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Eigentlich bräuchten wir hier einen forensischen Statiker, sagte sich Jamie. Wenn es so jemanden überhaupt gibt.

Vielleicht würde Wiley daraus schlau werden.

Er machte Dutzende Fotos von den beschädigten Stellen und schickte sie zur Analyse nach Tarawa. Ihm fiel nichts ein, was er sonst noch tun konnte, aber er wurde das Gefühl nicht los, dass ihm etwas entging. Etwas Wichtiges.

Was ist es, Großvater, fragte er stumm. Was habe ich übersehen?

Sobald er im Kommunikationszentrum war, sackte er auf den Stuhl und schickte eine weitere Botschaft nach Tarawa.

»Pete, die Gewächshauskuppel sieht jetzt gut aus, aber ich mache mir Sorgen, was beim nächsten Sturm passieren könnte. Vielleicht kommt der erst in einem Jahr, aber es ist ein Problem, über das wir sofort nachdenken sollten, nicht erst dann, wenn der Staub wieder zu fliegen beginnt. Offensichtlich haben wir dieses Problem übersehen, aber mit dem geschärften Blick, den man hinterher immer hat, denke ich, wir sollten ihm Beachtung schenken.

Kannst du die versammelten Fachleute der Welt dazu bringen, sich zu überlegen, wie wir die Gewächshauskuppel mit den uns zur Verfügung stehenden Materialien schützen können? Dazu gehören natürlich auch die marsianischen Rohstoffe, die wir hier vorfinden. Was ich gern wüsste, ist Folgendes: Können wir Glasbausteine aus dem Marssand herstellen? Ein transparentes Iglu bauen? Prüf das für mich, okay?«

Nach Sonnenuntergang legte der Wind sich fast ganz. Jamie war versucht, in den Raumanzug zu steigen und hinauszugehen, um nachzuschauen, ob die Sterne noch dort waren, wo sie hingehörten, aber er war zu müde dazu. Die Außenkameras zeigten, dass die Flugzeuge noch an ihrem Platz standen, aber in welchem Zustand ihre Solarpaneele sein mochten, würde erst eine genauere Untersuchung ergeben.

In der Kuppel war es still, und alles war wieder so wie immer, als Jamie schließlich zu seiner Unterkunft ging. Vijay war schon da; sie lag auf der Liege. Er zwinkerte überrascht.

»Tomas geht also mit Trudy ins Bett«, sagte sie nüchtern.

Jamie nickte. »Ich wüsste gern, ob zwischen Mitsuo und Stacy irgendwas läuft.«

Vijay kicherte leise. »Absolut unwahrscheinlich.«

»Wieso?«

»Stacy ist vom anderen Ufer.«

Jamie machte große Augen. »Wie bitte?«

»Stacy ist lesbisch.«

Das ist völlig in Ordnung, sagte er sich. Trotzdem war er schockiert.

»Der arme Mitsuo«, hörte er sich flüstern, als er neben ihr unter die Decke schlüpfte.

Vijay rückte beiseite, um ihm auf der schmalen Liege Platz zu machen. »Bei ihm blicke ich nicht durch. Er hat es bei keiner der Frauen versucht.«

»Vielleicht ist er auch vom anderen Ufer?«

»Das bezweifle ich. Ich glaube, er hat einfach mehr Selbstbeherrschung als ihr westlichen Affenmenschen.«

Jamie wollte über diesen Punkt diskutieren, aber stattdessen schloss er die Augen und schlief auf der Stelle ein.

GLASBAUSTEINE

Pete Connors starrte den dicken Papierstapel auf seinem Schreibtisch düster an. Es ist fast immer ein Fehler, die Experten zu fragen, wie man irgendwas macht, rief er sich ins Gedächtnis. Sie überschütten einen mit sämtlichen Details, auf die sie jemals gestoßen sind.

Trotzdem, dachte er, die Jungs von der NASA und die Uni-Profs haben das erbetene Material verdammt schnell geliefert. Wenn es nur nicht so viel wäre!

Er holte tief Luft, dann warf er seinen Computer an und rief das Kommunikationsprogramm auf. Das winzige rote Licht an der Kamera über dem Bildschirm begann zu leuchten.

»Jamie, ich schicke euch gleich eine halbe Tonne Unterlagen darüber, wie ihr Glasbausteine aus den Materialien vor Ort herstellen könnt. Es wird nicht leicht sein, aber es geht.

Ich übersende euch die technischen Anleitungen in komprimierter Form auf dem anderen Kanal. Sie stammen von allen möglichen schlauen Köpfen bei der NASA, beim MIT, dem Caltech und so weiter. Ich glaube, ein paar von ihnen sind sogar Eskimos.

Als erstes müsst ihr einen Sonnenreflektor bauen. Dazu könnt ihr eine der überzähligen Parabolantennen aus dem Lager verwenden und sie mit Aluminiumspray beschichten.

Der Reflektor ist die Wärmequelle für euren Brennofen; ihr müsst Temperaturen von zweitausend Grad Celsius erzeugen, um die Sandpartikel aus dem Marsboden zu schmelzen. Die Sandkörner müsst ihr zunächst mal sehr fein mahlen …«

Eine halbe Stunde später schloss Connors mit: »… und dann habt ihr Glasbausteine, Kumpel. Ist echt ein Klacks.«

Schließlich wandte sich Connors mit einem müden Seufzer jenem Thema zu, das er lieber ignoriert hätte. Aber das konnte er nicht.

»Jamie, der alte Trumball macht immer noch Druck, um dich als Missionsleiter loszuwerden …«

MITTAG: SOL 63

»Ich sehe ihn!«, schrie Dex auf.

Sie hatten gerade einen kleinen Felsvorsprung erklommen, und der Rover tastete sich den steilen Hang zu der ausgedehnten, tief liegenden Senke hinunter, in welcher der Pathfinder und dessen winziger, fahrbarer Sojourner seit nahezu dreißig Jahren still und stumm warteten.

Craig fuhr. Beide Männer waren zottelig und bärtig, und ihre schweißfleckigen Overalls hingen ihnen schlaff um die Körper. Sie grinsten beide von einem Ohr zum anderen.

»Schau!« Dex erhob sich halb aus seinem Sitz und zeigte auf die Felsen. »Da sind die Twin Peaks! Und Yogi! Und Barnacle Bill!«

Craig lachte. »Du tust ja so, als hätteste gar nich damit gerechnet, dass sie hier sind.«

Dex sank wieder in seinen Sitz zurück. Er hatte ein komisches Gefühl im Magen. Sie sind alle da. Sie sind wirklich da. Nachdem ich mir so viele Jahre lang die Bilder und die Videos angeschaut habe, ist es alles real! Es ist wirklich alles passiert. Sie haben die Sonde hier gelandet, zu einer Zeit, als sie kaum eine Tonne Nutzlast zum Mars befördern konnten.

Die Dinger sind Milliarden wert, sagte sich Dex. Viel mehr, als sie damals gekostet haben. Wie ein Gemälde von da Vinci oder van Gogh.

Er wollte am Steuer des Rovers sitzen, wollte das Gaspedal durchtreten und in einer Staubfahne hinunterrasen.

Aber er wusste, dass Wiley das nicht zulassen würde, und er sah ein, dass es wahrscheinlich auch gut so war. Heiliger Herr im Himmel, dachte Dex.

Ich bin so aufgeregt wie ein kleiner Junge zu Weihnachten.

»Vielleicht sollteste die Basis anrufen und Bescheid sagen, dass wir da sind«, schlug Craig vor.

»In Ordnung«, stimmte Dex zu. »Und sorg dafür, dass die Kameras das alles aufzeichnen! Das ist Geschichte, weißt du!«

Craig lachte leise in sich hinein.

Sie parkten fünf Gehminuten vom Pathfinder entfernt, damit sie sich die Gegend ausführlich ansehen konnten, ohne die Landestelle mit den Stollenspuren der Rover-Räder zu verunzieren.

Das alte Raumfahrzeug stand flach und gedrungen da, das verschrumpelte Schutzschild rundum hochgerutscht wie die gerafften Röcke einer alten Dame. Die Maschine wirkte in dieser Marslandschaft seltsam und fremdartig, ein kantiges Metallgebilde inmitten verwitterter Steine auf einer weiten Ebene aus rostrotem Sand. Der Sojourner – so winzig, dass er wie ein fahrbares Spielzeug aussah, das ein Kind aus einem Bausatz zusammengebastelt haben könnte

– stand immer noch mit der Nase an dem Felsen, den man Yogi getauft hatte.

Dex zitterte vor Spannung, als er und Craig in ihre Raumanzüge stiegen. Doch als sie draußen waren, als sie tatsächlich auf dem Marsboden neben den alten Fahrzeugen standen, begann die Aufregung abzuebben.

Sie sind so klein, dachte Dex. Meine Güte, als ich zehn war, hatte ich ein Spielzeugauto, das größer war als der Pathfinder. Und den Sojourner könnte ich mir fast unter den Arm klemmen.