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»Hörst du mich, Dex?«

»Ja! Du musst raufkommen. Die Sonne geht gleich unter.«

»Komm runter«, sagte Jamie. »Ich schicke dir das Geschirr rauf.«

»Nein! Ich kann nicht.«

»Dex, du solltest dir das lieber nicht entgehen lassen.

Wenn wir Stacy und den anderen Bericht erstatten, sollten wir's gemeinsam tun.«

Einen langen Moment blieb es still. Dann sagte Dex: »Wir haben nur noch ungefähr eine halbe Stunde Tageslicht.

Vielleicht weniger.«

»Das reicht.« Jamie löste das Seil von dem Dorn, der sich in den Steinboden gegraben hatte. Das Geschirr schwang über den Rand der Spalte hinaus ins Freie.

»Hol es rauf«, befahl er Trumball. »Mit Höchstgeschwindigkeit. Verschwende keine Zeit.«

»Die Sicherheitsvorschriften …«

»Hier unten waren Marsianer, Dex. Lebende, intelligente, bauende Marsianer.«

Das Geschirr verschwand ruckartig nach oben.

Während er auf Dex wartete, ging Jamie tiefer in die Spalte hinein, an der Seitenwand des Dorfes entlang. Er sah niedrige Eingänge in der Mauer und – im Halbdunkel am hinteren Ende der Höhle – eine kreisrunde Grube.

Ein Brunnen?, fragte er sich. Zu groß. Eine Kiva? Er lachte nervös. Fang nicht damit an. Auf der Mesa Verde wäre es eine Kiva, aber das heißt nicht, dass die Marsianer religiöse Zentren derselben Art gebaut haben. Zieh keine voreiligen Schlüsse.

Aber was könnte es sonst sein, fragte eine Stimme in seinem Kopf.

Geduld, flüsterte sein Großvater. Man kann nicht alle Türen auf einmal öffnen.

»Ich komme runter«, kam Dex' nervöse, unglückliche Stimme knisternd aus seinen Helmlautsprechern.

»Prima.«

»Niemand passt auf die Winde auf, weißt du.«

»Die läuft schon nicht weg«, sagte Jamie. »Wir haben sie fest und sicher verankert.«

»Hoffentlich.«

Jamie ging an dem Gebäude entlang und kämpfte dabei gegen den irrationalen Drang an, seinen Raumanzug zu öffnen, damit er ungeschützt vor diesen alten Steinen stehen und sie mit bloßen Händen anfassen konnte.

Der Himmel über dem fernen Horizont ging von Orange zu Violett über, als Dex in Sicht kam; er baumelte in dem Geschirr. Jamie wünschte, er könnte das Gesicht des Mannes sehen – könnte sehen, wie ihm beim ersten Blick auf das Bauwerk die Augen aus den Höhlen traten.

Er hörte, wie Dex scharf die Luft einsog. »Heilige Mutter Gottes, wie alt mag das sein?«

»Um das herauszufinden, sind wir hier«, sagte Jamie.

LICHTGESCHWINDIGKEIT

Vijay spürte die Enge, als sich alle sechs Forscher im Kommunikationszentrum zusammendrängten. Rodriguez saß an der Konsole, die verbundene Hand in einer Schlinge vor der Brust. Stacy Deschurowa saß neben ihm. Niemand gab einen Mucks von sich; nicht einmal ein Atemzug war zu hören, als sie auf den Hauptbildschirm starrten.

»Wir müssen jetzt in den Rover zurück«, sagte Jamie. Seine Stimme klang müde und ausgelaugt. »Ich wollte nur sicherstellen, dass ihr alle das seht. Es ist ein Bauwerk, so viel steht fest. Hier hat es intelligente Marsianer gegeben.«

Vijays Hals war trocken, obwohl sie in der heißen, vollgestopfen Kabine schwitzte.

»Ich habe nicht geglaubt, dass es wirklich existiert«, gab Deschurowa mit leiser, hohler Stimme zu. »Bis eure Bilder hereingekommen sind, habe ich nicht geglaubt, dass es wirklich existiert.«

»Es existiert«, sagte Jamie. »Du solltest jetzt Tawara informieren.«

Pete Connors döste in seinem Liegestuhl friedlich vor sich hin. Es war Sonntag Nachmittag. Die Sonne brannte heiß auf ihn herunter, aber die vom Riff hereinkommende Brise war angenehm kühl. Er hatte sich in seinem kleinen tragbaren Fernseher das abendliche Footballspiel der Kansas City Chiefs gegen die Philadelphia Eagles angesehen, war jedoch mitten in einem punktlosen Abwehrkampf eingeschlafen.

Er erwachte, als seine Frau ihn grob an der Schulter rüttelte. »Wa … wasislos?«

Ihre Stirn war gerunzelt. »Anruf vom Büro. Du sollst sofort rüberkommen. Höchste Priorität, sagen sie.«

Connors rappelte sich vom Liegestuhl hoch und wäre dabei fast über seine eigenen Beine gestolpert.

»Was, zum Teufel, ist denn nun wieder los?«, murmelte er.

Er gab seiner Frau einen flüchtigen Kuss auf die Wange, lief von der Veranda um die Ecke zur Garage, sprang auf sein Elektromotorrad und trat wie wild in die Pedale, während er die Siedlungsstraße entlangfuhr, die zur Hauptstra

ße der Insel führte.

Keine zehn Minuten später sah er sich mit großen Augen Jamies Videoaufnahmen von der Felsenbehausung an.

»Ach du lieber Gott«, sagte er ehemalige Astronaut und sank auf einen Stuhl vor dem Bildschirm. »Das ist der absolute Hammer.«

Die Leute, die sich im Kommunikationszentrum mit den Ziegelwänden um ihn scharten, machten ebenfalls große Augen; einige grinsten, anderen stand vor Ehrfucht der Mund offen.

»Überspielen Sie das sofort in die IUK-Zentrale«, sagte Connors.

»In New York ist Samstagabend«, erinnerte ihn einer der Assistenten. »Da haben die bestimmt zu.«

»Vielleicht sollten wir's direkt an die Nachrichtenmedien weiterleiten?«, schlug jemand vor.

»Nein!«, fuhr Connors auf. »Das IUK muss es bekannt geben, nicht wir. Holen Sie mir den Vorstandsvorsitzenden ans Telefon, wo immer er sein mag. Und Li Chengdu in Princeton.«

»Was ist mit Mr. Trumball?«

Connors holte tief Luft. »Ja, Trumball auch. Er wäre ziemlich sauer, wenn wir ihn nicht sofort anrufen würden.«

Walter Laurence nippte an einem Martini, während er das Schmücken des Familienweihnachtsbaums beaufsichtigte.

Früher hatte er diese Aufgabe gefürchtet, aber als Großvater fand er es nun recht spaßig, seinen erwachsenen Kindern dabei zuzusehen, wie sie sich abmühten, ihre frechen Gören daran zu hindern, den Zierat zu zerbrechen und alles endgültig zu ruinieren.

Er saß in seinem Lieblings-Ohrensessel am Kamin und wünschte, es würde schneien. Es hatte schon seit Ewigkeiten kein weißes Weihnachten mehr gegeben, und dabei war der Central Park im Schnee immer so hübsch. Jetzt lag er grau und kahl draußen vor seinem Fenster im neunzehnten Stock und sah schmutzig aus.

Der Butler brachte ihm das Telefon und stellte es behutsam auf den Sherry-Tisch neben dem Ohrensessel. »Tarawa, Sir.« Er sprach es immer noch Ta-ra-wa aus statt so, wie es sich gehörte, stellte Laurence genervt fest.

Laurence fragte sich, was für eine Katastrophe Tarawa dazu bewog, am Samstag vor Weihnachten anzurufen, und drückte auf eine Taste.

Auf dem winzigen Bildschirm erschien Pete Connors'

dunkles Gesicht. Er grinste von einem Ohr zum anderen und zeigte dabei eine Menge weißer Zähne.

»Tut mir Leid, wenn ich störe, aber ich dachte, Sie würden das sofort sehen wollen.«

Es dauerte eine Weile, bis Laurence begriff, was er da sah.

Sobald ihm klar wurde, dass es sich um ein von Marsianern erbautes Dorf handelte, sprang er auf und stieß einen Jubelschrei aus, der seine Angehörigen dermaßen erschreckte, dass sie fast den Weihnachtsbaum umgeworfen hätten.

Dr. Li Chengdu sah seinen Nachbarn mit dem kühlen, distanzierten Blick eines ausländischen Beobachters bei den Weihnachtsvorbereitungen zu. Sie mühten sich ab, bunte Lichterketten über ihre Häuser zu spannen und kunstvolle Dekorationen auf ihren Rasenflächen anzubringen, und verschuldeten sich immer tiefer, indem sie üppige Geschenke kauften und zu viele Parties gaben.

Ab und zu sprachen sie von der religiösen Bedeutung des Festes, aber soweit Li erkennen konnte, bestand dessen eigentlicher Zweck darin, die Umsätze des Einzelhandels in die Höhe zu treiben. Egal. Er genoss die Aufregung und die allgemeine Heiterkeit, obwohl er darunter oft eine Art verzweifelter Entschlossenheit spürte, alles richtig zu machen und glücklich zu sein, ganz gleich, was für Spannungen es in der Familie gab.