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»Ich hab Durst«, jammerte die Fünfjährige.

Trumball führte sie um das automatische Modul herum, fand den Hauptwasserhahn und goss ein bisschen Wasser in einen Metallbecher, den er mitgebracht hatte.

»Das ist Marswasser«, sagte er und hielt den Becher hoch.

»Es stammt aus der Permafrostschicht unter der Oberfläche und ist mit Kohlendioxid versetzt, so ähnlich wie Sprudel.

Aber man kann es trinken – sobald wir die Verunreinigungen herausgefiltert haben.«

Während er sprach, verkochte das Wasser, und der Becher war wieder knochentrocken.

»Die Marsluft ist so dünn, dass das Wasser kocht, obwohl die Temperatur unter dem Gefrierpunkt liegt«, erklärte Trumball. »Aber der springende Punkt ist: Unter unseren Füßen gibt es ein Meer aus Wasser, das seit Abermillionen Jahren gefroren ist. Genug Wasser, um eines Tages Abermillionen Menschen zu versorgen.«

»Das wusste ich gar nicht«, sagte Mrs. Zieman leise.

Genau nach einer Stunde sagte Trumbalclass="underline" »So, das war's für heute. Ich muss jetzt Schluss machen. Morgen zeige ich Ihnen die Kuppel. In ein paar Tagen bricht ein Team mit einem der Boden-Rover zum Grand Canyon auf. Später fliegen dann zwei Leute mit dem Raketenflugzeug zu den Schildvulkanen. Und mit den unbemannten Schwebegleitern werden wir noch größere Entfernungen überwinden.

Wenn alles gut geht, schicken wir sie zum Landeplatz der alten Viking I und vielleicht noch weiter nach Norden, bis zum Rand der Eiskappe.«

Währenddessen starrten die Zuschauer in die marsianische Szenerie hinaus.

»Aber das liegt alles noch in der Zukunft«, schloss Trumball. »Jetzt sage ich erst einmal Auf Wiedersehen vom Mars.

Danke, dass Sie bei uns waren.«

Die Ziemans saßen noch eine ganze Weile reglos da, ohne ein Wort zu sagen. Schließlich nahmen sie widerstrebend die Helme ab.

»Ich will zum Mars«, verkündete der Neunjährige. »Wenn ich groß bin, werde ich Wissenschaftler und fliege zum Mars.«

»Ich auch!«, setzte seine Schwester hinzu.

ESSENSZEIT: SOL 1

Jamie fand seine alte Kabine unverändert vor; es sah darin noch genauso aus wie vor sechs Jahren. Die Liege mit den dünnen Marsschwerkraft-Beinen wartete auf ihn. Die Plastikkombination aus Schreibtisch und Kleiderschrank stand leer da, so, wie er sie zurückgelassen hatte.

Alles ist in funktionsfähigem Zustand, staunte er. Bei ihrer Abreise hatten sie die Kuppel mit Stickstoff gefüllt. Jetzt bestand die Luft aus einem Gemisch von Stickstoff und Sauerstoff wie auf der Erde, sodass sie sich in Hemdsärmeln oder weniger in der Kuppel aufhalten konnten.

Während der ersten Expedition waren sie von einem Meteoritenschwarm getroffen worden, fast mikroskopisch kleinen Steinchen, die die Kuppel an mehreren Stellen durchschlagen und sogar den Helm von Jamies Raumanzug gestreift hatten. Die Chancen für so etwas stünden eins zu einer Billion, hatten ihnen die Astronomen auf der Erde erklärt. Jamie nickte; er hoffte, dass diese Relation gleich geblieben war.

Jemand hatte die Lautsprecheranlage eingeschaltet und ließ ein beruhigendes klassisches Klavierstück laufen.

Beethoven, dachte Jamie. Er erinnerte sich, dass die Kosmonauten bei der ersten Expedition Tschaikowski und andere russische Komponisten gespielt hatten.

Trotzdem kam ihm die Kuppel auf subtile Weise verändert vor. Ihr Neuwagengeruch war verschwunden.

Die erste Expedition hatte sie nur fünfundvierzig Tage bewohnt, aber das hatte gereicht, um sie ihres Glanzes zu berauben. Er fühlte sich in ihr zwar zu Hause, das schon, aber nicht auf die gleiche Weise wie in seiner Erinnerung.

»Klos funktionier'n nich.«

Jamie drehte sich um und sah Possum Craig im Eingang stehen, einen düsteren Ausdruck auf dem HängebackenGesicht. Die Falttür war offen geblieben, sodass Craig nicht hatte anklopfen müssen.

»Beide Klos?«, fragte Jamie.

Craig nickte verdrossen. »'scheinlich is die Wasserleitung verstopft. Oder eingefroren.«

Offiziell war Craig Geochemiker. Man hatte ihn von einer texanischen Ölgesellschaft rekrutiert und ihm die Verantwortung für die Bohranlage übertragen. Die Biologen vertraten die Theorie, das marsianische Leben gedeihe im Untergrund, vielleicht Kilometer tief im Boden, und die Flechte, die sie im Oberflächengestein gefunden hatten, sei nur ein Fortsatz dieser unterirdischen Ökologie, die sie

›plutonische Biosphäre‹ nannten.

Inoffiziell war Craig der Handwerker der Expedition. Es gab kein Werkzeug, mit dem er nicht fachmännisch hantieren konnte. Er war Klempner, Elektriker und Faktotum in einem. Binnen einer Woche nach ihrem Start zum Mars hatte Trumball angefangen, ihn ›Wiley J. Coyote‹ zu nennen, nachdem Craig geschickt einen defekten Computerbildschirm repariert hatte, und zwar mit wenig mehr als einem Schraubenzieher und einer Pinzette aus der medizinischen Ausrüstung.

Craig zog den neuen Namen dem üblichen ›Possum‹ vor, einer alten, von den Ölfeldern stammenden Anspielung auf seine überdimensionale Nase.

»Du glaubst, sie ist eingefroren?« Jamie durchquerte sein Abteil mit zwei Schritten und ging an Craig vorbei in den offenen Bereich der Kuppel hinaus.

»Höchstwahrscheinlich. Wir hätten sie sofort eingraben sollen.«

»Und das Wiederaufbereitungssystem ist noch nicht in Betrieb.«

»Ich könnte die Leitung unter Überdruck setzen, aber ich will nich das Risiko eingehen, das Rohr kaputtzumachen.

So 'n Schlamassel können wir echt nich gebrauchen, nich schon gleich in der ersten Nacht.«

Stacy Deschurowa kam zu ihnen, zwei besorgte Furchen zwischen den dicken Augenbrauen. Ihr Haar war sandbraun; sie trug es in einem kurzen Pagenschnitt, der aussah, als hätte sie sich eine Schüssel aufgesetzt und alles, was darunter hervorschaute, eigenhändig abgeschnitten.

»Hat Possum dir erzählt, was los ist?«, fragte sie düster.

Jamie nickte. Jenseits des offenen Bereichs, bei der Reihe von Spinden neben der Luftschleuse, fädelte Rodriguez die Arme ins Oberteil seines Raumanzugs ein, wie er sah.

»Geht Tomas raus?«

»Die chemischen Toiletten sind im Lander. Er holt sie für heute Nacht hier herein.«

»Es ist schon dunkel draußen.« Das hieß, die Temperatur sank drastisch ab.

»Wir brauchen Toiletten«, sagte Deschurowa in entschiedenem Ton. Sie war fast immer düster und ernst, eine eindrucksvolle und sehr tüchtige Frau, deren einschüchterndes Äußeres einen ausgeprägten, trockenen Humor verbarg.

Aber im Moment war ihr nicht nach Spaßen zumute. »Toiletten sind sehr wichtig.«

»Wer geht mit Tomas?«, fragte Jamie. Die Sicherheitsvorschriften untersagten es, dass jemand allein hinausging, selbst wenn es ein von der NASA ausgebildeter Astronaut war.

»Ich«, sagte Craig ohne große Begeisterung.

Deschurowa schüttelte den Kopf. »Nein, ich gehe mit.«

»Du nicht, Stacy«, entgegnete Jamie. »Nach Möglichkeit sollten nicht beide Astronauten zugleich draußen sein.«

Craig ging zu den Spinden. Nach einer kurzen Pause sagte Stacy: »Ich helfe ihnen, die Anzüge durchzuchecken.«

»Ist gut«, sagte Jamie.

Während er allein vor seiner Kabine zurückblieb, sah Jamie, dass sich die beiden anderen Frauen, Hall und Shektar, am Tisch in der Messe leise unterhielten. Trumball und Fuchida waren nirgends zu sehen; wahrscheinlich steckten sie in einem der Labors. Er ging wieder in sein Abteil, zog die Tür zu und startete seinen Laptop. Wird Zeit, dass ich meinen Bericht nach Tarawa schicke, sagte er sich und überlegte hin und her, ob das Toilettenproblem so wichtig war, dass er es erwähnen musste.

Wenn die Nachrichtenmedien rausfinden, dass unsere Klos nicht funktionieren, werden sie die nächsten zwei Wochen nichts anderes mehr bringen, sagte er sich.

Bei der Planung der Expedition hatte Jamie von Anfang an darauf bestanden, dass das ganze Team gemeinsam zu Abend essen sollte, wann immer es möglich war. Alle Bewohner der Kuppel mussten sich zur Abendmahlzeit einfinden; nur wer gerade auf Exkursion war, durfte fehlen.