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Später, als sie eng aneinander gekuschelt auf der schmalen Liege lagen, flüsterte sie ihm zu: »Du hast das Richtige getan, Jamie.«

»So?«

»Dex hätte den Befehl zur Umkehr nicht befolgt. Er hätte sich dir offen widersetzt.«

Jamie seufzte im Dunkeln. »Ja, das glaube ich auch.«

»Es war klug, einen offenen Konflikt zu vermeiden.«

»Vielleicht.«

»Meinst du nicht?«

»Es ist nicht wichtig«, sagte er.

»Aber ja doch!« Sie stützte sich auf einen Ellbogen und schaute auf ihn herunter. »Deine Autorität sollte nicht in Frage gestellt werden.«

»Das macht mir keine Sorgen, Vijay.«

»Nein? Was dann?«

Er schaute in ihr hübsches Gesicht hinauf, dessen Umrisse sich im schwachen Schein der Digitaluhr abzeichneten. So schön, so ernst, so besorgt um ihn.

»Mich beunruhigt, dass ich es möchte, dass Dex wegbleibt.

Weg von dir. Weg von uns.«

MORGEN: SOL 58

»Der Wind nimmt zu«, sagte Wiley Craig.

Dex lenkte den Rover konzentriert und zielstrebig durch ein Geröllfeld voller Felsbrocken, die groß genug waren, um Panzer zu stoppen. Während er zwischen minivangroßen Blöcken hindurchmanövrierte, flehte der Geologe in ihm darum, hinausgehen und nachsehen zu dürfen, woraus sie bestanden. Keine Zeit, sagte sich Dex mit einem Blick zum dunkler werdenden Himmel. Die wissenschaftliche Arbeit erledigen wir auf dem Rückweg.

Craig sah sich die Messdaten auf dem Bildschirm an. Der Wind wehte jetzt mit fünfundachtzig Knoten: Hurrikanstärke auf der Erde, in der dünnen Marsatmosphäre jedoch nur ein laues Lüftchen. Aber die Windgeschwindigkeit nahm zu, und am Horizont vor ihnen hing eine unheildrohende dunkle Wolke tief über dem Land.

»Was machen die Brennstoffzellen?«, fragte Dex, ohne den Blick vom Gelände vor ihnen zu nehmen.

Craig tippte auf ein paar Tasten an der Kontrolltafel.

»Sind runter auf dreiundsechzig Prozent.«

»Wir könnten auch gleich auf sie umschalten, sobald die Solarzellen ausfallen«, sagte Trumball mit zusammengebissenen Zähnen. »Schont die Batterien.«

»Verwenden oder verschwenden«, stimmte Craig zu.

»Damit holen wir noch 'n bisschen was aus ihnen raus, bevor sie ganz hinüber sind.«

Es kostete Dex eine bewusste Anstrengung, die Kiefer voneinander zu lösen. Er hatte die Zähne so fest zusammengebissen, dass er Kopfschmerzen bekam. Wenn es nicht so Furcht einflößend wäre, wäre es komisch, sagte er sich. Ich lenke diese Kiste wie ein Kind bei einem Videospiel und versuche, aus diesem beschissenen Geröllfeld rauszukommen, bevor der Sturm uns erwischt.

»Irgendwelche neuen Daten über den Sturm?«, fragte er.

Craig tippte auf weitere Tasten, schaute einen Augenblick lang auf den Bildschirm und ließ dann einen gewaltigen Seufzer hören. »Er wird größer.«

»Toll.«

Wir hätten zum Generator zurückfahren sollen, gestand sich Dex ein. Jamie hätte es uns befehlen sollen. Wiley hätte darauf bestehen müssen. Das ist kein Spiel; dieser Sturm könnte uns umbringen, Herrgott noch mal.

»Soll ich fahren?«, fragte Craig sanft.

Dex warf ihm einen Blick zu. »Wiley, wenn ich nicht am Steuer säße, würde ich mir die Fingernägel bis zum Ellbogen abkauen.«

Craig lachte. »Ach, zur Hölle, ganz so schlimm isses nun auch wieder nich, Dex. Ich will dir mal erzählen, wie das war, als 'n Hurrikan über uns reingebrochen ist, während wir auf 'ner Bohrinsel im Golf von Mexiko grade 'n großes Leck abdichten wollten. War ganz in der Nähe von Biloxi

…«

Dex hörte nur mit halbem Ohr zu, aber er war froh, dass Craig versuchte, die Spannung zu lindern. Es klappte natürlich nicht, aber er war dankbar dafür, dass Wiley es zumindest versuchte.

»Ein Staubsturm, sagen Sie?«

Ein jäher Schreck durchzuckte Darryl C. Trumball, als er auf den Wandbildschirm schaute. Unbewusst strich er sich mit einer Hand nervös über den kahlrasierten Schädel. Um vier Uhr nachmittags war es in Boston schon dunkel; draußen vor seinen Bürofenstern konnte er die Weihnachtsbeleuchtung an den Bäumen des Common und des Public Garden sehen.

»Ja, Sir«, antwortete Pete Connors. Sein dunkles Gesicht auf dem Wandbild schirm war sehr ernst, ja geradezu grimmig.

»Und mein Sohn fährt da hinein?«

»Ihr Sohn hat darauf bestanden, in ihn hineinzufahren, Mr. Trumball. Jamie hat ihm geraten, umzukehren und …«

»Geraten?«, blaffte Trumball. »Bei Gott, er soll die Sache da oben leiten! Was soll das heißen, geraten? Er hätte Dex den Befehl geben müssen, umzukehren!« Er schlug zur Betonung mit der Faust auf seinen Schreibtisch.

Connors schien einen Moment lang darüber nachzudenken. »Mr. Trumball«, sagte er schließlich, »Ihr Sohn ist nicht sonderlich geneigt, Befehle zu befolgen. Jamie hätte sich auf den Kopf stellen können, aber ich bezweifle, dass Dex auf ihn gehört hätte.«

»Das ist doch Unsinn!«, platzte Trumball los. »Mein Sohn ist ein Mannschaftsspieler. Meine Befehle befolgt er jedenfalls, verdammt noch mal! Dieser rothäutige Idiot, den Sie da oben haben, könnte doch nicht mal ein Team von Präriehunden leiten, geschweige denn die besten Wissenschaftler der Welt.«

»Jamie Waterman ist einer der besten Männer, die ich je kennen lernen durfte«, gab Connors ohne das geringste Zögern zurück. »Man hätte keinen Besseren zum Leiter dieser Expedition ernennen können.«

Trumball sah das Gesicht auf dem Wandbildschirm finster an.

»Der Sturm kam völlig unerwartet«, fuhr Connors in beschwichtigenderem Ton fort. »Es ist ein großer Sturm, aber wir haben auch schon größere gesehen. Wir sind ganz zuversichtlich, dass Ihr Sohn und Dr. Craig ihn überstehen werden, ohne Schaden zu nehmen.«

»Wehe, wenn nicht«, sagte Trumball und griff nach einem der reich verzierten Füllfederhalter, die er auf seinem Schreibtisch liegen hatte.

»Ganz bestimmt. Ich bin bei der ersten Expedition zusammen mit Jamie in einen Staubsturm geraten. Wir haben ihn ohne größere Probleme überstanden.«

»Wenn meinem Sohn etwas zustößt, mache ich diesen Mann persönlich dafür verantwortlich. Ist das klar? Persönlich. Ich nagle seine Eier an den nächsten Baum!«

Connors schien stumm bis zehn zu zählen, bevor er antwortete. »Dazu müssten Sie sich zunächst mit mir anlegen, Mr. Trumball. Mit mir und einer ganzen Menge anderer Leute, die absolutes Vertrauen zu Jamie haben.«

Wütend hieb Trumball mit der Faust auf die Telefonkonsole auf seinem Schreibtisch. Connors' zornglimmendes Gesicht verschwand.

»Dich krieg ich noch klein«, knurrte der alte Mann laut.

»Dich und Waterman und jeden anderen, der mir in die Quere kommt.«

Er befahl dem Stimmerkennungssystem des Telefons, Walter Laurence anzurufen. Es war an der Zeit, kurzen Prozess mit diesem Indianer zu machen. Warte nicht ab, bis Dex etwas zustößt, dann würde es zu persönlich aussehen.

Nagle ihn jetzt an die Wand.

»Er wird euer Basislager erreichen, das steht fest«, sagte der Meteorologe. »Bei seiner gegenwärtigen Wachstumsrate und Zuggeschwindigkeit wird der Sturm in zwei Tagen –

äh, ich meine in zwei Marstagen, zwei Sols – über euer Gebiet wegziehen.«

Jamie und Stacy Deschurowa sahen sich den Bericht im Kommunikationszentrum an. Der Meteorologe schien in Florida zu sitzen, vielleicht in Miami. Jamie sah Palmen und Wohntürme durch das Bürofenster hinter dem jugendlichen, aber konzentrierten und ernsten Gesicht des Mannes.

Der junge Meteorologe begann, ihnen sämtliche Daten durchzugeben, die er hatte: Die maximale Windgeschwindkeit würde bei über zweihundert Knoten liegen; die Zuggeschwindigkeit des Sturms betrug stetige fünfunddreißig Knoten; Höhe der Wolken; Staublast; opaleszente Trübung.