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»Bleib sitzen, Mitsuo, bleib sitzen. Immer mit der Ruhe.«

Jamie zog sich den anderen Hocker heran und nahm neben dem Biologen Platz.

Fuchida setzte sich wieder hin, aber sein Rücken blieb steif. Er warf einen kurzen Blick zum offenen Eingang, dann griff er über den Labortisch und zog seinen Laptop-Computer zu sich heran.

»Was wolltest du mir zeigen?«, fragte Jamie. »Ist in den Kernproben irgendeine neue Spezies aufgetaucht?«

»Es geht nicht um Biologie«, sagte Fuchida, während er seinen Laptop startete.

»Nein?«

»Nein. Um Detektivarbeit.«

»Detektivarbeit?«

Auf dem Bildschirm des Laptops sah Jamie eins der Fotos, die er am Morgen nach dem Sturm in der beschädigten Gartenkuppel gemacht hatte.

»Dieses Bild zeigt zwei wichtige Dinge. Siehst du, was ich meine?«, fragte Fuchida. Seine Stimme war leise, fast ein Flüstern.

Jamie schüttelte den Kopf.

»Achte darauf«, sagte der Biologe und zeigte auf den Bildschirm, »dass die Falten im Kuppelmaterial auswärts weisen.«

Jamie nickte. »Ja, das stimmt.«

»Du hast dieses Foto von draußen gemacht«, sagte Fuchida.

»Richtig.«

»Was sagt dir diese Auswärtsfaltung?«

Herrje, dachte Jamie, Mitsuo klingt wie ein SherlockHolmes-Imitator.

»Erklär's mir«, sagte er.

»Die Löcher wurden von innen gemacht, nicht von außen.«

»Nein«, sagte Jamie langsam. »Das ist unmöglich. Was könnte die Kuppel denn von innen heraus durchlöchern?«

Statt ihm eine Antwort zu geben, sagte Fuchida: »Achte darauf, in welcher Höhe sich die Löcher befinden.«

Jamie spähte auf das Bild. »Einen halben bis einen dreiviertel Meter über dem Boden, würde ich sagen.«

»Zweiundsechzig Zentimeter. Ich habe es nachgemessen.«

»Worauf willst du hinaus, Mitsuo?«

Fuchida senkte die Stimme, bis sie fast ein Zischen war, und antwortete: »Es war nicht der Sturm, der die Kuppel beschädigt hat. Die Hülle ist von innen durchlöchert worden. Und zwar absichtlich!«

Jamie sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Absichtlich? Du machst Witze!«

»Keineswegs. Die Faltung zeigt deutlich, dass die Löcher von innen und nicht von außen gemacht wurden. Und sie sind in einer Höhe, in der sich die Hand eines Menschen mit nach unten gestrecktem Arm befände.«

Es dauerte eine Weile, bis Jamie klar wurde, dass Fuchida es vollkommen ernst meinte.

»Mitsuo, das kann nicht sein. Keiner von uns würde die Kuppel absichtlich beschädigen.«

Fuchida zeigte wortlos auf den Bildschirm.

Jamie sagte: »Also, erstens mal erwecken die Falten den Anschein, als wäre die Beschädigung von innen erfolgt, weil die Luft aus der Kuppel durch die Löcher nach außen entwichen ist.«

Der Biologe runzelte die Stirn. »Das wäre eine Möglichkeit.«

»Und was die Höhe der Löcher betrifft, dort haben die Steinchen die Hülle halt zufällig getroffen.«

»Beide in derselben Höhe?«

Jamie zuckte die Achseln. »Ein Zufall.«

Fuchida wirkte alles andere als überzeugt.

»Hör mal, Mitsuo, du kannst doch nicht ernsthaft glauben, dass einer von uns während des Sturms absichtlich Löcher in die Kuppel gemacht hat. Das wäre doch Wahnsinn!«

Fuchida nickte. »Zu diesem Schluss bin ich auch gekommen.«

Da Vijay Küchendienst hatte, machte sich Jamie auf den Weg in seine Unterkunft, während Fuchida und Trudy ins Biologielabor abzogen und Stacy und Rodriguez sich wieder ins Kommunikationszentrum begaben, um den letzten Systemcheck des Abends durchzuführen.

In seiner Kabine warf er den Computer an und sah die eingegangenen Nachrichten durch.

Während er die Angaben auf dem Bildschirm überflog, schweiften seine Gedanken zu Fuchidas Detektivarbeit.

Mitsuo reagiert übertrieben, sagte er sich. Wer, zum Teufel, würde absichtlich Löcher in die Gartenkuppel bohren? Und warum? Aus welchem Grund? Das ist doch Unsinn.

Trotzdem, die Möglichkeit war nicht von der Hand zu weisen; sie hing wie eine dunkle, unheildrohende Wolke über ihm. Haben wir einen Geisteskranken unter uns? Jamie schüttelte den Kopf und versuchte, sich von diesem Verdacht zu befreien.

Nachdem er seine Nachrichten kurz durchgesehen und festgestellt hatte, dass nichts dabei war, worum er sich unverzüglich kümmern musste, schaltete er den Computer aus und ging wieder in die Messe.

Vijay war immer noch dort. In der Kuppel brannte nur noch die gedämpfte Nachtbeleuchtung. Der Geschirrspüler summte leise vor sich hin, der Tisch war blitzsauber. Sie wartet auf mich, dachte Jamie glücklich.

»Alle anderen schon im Bett?«, fragte er.

»Trudy und Tommy, ja«, erwiderte sie leichthin. »Mitsuo stöbert noch im Garten rum, und Stacy hat das Kommunikationszentrum bis jetzt nicht verlassen.«

»Oh.«

Sie nahm sich einen Becher und einen Teebeutel und ging damit zum Heißwasserspender hinüber. Jamie zog sich einen Stuhl heraus und setzte sich. Er wusste, dass es albern war, aber er wollte abwarten, bis die anderen alle schlafen gegangen waren, bevor er Vijay in seine Kabine mitnahm.

»Mitsuo glaubt, dass jemand die Kuppel absichtlich sabotiert hat«, sagte er und bemühte sich, leise zu sprechen.

»Wie bitte?« Sie drehte sich zu ihm um. Ihre Augen waren vor Überraschung geweitet.

»Er hat Indizien – oder was er dafür hält.«

»Er spinnt.«

»Hoffentlich«, sagte Jamie.

»Ich werde mit ihm darüber reden.« Sie kam mit ihrem Becher zum Tisch und setzte sich neben ihn.

»Nein, warte damit. Ich will zuerst sehen, was er noch vorbringt.«

Vijay warf ihm einen skeptischen Seitenblick zu, aber dann nickte sie und sagte: »Wenn du meinst.«

»Dex' Vater will mich feuern«, hörte er sich zu seiner eigenen Überraschung sagen. Er hatte sich etliche Male geschworen, sie nicht mit seinem Problem zu belasten.

»Ich hab mich schon gefragt, wann du endlich damit rausrücken würdest«, sagte sie.

Er verspürte einen kurzen Schock, dann wurde ihm klar, dass es in diesem Treibhaus, in dem sie lebten, keine Geheimnisse gab.

»Also wissen alle darüber Bescheid«, sagte er.

»Natürlich. Wir haben uns überlegt, was wir tun können, um dir zu helfen. Du weißt schon, eine Petition an den IUK-Vorstand schicken, mit Arbeitskampf drohen, was auch immer.«

»Arbeitskampf?«

»Streiken«, sagte sie. »Auf unseren Ärschen sitzen bleiben, bis Trumball aufhört, dich zu schikanieren.«

Sie trank einen Schluck von dem dampfenden Tee und wartete darauf, dass er etwas dazu sagte. Jamie schaute in ihre schimmernden schwarzen Augen und stellte wieder einmal fest, wie schön sie war.

»Wir müssen hier eine ganze Welt erforschen«, sagte er zu ihr. »Wir können nicht streiken. Das würde nichts bringen.«

»Hast du eine bessere Idee?«

»Ich habe darüber nachgedacht.«

»Und?«

»Trumball droht, die Mittel für die nächste Expedition zu sperren.«

»Er erpresst sie damit, ich weiß.«

»Ich kann nicht zulassen, dass er die nächste Expedition stoppt, Vijay. Das wäre kriminell.«

»Und wie kannst du ihn dann stoppen?«

Er lehnte sich zurück und starrte ins Dunkel hinauf.

Eine ganze Weile war es still, bis auf das leise Tuckern der Lebenserhaltungspumpen, das schwache, wispernde Summen elektrischer Geräte. Und das hohe, fast unhörbare Seufzen des Nachtwinds draußen, den Atem einer Welt, die ihn rief.

Dann hörte er, wie Vijay die Luft ausstieß, und merkte, dass sie mit angehaltenem Atem auf seine Antwort gewartet hatte.

»Ich könnte zurücktreten«, sagte er ausdruckslos.

»Zurücktreten?«

»Mein Amt als Missionsleiter niederlegen. Schließlich bin ich hier auf dem Mars; er kann mich nicht zur Erde zurückholen. Ich werde bis zum Ende der Expedition hier sein.