dem Abendessen ging Jamie in seine Unterkunft und fuhr wie üblich den Computer hoch, um sich die eingegangene Post anzusehen. Größtenteils das übliche Zeug –

darunter eine weitere Anfrage des Vorsitzenden des Geologieausschusses nach der stratigraphischen Analyse, die Dex hatte anfertigen sollen –, aber auch eine persönliche Botschaft von Pete Connors.

Jamie fragte sich, was der ehemalige Astronaut wollte. Er erledigte zunächst die Routinesachen und holte dann Connors' dunkles, melancholisches Gesicht auf den Bildschirm seines Laptops.

»Hab ein paar beunruhigende Nachrichten für dich, alter Freund«, sagte Connors ohne Einleitung. »Dr. Li zufolge ist der alte Trumball auf dem Kriegspfad und versucht, dich als Missionsleiter abzuschießen. Li fürchtet, die Finanzierung der nächsten Expedition könnte gefährdet sein, wenn das IUK sich seinen Wünschen nicht fügt. Ich weiß, du kannst da nicht viel tun, aber Li fand, dass du es wissen solltest, und ich bin ganz seiner Meinung. Tut mir Leid, dass ich dich mit diesem Mist belasten muss, Jamie, aber ich glaube, es ist besser, wenn du darüber Bescheid weißt, als wenn es dich unvorbereitet trifft.«

Jamie lehnte sich in seinen Schreibtischstuhl zurück und starrte geraume Zeit nur Connors' auf dem Bildschirm des Laptops eingefrorenes Gesicht an. Pete sieht nicht besorgt aus, dachte er. Sondern vor allem wütend.

Und was empfinde ich?, fragte sich Jamie. Gar nichts, lautete die Antwort. Keine Wut, keine Besorgnis, nicht einmal Ärger. Nichts. Überhaupt keine emotionale Reaktion.

Es war alles so weit weg, hundert Millionen Kilometer weit weg von allem, was er berühren, schmecken oder riechen konnte. Über hundert Millionen Kilometer.

Der alte Trumball ist also unzufrieden mit mir. Höchstwahrscheinlich, weil ich Dex erlaubt habe, auf diese Exkursion zu gehen. Wenn sie in einen Staubsturm geraten, wird er völlig ausrasten.

Na und, dachte Jamie. Dann nimmt er mir halt den Titel weg. Was macht das schon aus? Er denkt wie ein weißer Mann, er glaubt, dass es mir auf den Titel ankommt. Er hat nicht den blassesten Schimmer, wie die Dinge hier laufen.

Der Titel ist unwichtig; er bedeutet nahezu gar nichts. Wir arbeiten hier wie eine Familie, wie eine Gruppe von Brüdern und Schwestern in der Wildnis, die aufeinander angewiesen sind. Hier geht's nicht um eine Stellenbeschreibung, die irgendein Bürohengst auf der Erde abgefasst hat.

Er schaltete den Computer aus, stemmte sich hoch und ging zur Messe. Eine gute Tasse Kaffee und dann mal wieder ordentlich schlafen.

Vielleicht sollte ich mich noch mal mit Dex und Possum in Verbindung setzen, bevor ich schlafen gehe. Er entschied sich dagegen. Ihr Abendbericht hatte keinen Anlass zur Sorge gegeben. Die Brennstoffzellen waren immer noch nicht in Ordnung, aber das war nichts Neues. Der Rover schnurrte problemlos dahin; sie kamen sogar recht gut voran.

Solange der Sturm unterhalb des Äquators bleibt, wird ihnen nichts passieren.

Vijay und Trudy saßen am Esstisch und hatten die Köpfe zusammengesteckt, als würden sie irgendwelche Geheimnisse austauschen – oder Klatsch und Tratsch. Sie verstummten abrupt, als sie Jamie kommen sahen.

Die Kaffeemaschine war so gut wie leer. Jamie bekam eine halbe Tasse lauwarmen, entkoffeinierten Kaffee heraus, dann begann das rote Warnlämpchen zu blinken.

»Die Regel lautet«, erinnerte ihn Vijay von ihrem Platz am Tisch aus, »dass derjenige, der die letzte Tasse trinkt, die Maschine sauber machen muss.«

»Ich weiß«, sagte Jamie trübselig. »Ich war schon oft genug derjenige, welcher.«

Trudy entschuldigte sich und machte sich auf den Weg zu ihrer Kabine. Vijay stand auf und kam zu Jamie, als dieser die Kaffeemaschine aus rostfreiem Stahl im Waschbecken ausspülte und dann den Geschirrspüler öffnete. Er war immer noch mit dem Geschirr vom Abendessen gefüllt.

»Ich räume ihn aus«, erbot sich Vijay freiwillig. »Trink du deinen Kaffee, bevor er kalt wird.«

»Der ist sowieso nicht sonderlich warm«, brummelte Jamie.

Während sie Plastikteller aus dem Geschirrspüler holte, fragte Vijay beiläufig: »Na, wie läuft's denn so, Kamerad?«

»Oh, prima. Der alte Trumball will mich feuern, aber ansonsten ist alles bestens.«

»Wie bitte?«

Er erzählte ihr von den Neuigkeiten von der Erde. Vijays normalerweise fröhliche Miene verdunkelte sich, als er ihr erklärte, was der ältere Trumball tat.

»Das kann er nicht«, sagte sie, als er fertig war.

»Vielleicht doch.«

»Wir lassen es nicht zu. Wir akzeptieren es nicht.«

Jamie bückte sich, um die Gabeln und Löffel aus dem Korb zu räumen. Als er sich wieder aufrichtete, sagte er:

»Im Grunde ist es egal.«

»Egal? Willst du nicht …?«

Er legte ihr eine Fingerspitze auf die Lippen und brachte sie damit zum Schweigen. »Es ist mir egal, was für einen Titel ich habe, Vijay. Wir sind hier, und wir tun das, wozu wir hergekommen sind. Der alte Trumball kann die Organisationsstruktur umbauen, so viel er will, das hat hier nichts zu bedeuten.«

»Aber er wird Dex die Leitung übertragen wollen!«

»Na und?«

»Ist dir das auch egal?«

»Ziemlich. Wenn jemand anders die Aufgaben des Leiters übernimmt, kann ich nämlich zum Canyon fahren und mich ausführlich in dem Dorf umsehen.«

»Sofern der neue Leiter es erlaubt«, sagte sie.

»Wie will er mich daran hindern?«

Ihre Augen wurden groß. Sie starrte Jamie einen langen Moment an, dann zeichnete sich auf ihrem Gesicht ein Lächeln ab. Jamie stand schweigend vor ihr und badete in dessen Wärme.

»Das klingt schon besser«, meinte Vijay schließlich. »Ich dachte schon, du würdest dich einfach von denen unterbuttern lassen.«

»Wohl kaum«, sagte er. »Ich bin ein Alpha-Männchen, weißt du noch? Wir Alpha-Männchen lassen uns von niemandem unterbuttern.«

Er streckte ihr die Hand hin, sie ergriff sie, und sie gingen zusammen zu Jamies Kabine.