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Jamie führte ihn zum nächsten Eingang.

»Geht's da rein?«

»Entweder hier oder bei einem der anderen.«

Dex grunzte und machte Anstalten, sich zu bücken.

»Denk an das Protokoll«, sagte Jamie. »Egal, was wir da drin finden, wir fassen nichts an.«

»Bis auf die Souvenirs«, witzelte Dex.

»Nichts«, wiederholte Jamie klipp und klar.

»Spielverderber.«

Dex kroch durch die niedrige rechteckige Öffnung in der Mauer und achtete darauf, nicht mit den VR-Kameras anzustoßen. Sie hatten beschlossen, dass er sie heute tragen sollte. Jamie ging auf Hände und Knie und krabbelte hinter ihm in die marsianische Behausung hinein. Er stand in einem Raum auf, der sehr geräumig, aber unangenehm niedrig war; die Videokamera an seinem Helm kratzte an der Decke, sodass Jamie sich ein wenig bücken musste.

»Im Basketball würden wir sie schlagen«, meinte Dex und drehte sich langsam um, während er in die Mitte des Raumes trat.

»Die interplanetarische Olympiade«, sinnierte Jamie.

Die fensterlose Kammer war verblüffend hell, aber völlig leer; der Boden war von einer dicken Schicht aus rötlichem Staub bedeckt.

»Wir sollten Proben von diesem Staub nehmen«, sagte Dex.

»Noch nicht.«

»Also wirklich, Jamie! Dieser alte Furz hat doch nicht gemeint, dass wir nicht mal den Staub am Boden anrühren dürften.«

»Klären wir das vorher mit dem alten Furz«, sagte Jamie.

»Oder mit demjenigen, der bei dieser Sache mit uns zusammenarbeitet, wer immer das sein mag.«

Dex schwieg einen Herzschlag lang, dann sagte er leise lachend: »Daheim schlagen sie sich wahrscheinlich gegenseitig tot, um in den Ausschuss zu kommen, der das hier beaufsichtigt.«

Jamie hatte seinen Teil akademischer Machtkämpfe erlebt.

»Da könntest du nicht ganz Unrecht haben, Dex.«

»Ich seh's geradezu vor mir, wie sich die Archäologen und Paläontologen gegenseitig an die Kehle gehen.«

»Wissenschaft in ihrer schönsten Form.«

»Tja«, sagte Dex, »wir werden diese Räume mit Seilen absperren müssen, damit die Touristen nicht durchtrampeln.«

Jamies Herz setzte für einen Schlag aus. »Touristen?«

»Wie im Museum, weißt du«, fuhr Dex fort, »da zeigen sie dir einen Raum, in dem irgendein alter König gewohnt hat.

Sie sperren den Eingang mit Seilen ab, sodass du reinschauen, aber nichts anfassen kannst.«

»Wir dürfen nicht zulassen, dass Touristen hierherkommen«, sagte Jamie.

»Die stehen wahrscheinlich jetzt schon Schlange, Kumpel.

Blättern in ihren Globetrotter-Katalogen, um Raumanzüge und Campingausrüstung für ihre Ferien auf dem Mars zu kaufen.«

»Das ist nicht komisch, Dex.«

Trumball schwieg eine Weile. Dann antwortete er mit leiser Stimme: »Ja. Ich weiß. Aber es wird so kommen, Jamie. Es gibt nichts, was einer von uns beiden tun kann, um das zu verhindern.«

Jamie hatte keine Lust, sich mit Dex zu streiten. Nicht hier, sagte er sich. Nicht jetzt.

»Komm«, sagte er, »sehen wir mal nach, was es hier sonst noch alles gibt.«

»Moment mal eben.« Dex nahm eine Digitalkamera von seinem Gürtel. »Ich mach unterwegs lieber mal ein paar Fotos. Der alte Sesselfurzer wird doch nichts gegen ein Blitzlicht haben, oder was meinst du?«

»Nur zu«, sagte Jamie und dachte: Wir sollten Proben von den Wänden schaben und versuchen, das Alter dieses Bauwerks zu ermitteln. Der Staub ist wahrscheinlich jüngeren Datums, aus unserer Zeit. Aber wie alt ist das Gebäude?

Dex knipste vor sich hin, während Jamie sich langsam im Kreis drehte, sodass die Videokamera an seinem Helm die Kammer in einem vollen DreihundertsechzigGrad-Winkel aufnehmen konnte.

Dann gingen sie leicht gebückt weiter, von einer Kammer zur anderen, mussten sich jedes Mal, wenn sie durch einen der niedrigen Eingänge krabbelten, auf Hände und Knie herablassen, und schluften wie zwei Affen dahin, als sie durch die uralte Behausung streiften und dabei Stiefelabdrücke im rostfarbenen Marssand hinterließen.

Wie alt ist dieses Bauwerk, fragte sich Jamie immer wieder. Wie lange ist es her, dass hier jemand gelebt hat?

Sie betraten eine größere, zentrale Kammer, die eine rechteckige Öffnung in der Decke hatte.

»Ein Lichtschacht«, sagte Jamie. »So kriegen sie Licht in die inneren Räume.«

»Wie bei dem Palast in Knossos«, pflichtete Dex ihm bei.

Jamie nickte. »Minoisch«, murmelte er. »Uraltes Kreta.«

»Da geht's rauf«, sagte Dex und zeigte auf das quadratische Loch.

Aber es gab weder Treppen noch Leitern, die zum nächsten Stockwerk hinaufführten. Allerdings waren die Decken so niedrig, dass Jamie sich am Rand der Öffnung festhalten und darin hochziehen konnte. Trotz der geringen marsianischen Schwerkraft musste er sich bis zum Äußersten anstrengen, aber dann bekam er oben ein Knie auf den Boden, schleppte sich von der Öffnung weg und stand auf.

»Brauchst du Hilfe?«, fragte er Dex.

»Wenn du das kannst, kann ich's auch.« Jamie hörte ihn grunzen und schnaufen, als er heraufkletterte. Schließlich stand er neben ihm.

»Kinderspiel«, keuchte Dex.

Jamie grinste in seinem Helm.

Langsam arbeiteten sie sich bis zum Dach vor und schritten es in seiner ganzen Länge ab. Der wuchtige, schützende Fels war kaum einen Meter über ihren Helmen.

Jamie spürte einen Hauch von Klaustrophobie unter dem massiven, drückenden Gestein, das so dicht über ihm hing.

»Ist alles leer«, sagte Dex. »Kein Möbelstück, kein Korb, keine Tonwaren.«

»Vielleicht ist etwas im Staub begraben«, meinte Jamie. Er wusste, dass er sich an einen Strohhalm klammerte.

»Nee, der Staub ist nicht dick genug, um auch nur eine Tonscherbe zu verbergen.«

»Sie müssen alles mitgenommen haben.«

»Jedenfalls haben sie nichts hier gelassen.«

Das ganze Gebäude war leer. Als wäre es vor Ewigkeiten ausgeräumt worden. Geplündert? Von seinen Erbauern verlassen?, fragte sich Jamie. Warum? Wann?

Und dann kam es ihm erneut mit voller Wucht zu Bewusstsein, und der Gedanke traf ihn so heftig, dass ihm die Knie weich wurden.

Hier haben intelligente Marsianer gelebt! Sie sind vom Boden des Canyons heraufgestiegen und haben diese Behausung erbaut. Wann? Vor wie langer Zeit? Was ist aus ihnen geworden? Wohin sind sie verschwunden?

ABEND: SOL 102

Jamie rutschte unbehaglich auf dem Cockpit-Sitz des Rovers herum und rieb sich die Augen. Er hatte stundenlang vom Kommunikationsbildschirm abgelesen.

»Es kostet mehr Zeit, all diese Botschaften zu beantworten, als wir in dem Dorf verbracht haben«, beschwerte er sich.

Dex saß im Schneidersitz auf seiner Liege. Der Bildschirm des Laptops beschien sein Gesicht. »Jeder will uns gratulieren – und einen Teil des Verdiensts in Anspruch nehmen.«

»Da magst du Recht haben.«

Sie hatten sich die Beantwortung aller Anrufe von der Erde geteilt. Dex erledigte seine Hälfte der Arbeit auf seiner Liege. Jamie merkte, dass ihm der Magen knurrte; ihre übliche Essenszeit war schon lange vorbei. Er hatte bereits einen fünfzehnminütigen Bericht an die Nachrichtenmedien geschickt, von dem jede Station und jede Zeitung, die es wollte, Gebrauch machen konnte. Dabei sah er schon vor sich, wie die Bildredakteure den Bericht auf ein oder zwei kurze Häppchen zusammenstrichen.

»Lass uns eine Pause einlegen und nach dem Essen weitermachen«, schlug Jamie vor.

»Gute Idee – Moment mal! Hier ist was von Pater Di

Nardo in Rom.« Dex brach in Gelächter aus. »Also, was sagt man dazu? Unser jesuitischer Geologe hat's geschafft, zum Vorsitzenden des Archäologenteams ernannt zu werden.

Wenn da nicht jemand kräftig gemauschelt hat.«

»DiNardo? Warte, ich will sehen, was er zu sagen hat.«