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Dex fuhr zu ihm herum. »Jetzt hörst du mir mal zu, Kumpel! Du willst nicht Possum genannt werden? Okay, ich mag's nicht, wenn man mich ›mein Junge‹ nennt. Kapiert?«

»Dann hör auf, dich wie 'n Kleinkind aufzuführen«, gab Craig mit finsterer Miene zurück.

Dex setzte zu einer Antwort an, stellte jedoch fest, dass ihm keine einfiel.

»Du hast Angst, okay. Die hab ich auch. Zum Teufel, wir sind hier mitten im finstersten Winkel von Mars City gestrandet. Nach allem, was ich weiß, sind wir dreieinhalb Meter hoch mit Sand zugedeckt, und in der Basis sind alle tot. Okay! Damit müssen wir fertig werden. Man tut, was man tun kann. Man hockt nicht rum und grummelt vor sich hin und bläst Trübsal wie 'n Teenager mit 'nem Akne-Problem.«

Dex musste unwillkürlich lachen. »Hab ich das gemacht?«

Craig saß immer noch auf seiner Liege. Sein ledriges Gesicht verzog sich zu einem kleinen Lächeln. Er nickte. »Irgendwie schon«, sagte er.

»Ich hab Angst, Wiley«, gab er zu. »Ich will nicht hier draußen sterben.«

»Scheiße, Kumpel, ich will überhaupt nich sterben.«

Dex stellte die beiden Müslipackungen auf den Tisch.

»Vielleicht sollten wir rausgehen und nachsehen, wie schlimm es ist.«

»Da draußen pustet's noch ziemlich heftig. Warten wir lieber noch 'n paar Stunden.«

»Ich dreh durch, wenn ich hier rumsitze und nichts anderes zu tun habe, als dem Wind zuzuhören.«

Craig nickte. »Hm. Ja, ich auch.«

»Und?«

»Lass uns in aller Gemütsruhe frühstücken, und dann steigen wir gemächlich in unsere Anzüge.«

»Gut«, sagte Dex. Er merkte, wie die Angst langsam nachließ. Sie verschwand nicht ganz, aber er fühlte sich schon besser als in der Nacht.

NACHMITTAG: SOL 59

»Hätte schlimmer sein können«, verkündete Craig. Aber in Dex' Helmlautsprechern klang seine Stimme ernst und unzufrieden.

Der Himmel war weiterhin grau und düster. Der Wind heulte noch immer, wenn auch nicht mehr annähernd so laut wie zuvor. Dex war überrascht, dass er in dem Raumanzug überhaupt keinen Winddruck spürte. Er hatte damit gerechnet, sich mit aller Macht gegen den Wind stemmen und sich vorwärts kämpfen zu müssen. Stattdessen hätte die dünne Marsluft genauso gut völlig windstill sein können.

Auf einer Seite war der Rover halb von rostrotem Sand begraben. Von der Cockpit-Nase bis zum hinteren Ende des dritten Segments des gegliederten Fahrzeugs hatte der Sand sich auf der Windseite bis zum Dach aufgetürmt.

»Gut, dass die Luke auf der Leeseite war«, sagte Dex.

»Sonst hätten wir vielleicht Schwierigkeiten gehabt, sie aufzukriegen, wenn sie in diesem Zeug begraben gewesen wäre.«

»Nee, glaub ich nich«, antwortete Craig und trat gegen den Haufen. Staub flog auf wie Asche oder wie trockene Herbstblätter, wenn ein Kind hindurchwatet.

»Vielleicht hast du Recht.«

»Außerdem«, setzte Craig hinzu, »hab ich ihn so gedreht, dass die Luke auf der geschützten Seite sein würde, als wir für die Nacht angehalten haben.«

Dex kniff in seinem Helm die Augen zusammen und versuchte sich zu entsinnen, ob er gefahren war oder Craig.

Wiley ist nicht darüber erhaben, sich sein Glück als Leistung anrechnen zu lassen, dachte er.

»Komm, sehen wir uns mal an, was oben passiert ist.«

Als sie um den Rover herum zu der weitgehend staubfreien Seite zurückstapften, sah Dex, dass zumindest ein Teil der behelfsmäßigen Abdeckungen, die sie auf die Solarpaneele geklebt hatten, losgerissen worden war. Ein Laken flatterte im Wind.

Während Craig die Leiter neben der Luftschleuse hochkletterte, um die Solarpaneele zu inspizieren, erhaschte Dex einen Blick auf das Schönste, was er bisher auf dem Mars zu Gesicht bekommen hatte: Die stumpfgrauen, staubschweren Wolken lichteten sich für kurze Zeit so weit, dass er den hellen, orangefarbenen Himmel darüber sehen konnte. Sein Herz tat einen Sprung. Der Sturm hört auf! Er hört endlich auf.

»Schlimmer, als ich gehofft hatte«, knarzte Craigs Stimme in seinen Helmlautsprechern, »aber nich so schlimm, wie ich befürchtet hatte.«

Craig kam die Leiter herunter. »Wir haben da oben 'n paar Kratzer und Narben abgekriegt, wo die Persenning abgegangen is. Die anderen Paneele sehn aber gut aus.«

»Na prima«, sagte Dex, der auf einmal neue Begeisterung verspürte. »Hör zu, Wiley, ich geh wieder rein und setz das VR-Gerät auf. Bis jetzt hat noch niemand einen marsianischen Staubsturm aufgezeichnet. Das gibt ein paar tolle Bilder für daheim!«

Er hörte Craig in seinem Helm leise lachen. Dann sagte der ältere Mann: »Allmählich kommen deine Lebensgeister wieder in Schwung, hm?«

»Ich …« Dex hielt einen Moment lang verwirrt inne. Dann legte er Craig eine beschuhte Hand auf die Schulter des Raumanzugs. »Wiley, du hast mir wirklich geholfen. Ich hatte eine Scheißangst vorhin, und du hast mir geholfen, drüber wegzukommen.«

»Hast du selbst gemacht«, sagte Craig, »aber ich hefte's mir gern an die Brust.«

Dex bekam auf einmal ein flaues Gefühl im Magen.

Als würde er es spüren, sagte Craig: »Keine Sorge, mein Sohn. Was hier passiert is, bleibt unter uns. Geht ja sonst keinen was an.«

»Danke, Wiley.« Im Vergleich zu der gewaltigen Woge von Dankbarkeit und Hochachtung, die ihn überflutete, klangen die Worte in Dex' Ohren erbärmlich schwach.

»Schon gut«, sagte Craig barsch. »Aber lass uns erst mal die Antennen sauber machen, bevor du mit deinem VR-Kram loslegst, damit wir Jamie und der ganzen Bande erzählen können, dass es uns gut geht.«

Im Kommunikationszentrum stieß Rodriguez auf einmal einen Jubelruf aus.

»Ich hab Wiley dran!«

Jamie sprang vom Tisch in der Messe auf, während Vijay dablieb, um dem humpelnden Fuchida zu helfen. Im Kommunikationszentrum sah Jamie Craigs unrasiertes Gesicht auf dem Hauptbildschirm. »… Leistung der Solarpaneele ist um vier, fünf Prozent reduziert«, berichtete Craig gerade.

»Hätte viel schlimmer kommen können.«

»Was ist mit den Brennstoffzellen?«, fragte Rodriguez.

»Dex zerlegt gerade unser zusätzliches Wasser; wenn er damit fertig is, füttern wir sie mit dem Wasserstoff und mit Sauerstoff. Dann können die Batterien mal 'ne Ruhepause einlegen.«

Jamie streckte den Kopf ins Bildfeld der Kamera und fragte: »Müsst ihr euch ausgraben?«

Craig schaute sehr zufrieden drein. »Nee. Die Räder und die Fahrmotoren sind okay. Wir haben einfach den Gang eingelegt und uns selbst rausgezogen. Sind schon wieder unterwegs.«

»Wow!«, rief Rodriguez aus.

»Das ist ja toll«, sagte Jamie, der echte Freude und Erleichterung empfand. »Das ist wirklich toll, Wiley.«

»In drei, vier Tagen müssten wir im Ares Vallis sein«, meinte Craig. Dann setzte er hinzu: »Wenn das Wetter so bleibt.«

Rodriguez lachte. »Momentan ist kein weiterer Sturm in Sicht.«

»Gut.«

Craig verabschiedete sich, und Rodriguez machte sich daran, die Telemetriedaten des Rovers zu überprüfen.

Draußen heulte der Wind noch immer wie tote Geister, die in der Kälte um Einlass flehten.

Als der Tag sich neigte, war der Wind merklich leiser geworden, und hin und wieder stieß sogar das Sonnenlicht durch die über ihnen hängenden Wolken.

Jamie war körperlich und seelisch erschöpft, als er – zum hundertsten Mal an diesem Tag, wie es ihm schien – müde ins Kommunikationszentrum ging.

Während der Sturm allmählich nachließ, hatte er den größten Teil des Tages in der Gewächshauskuppel verbracht und immer wieder den Bereich überprüft, in dem die Schäden aufgetreten waren. Er hatte sogar seinen Raumanzug angelegt und war hinausgegangen, um die beschädigten Stellen von außen zu inspizieren, wo sie nicht unter Notfallflicken und Epoxy verschwanden. Es war schwer zu sagen, aber die Hülle schien punktiert und nicht zerrissen worden zu sein. Nachdem das Kunststoffmaterial allerdings Löcher bekommen hatte, begann es natürlich an der Naht entlang aufzureißen, wo es mit dem Fundament der Kuppel verbunden war.