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„Seitdem sind bedeutende Fortschritte gemacht worden, Freund Lioren“, antwortete Prilicla freundlich. „Aber ich spüre Ihr Bedürfnis, jede Zeitverschwendung zu vermeiden, und stimme Ihnen in diesem Punkt voll und ganz zu. Deshalb schlage ich vor, daß Sie sich die Ergebnisse nicht nur durch mich ausrichten lassen, sondern Ihnen Pathologin Murchison persönlich Bericht erstattet, da Sie zweifellos Fragen haben werden und ich aufgrund meines egoistischen Bedürfnisses, mich mit angenehmer emotionaler Ausstrahlung zu umgeben, die bedauerliche Angewohnheit habe, immer die positiven Seiten der Umstände hervorzuheben.“

Jetzt schien Liorens ursprünglicher Grund, eine private Unterredung mit Prilicla zu wünschen, nicht mehr stichhaltig zu sein, und ohne sowohl sich selbst als auch den Empathen in große Verlegenheit zu bringen, konnte er den Vorschlag seines Gesprächspartners nicht zurückweisen. Er hatte das Gefühl, das der Empath zweifellos teilte, irgendwie die Entschlußkraft verloren zu haben.

Pathologin Murchison war eine warmblütige Sauerstoffatmerin der physiologischen Klassifikation DBDG mit einem Körper, der die weichen, runden und kopflastigen Formen vieler terrestrischer Frauen aufwies, obwohl sie erheblich kleiner und weniger massiv als Lioren war. Wenn sie nicht für Sonderaufgaben auf dem Ambulanzschiff gebraucht wurde, war sie Thornnastors erste Assistentin. Sie drückte sich klar und präzise aus und verhielt sich respektvoll, ohne unterwürfig zu sein. Zudem hatte sie die etwas ärgerliche Angewohnheit, Fragen zu beantworten, bevor Lioren sie stellen konnte.

Nach den Worten der Pathologin war die Identifikation, Isolierung und Neutralisierung von Krankheitserregern fremder Spezies für Thornnastors Abteilung ein Routineverfahren, aber die Verhaltensmerkmale des cromsaggischen Virus — wie es übertragen wurde, wie es den Körper infizierte und sich in ihm festsetzte und wie es sich vermehrte — waren mit keiner der herkömmlichen Untersuchungsmethoden zu bestimmen. Erst vor kurzer Zeit, als man herausgefunden hatte, daß die Viren entweder bei der Empfängnis oder vor der Geburt durch die Mutter übertragen wurden, waren einige Fortschritte erzielt worden.

„Die Auswirkungen auf die erwachsenen Cromsaggi sind Ihnen ja bekannt, und so, wie es im Moment aussieht, ist jedes einzelne Mitglied der Spezies infiziert“, fuhr Murchison fort. „Bevor die Krankheit ins Endstadium tritt, ist der größte Teil des Körpers von einem blassen Ausschlag und von Entzündungen bedeckt, die von einer zunehmenden, schweren Entkräftung und Mattigkeit begleitet werden, die nur manchmal für einen gewissen Zeitraum durch starke psychische Reize wie Angst und Gefahr überwunden werden können. Die Auswirkungen auf die Kinder sind nicht so offensichtlich, und das hat uns anfänglich zu der Annahme verleitet, sie seien immun, was sich aber als Irrtum herausstellte.

Inzwischen haben wir nämlich festgestellt, daß auch die Kinder und Jugendlichen an Entkräftung und Mattigkeit leiden, obwohl es schwierig ist, dazu Genaues zu sagen, weil wir keine Ahnung haben, wie lebhaft ein junger, nicht infizierter Cromsaggi sein sollte“, setzte Murchison ihren Bericht fort. „Auch zum Alter dieser jungen Patienten können wir — so unglaublich es auch erscheinen mag — keine exakten Angaben machen. Allerdings gibt es physiologische und sprachliche Hinweise, nach denen viele der Kinder nicht annähernd so jung sind, wie sie erscheinen, und nach denen das Alter, das wir anfänglich geschätzt hatten, mit zwei oder drei multipliziert werden müßte, weil die Seuche, außer der allgemeinen Schwächung, die sie hervorruft, die physiologische Entwicklung insgesamt hemmt und den Beginn der Pubertät stark verzögert. Wahrscheinlich hat sie außerdem noch psychologische Auswirkungen, die eine Erklärung für das extrem asoziale Verhalten der Erwachsenen sein könnten, aber auch das bleibt wiederum nichts als reine Spekulation, weil ein normaler und gesunder Cromsaggi von uns erst noch gefunden werden muß.“

„Daß es so einen DCSL gibt, bezweifle ich“, sagte Lioren. „Aber Sie haben davon gesprochen, sowohl auf sprachliche als auch auf physiologische Anhaltspunkte gestoßen zu sein. Wo es die Cromsaggi doch strikt ablehnen, Auskünfte über sich zu erteilen, wie haben Sie denn diese Anzeichen entdecken können?“

„Ein Großteil der Patienten, die Sie zu uns geschickt haben, war jung oder, soweit wir wissen, körperlich noch nicht voll entwickelt“, antwortete Murchison. „Zwar verweigern die Erwachsenen nach wie vor jegliche Zusammenarbeit, aber dafür ist es O'Mara gelungen, mit einigen der jungen Patienten ins Gespräch zu kommen, die in bezug auf sich selbst weniger zurückhaltend waren. Weil der Standpunkt dieser DCSLs jedoch sehr unreif ist, bleiben die Motivationen der Erwachsenen weiterhin unklar, und das Bild, das sich allmählich von der cromsaggischen Zivilisation entwickelt, ist verwirrend und voller.“

„Pathologin Murchison“, schnitt ihr Lioren das Wort ab, „mich interessiert mehr das klinische als das kulturelle Bild, also beschränken Sie sich bitte darauf. Der Grund, warum ich die Rhabwar gebeten habe, so viele junge — oder anscheinend nicht mehr so junge — Patienten ins Orbit Hospital zu bringen, war der, daß sie zu der großen Zahl Cromsaggi gehörten, die entweder ihre Eltern verloren hatten oder von keinem Erwachsenen versorgt worden sind. Sie haben nicht nur an Unterernährung und unter dem ständigen Leben im Freien gelitten — unter Zuständen also, die man erfolgreich behandeln kann — , sondern auch Symptome einer Infektion der Atemwege gezeigt, zu denen auch erhöhte Körpertemperatur zählte, sowie einer Auszehrung, die das äußere Gefäß- und das Nervensystem angegriffen hatte. Wenn Thornnastors Untersuchung der Seuche zu keinen Ergebnissen führt, was ist dann mit diesen anderen und — wie ich doch meinen möchte — medizinisch weniger komplizierten Krankheiten, die anscheinend nur die jungen DCSLs bekommen?“

„Oberstabsarzt Lioren“, sagte die Pathologin in bestimmtem, aber höflichem Ton, wobei sie Liorens Rang und Namen zum erstenmal aussprach, „ich habe nicht behauptet, daß wir keine Fortschritte machen.

Sämtliche junge DCSLs werden untersucht, und dabei erzielen wir sogar bedeutende Fortschritte“, fuhr sie schnell fort. „Einer unserer jungen Patienten, der Symptome dieser typischen Infektion der Atemwege aufweist, hat zwar vorerst nur schwach, aber durchaus positiv auf die Behandlung angesprochen. Doch unsere Hauptbemühungen sind darauf gerichtet, ein spezifisches Heilmittel für das Leiden der Erwachsenen zu finden, weil deutlich geworden ist, daß die Krankheiten, von denen die jungen Cromsaggi derzeit befallen sind, von den natürlichen Abwehrkräften ihres Körpers bekämpft werden und nicht länger lebensbedrohend sein würden, wenn man die starke Schwächung und die Hemmung des Wachstums durch die Seuche beseitigen könnte.“

Wenn man schon so viel wußte, dann waren wirklich Fortschritte erzielt worden, dachte Lioren anerkennend.

„Allerdings sind die bisher durchgeführten Versuche erfolglos gewesen“, fuhr Murchison fort. „Anfangs ist das Medikament in winzigen Mengen verabreicht und der Zustand der Patienten die üblichen fünfzig Stunden lang laufend überwacht worden, bevor die Dosis erhöht wurde, bis beide Patienten am neunten Tag innerhalb weniger Augenblicke nach der Injektion das Bewußtsein verloren haben.“

Sie machte eine kurze Pause, um Prilicla einen Blick zuzuwerfen, und setzte dann, nachdem sie offenbar ein Zeichen bekommen hatte, das Lioren nicht wahrnehmen konnte, ihre Ausführungen fort. „Daraufhin sind beide Patienten in einiger Entfernung von den übrigen und auch voneinander isoliert worden, um auf diese Weise die Überlagerung ihrer emotionalen Ausstrahlung durch die der anderen DCSLs auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Nach Doktor Priliclas Bericht ist die Bewußtlosigkeit der beiden Patienten außerordentlich tief gewesen, aber es hat keine Anzeichen für eine unterbewußte Verzweiflung gegeben, die vorhanden gewesen wäre, wenn sie im Sterben gelegen hätten. Doktor Prilicla hat die Ansicht geäußert, daß diese Bewußtlosigkeit die Patienten vielleicht stärke, da sie alle Merkmale des Schlafs nach einer langen körperlichen Belastungsphase aufweise, und hat deshalb eine intravenöse Ernährung vorgeschlagen. Wenige Tage nachdem man diesen Vorschlag in die Tat umgesetzt hatte, ist bei den Patienten ein geringfügiges Abklingen der Symptome und Anzeichen für eine leichte Geweberegeneration festzustellen gewesen, obwohl sich beide weiterhin in tiefer Bewußtlosigkeit und kritischem Zustand befunden haben.“