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Keine Furcht, sagte er sich. Aber ihm war ganz schön mulmig zumute.

Er und Trudy Hall saßen nebeneinander im Biologielabor.

Zwei Highspeed-Joysticks waren an den piepsenden, schnatternden Computer angeschlossen. Der Bildschirm zeigte schnittige Kampfraumer, die vor einem Hintergrund aus Sternen und Planeten wilde Manöver ausführten und einander dabei mit Laserstrahlen beschossen. Schiffe explodierten mit gewaltigen akustischen Donnerschlägen.

Als er schließlich die dritte Runde des Computerspiels verloren hatte, schob Rodriguez seinen Stuhl zurück und erklärte: »Das reicht. Ich gebe auf.«

»Du hast mich gewinnen lassen«, sagte Trudy. Ihr Lächeln war eher erfreut als vorwurfsvoll.

Er schüttelte vehement den Kopf. »Nein. Ich hab mir Mühe gegeben. Ich konnte mich nicht konzentrieren.«

»Wirklich?«

Rodriguez ließ die Schultern hängen. »Wirklich.«

»Beunruhigt wegen dem Sturm?«

Er zögerte, dann gab er es zu: »Ist irgendwie albern, ich weiß. Aber ja, er macht mir Angst – ein bisschen.«

»Mir auch«, gestand Hall.

»Du siehst aber gar nicht so aus«, sagte er überrascht. »Du wirkst seelenruhig.«

»Äußerlich. Innerlich bin ich so zappelig wie … wie …«

»Wie ein Floh auf einer heißen Herdplatte?«

Sie lachte. »Was für eine grässliche Vorstellung.«

Er stand auf. »Komm, ich besorge dir eine Tasse Kaffee.

Oder vielleicht möchtest du lieber Tee?«

Sie erhob sich ebenfalls. Neben Rodriguez mit seiner stämmigen, massigen Statur wirkte sie schlank und schmal.

Sie waren jedoch beinahe gleich groß, und ihr dunkelbraunes Haar war nur eine Nuance heller als seins.

»Ehrlich gesagt, ich hab noch ein paar Schlückchen Sherry in meiner Kabine. Ist ein ganz anständiger Tropfen.«

Rodriguez zog die Augenbrauen hoch. »Wir dürfen keinen Schnaps …«

»Ist von unserer Landeparty übrig geblieben. Ich hätte ihn damals wohl gleich austrinken sollen, aber ich hab mir ein bisschen was aufgehoben. Für den Notfall.«

»Ja, aber …«

»Das zählt doch als Notfall, oder findest du nicht?«

Rodriguez schaute ungewollt nach oben, in die schattigen Höhen der abgedunkelten Kuppel. Draußen stöhnte der Wind.

»Es ist nicht genug, um sich zu betrinken, musst du wissen«, sagte Hall. »Nur ein bisschen was gegen die Nervosität, verstehst du.«

Er blickte sie wieder an und sah die Angst und die Hilflosigkeit in ihren Augen. Sie hat genauso viel Angst wie ich, sagte er sich. Sie empfindet genauso wie ich. Aber ich kann es nicht zeigen, weder ihr noch sonst jemandem.

»Okay«, sagte er.

»Dann komm.« Trudy streckte ihm die Hand hin. »Bring mich nach Hause.«

Er nahm ihre Hand. Und als sie durchs leere Halbdunkel der Kuppel gingen – der Wind heulte jetzt, und das Bauwerk selbst gab tiefere, seltsamere Geräusche von sich –, legte er ihr den Arm um die Taille. Trudy lehnte den Kopf an seine Schulter, und sie gingen gemeinsam zu ihrer Kabine und hinein in eine Nacht, in der keiner von ihnen allein sein wollte.

Stacy Deschurowa schaute angespannt auf die Bildschirme und beobachtete, wie der Wind die festgezurrten Tragflächen der Schwebegleiter flattern ließ. Auch die Tragflächen des größeren, schwereren Raketenflugzeugs bewegten sich merklich auf und ab und zerrten an den Leinen, mit denen sie am Boden festgezurrt waren.

»Wir haben alles getan, was wir können, Stacy«, sagte Jamie hinter ihr. »Du solltest jetzt ein wenig schlafen.«

»Aber wenn eins der Flugzeuge sich losreißt …«

»Was können wir dagegen tun?«, fragte er sanft. »Wir haben sie auf der vom Wind abgewandten Seite der Kuppel abgestellt. Wenn sie sich losreißen, krachen sie uns zumindest nicht hier herein.«

Sie nickte, aber ihr Blick klebte weiterhin an den Bildschirmen.

»Stacy, muss ich dir befehlen, in dein Quartier zu gehen?«

Deschurowa drehte sich um und sah ihn an. »Jemand sollte Wache halten. Nur für den Fall des Falles.«

»Okay«, sagte Jamie. »Ich mache das. Geh schlafen.«

»Nein. Ich könnte sowieso nicht schlafen. Ich bleibe hier.«

Jamie zog sich den anderen Stuhl heran und setzte sich neben sie. »Stacy … wir brauchen dich morgen. Dann musst du frisch und munter sein, ausgeruht und voll leistungsfähig.«

Sie wandte kurz den Blick von ihm ab. Dann tippte sie mit dem Finger auf die Digitaluhr über dem Hauptbildschirm und sagte: »Es ist gleich Viertel nach neun. Ich bleibe bis zwei Uhr hier. Dann kannst du die Schicht bis um sechs übernehmen. Auf diese Weise kriegt jeder von uns vier Stunden Schlaf. Okay?«

»Ein Uhr«, sagte Jamie.

Mit derselben ernsten Miene wie immer fragte sie: »Habt ihr dann auch genug Zeit, Vijay und du?«

Jamie merkte, wie ihm das Kinn herunterfiel.

Deschurowa lachte. »Geh schon. Stell deinen Wecker auf eins. Dann kannst du mich ablösen.«

Jamie stand von dem Stuhl auf und dachte: Stacy könnte die Missionsleitung übernehmen. Sie würde ihre Sache gut machen.

Vijay saß am Tisch in der Messe, als Jamie das Kommunikationszentrum verließ. Er marschierte schnurstracks auf sie zu, und sie blickte zu ihm auf. Aus ihren großen, seelenvollen Augen sprach … was? Nervosität? Einsamkeit?

Angst?

Und was ist in meinen Augen zu lesen, fragte sich Jamie, als er ihr die Hand hinstreckte. Sie ergriff sie, erhob sich von ihrem Stuhl und ging wortlos mit ihm zu seiner Kabine.

Was mache ich, fragte sich Jamie. Das ist keine Liebe. Das ist keiner jener romantischen Momente, über welche die Dichter schreiben. Es ist pure Not; wir brauchen einander.

Wir haben Angst vor diesem Sturm, Angst, weil wir so weit von zu Hause, von der Sicherheit entfernt sind. Wir brauchen den Trost eines anderen Menschen, jemanden, an dem wir uns festhalten können, der uns festhält.

Sie sprachen kaum ein Wort, als sie sich auszogen und in Jamies schmales Bett gingen. Dann schliefen sie so leidenschaftlich miteinander, als hätten der Zorn und die Macht des Sturms von ihnen Besitz ergriffen. Das erste Mal, vor zehn Nächten, hatten sie sich alle Mühe gegeben, so leise wie möglich zu sein. Nicht in dieser Nacht. Nicht bei dem Heulen des Windes draußen. Jetzt lagen sie träge und erschöpft da, die Gedanken drifteten müßig dahin, alle Barrieren waren niedergerissen, alle Furien beruhigt.

Soll ich ihr von Trumball erzählen?, fragte er sich. Der Gedanke hatte nichts Dringliches. Er stieg einfach träumerisch in sein Bewusstsein empor wie ein Flüstern, das sich durch einen Drogennebel kämpft.

Jamie küsste Vijay auf die nackte Schulter; sie murmelte schläfrig und schmiegte sich enger an ihn. Ihr Körper war warm und weich, und als er in den Schlaf driftete, wusste er, dass er sich ohne sie leer und allein fühlen würde. Und Angst hätte.

Dann stach die kalte, harte Realität auf ihn ein. Du kannst nicht von Liebe reden. Du kannst nicht einmal daran denken. Nicht hier. Nicht unter diesen Bedingungen. Diesen Fehler hast du letztes Mal schon gemacht, und es hat dir und Joanna nichts als Schmerzen eingebracht. Du kannst nicht erwarten, dass Vijay sich auf der Basis dessen, was wir hier machen, für ihr ganzes Leben an dich bindet.

Und das heißt, hörte er sich argumentieren, dass du sie nicht mit deinem Problem mit Trumball belasten kannst. Es ist dein Problem, nicht ihres. Du musst den richtigen Weg für dich selbst finden, allein.

Jamie drehte sich auf der Liege ein wenig und schaute zu den roten Leuchtziffern der Digitaluhr hinüber. Schlaf ein bisschen. Es wird verdammt bald ein Uhr früh sein.

Der Wind draußen heulte lauter. Für Jamie klang er wie das wilde Gelächter von Cojote, dem Listenreichen.