Fünf Tage später erhielt er endlich eine Antwort, nach der die Tenelphi losgeschickt worden sei und auf Cromsag in schätzungsweise fünfunddreißig Stunden eintreffen werde. Sie befördere ein Medikament, das noch nicht vollständig auf seine Langzeitwirkungen hin getestet sei und bei dem es sich um ein spezifisches Heilmittel gegen die schwereren, lebensbedrohlicheren Symptome der Seuche handle. Die Einzelheiten der pathologischen Untersuchung und die Behandlungshinweise seien dem Medikament beigelegt.
Während der darauffolgenden Aufregung überdachte Lioren seine Pläne für die schnelle Verteilung des Medikaments. Dracht-Yur ließ sich sogar dazu erweichen, ihm zu gestatten, sich vom Lazarett ins Kommunikationszentrum der Vespasian verlegen zu lassen, erlaubte ihm aber nicht, eine Verschlimmerung seiner Verletzungen zu riskieren, indem er auf Cromsag in Beförderungsmitteln, die für die tarlanische Physiologie vollkommen ungeeignet waren, durch die Luft flog oder übers Land fuhr. Doch die allgemeine Erleichterung und Euphorie hielt nur bis zum Eintreffen der Tenelphi an.
Zwar hatte das Aufklärungsschiff mehr als genug von dem Spezifikum gegen die Seuche an Bord, das nur ein einziges Mal intravenös verabreicht werden mußte, um jeden Cromsaggi auf dem Planeten zu behandeln, doch Lioren war die Benutzung des Mittels so lange untersagt, bis man weitere Feldversuche durchgeführt hatte.
Thornnastor, dem Leiter der Pathologie, zufolge hatte man mit der Verabreichung einer minimalen Dosis sehr gute physiologische Erfolge erzielt, aber es gab auch Hinweise auf die Möglichkeit schädlicher Nebenwirkungen. So hatte man Anzeichen von geistiger Verwirrung und Zeiträume, in denen die Patienten nicht bei vollem Bewußtsein gewesen waren, beobachtet. Zwar könnten sich diese Begleiterscheinungen als nur vorübergehend herausstellen, aber auf jeden Fall waren noch weitere Untersuchungen erforderlich.
Nach der einmaligen Injektion waren in den darauffolgenden Tagen ein leichtes, aber stetiges Abklingen der Symptome, eine allmähliche Verbesserung der Lebenszeichen und Spuren einer Regeneration von Gewebe und Organen zu verzeichnen. In den Zeiträumen, in denen sie nicht bei vollem Bewußtsein gewesen waren, hatten die Versuchspersonen Nahrungsmittel in Mengen verlangt und verzehrt, die angesichts des Magenvolumens und des Gesundheitszustands der Betreffenden ungewöhnlich groß erschienen waren. Das Körpergewicht der Patienten hatte dabei ständig zugenommen.
In ähnlicher Weise hatten die noch nicht erwachsenen Testpersonen auf das Spezifikum angesprochen, auch was die vorübergehende Bewußtlosigkeit betraf, die von kurzen Phasen unterbrochen worden war,
in denen die Patienten nur halb bewußtlos und geistig verwirrt gewesen waren, mit dem einen Unterschied, daß die jungen DCSLs im Verhältnis zu ihrer Größe noch mehr zu essen verlangt hatten als die erwachsenen. Tägliche Messungen hatten ergeben, daß sowohl ihre Körpergröße als auch Länge und Umfang der Gliedmaßen zugenommen hatten.
Daß sich die noch nicht erwachsenen Patienten mit dem allmählichen Abklingen der Seuche, die das körperliche Wachstum gebremst hatte, wieder zu der für das jeweilige Alter optimalen Größe entwickeln würden, hielt man für wahrscheinlich. Die Zeitspannen, in denen sie bewußtlos waren und das Denken beeinträchtigt wurde, stellten eine Reaktion auf das Verlangen des Körpers nach größter Ruhe während dieser Regenerationsphasen dar und waren somit nur von geringer klinischer Bedeutung. Das Medikament wurde nur in geringsten Mengen angewandt, doch durch eine ganz minimale Erhöhung der Dosis bei einer Versuchsperson verstärkten und beschleunigten sich die bereits festgestellten Wirkungen. Trotz der bisherigen ausgezeichneten physiologischen Erfolge gaben die mit ihnen verbundenen Perioden geistiger Verwirrung zu der Sorge Anlaß, daß die Nebenwirkungen des Medikaments zu langfristigen Gehirnschäden führen könnten.
Thornnastor entschuldigte sich für die Übersendung eines Medikaments, das er noch nicht vollständig für die Anwendung freigegeben habe, erklärte aber, Liorens Hyperraumfunksprüche hätten nachdrücklich die Dringlichkeit der Lage betont, und deshalb sollten die letzten Tests gleichzeitig auf Cromsag und im Orbit Hospital durchgeführt werden, um zwischen der Zulassung des Medikaments und der Verabreichung an die Patienten mehrere Tage Transportzeit einzusparen.
„Ich bin angewiesen worden, Versuche an maximal fünfzig Cromsaggi vorzunehmen“, sagte Lioren, als er Thornnastors Bericht an die höheren medizinischen Offiziere weitergab. „Der Kreis der Testpersonen soll eine möglichst große Bandbreite an verschiedenen Altersgruppen und Gesundheitszuständen abdecken, genauso wie die innerhalb dieser Gruppe verabreichte Dosis geringfügig variieren soll. Besondere Aufmerksamkeit müssen wir dem Geisteszustand der Probanden in den Zeiträumen zuwenden, in denen sie nicht bei vollem Bewußtsein sind, in der Hoffnung, daß sich das Maß der geistigen Verwirrung vermindert, wenn sie sich nicht in der fremden und zweifellos verunsichernden Umgebung des Orbit Hospitals befinden, sondern unter Mitgliedern der eigenen Spezies auf ihrem Heimatplaneten. Die Anfangsphase des Tests wird zehn Tage in Anspruch nehmen, woraufhin eine weitere.“
„In zehn Tagen würden wir ein Viertel der restlichen Bevölkerung verlieren, die ohnehin schon um zwei Drittel geschrumpft ist, seit die Tenelphi diesen von Crutath verfluchten Planeten entdeckt hat“, fiel ihm Dracht-Yur plötzlich ins Wort, dessen bellende Redeweise sogar durch den Translator wütend klang. „Die sterben da draußen wie. wie die.“
„Genau das habe ich auch gedacht“, sagte Lioren, wobei er sich den Verweis verkniff, den der Nidianer für seine schlechten Manieren verdient gehabt hätte, und sich vornahm, die Bedeutung des Worts ̃̄„Crutath“ herauszufinden. „Das ist eine Überlegung, die Sie sicherlich alle angestellt haben. Aber nicht unsere gemeinsamen Ansichten sind der Grund dafür, weshalb ich Thornnastor nicht gehorchen und seine Empfehlungen mißachten werde. Die Entscheidung liegt nicht bei Ihnen. Natürlich werde ich Ihrem fachlichen Rat Gehör schenken und ihn annehmen, falls er begründet ist, aber die Anweisung, die Sache in Angriff zu nehmen, und die Verantwortung für alles, was sich daraus ergibt, liegt voll und ganz bei mir.
Was ich vorhabe zu tun, ist folgendes.“
Da Lioren seinen Plan mit großer Sorgfalt und Aufmerksamkeit fürs Detail aufgestellt hatte, rief er keine Kritik hervor, und die ihm angebotenen Ratschläge waren — eigenartigerweise, da sie einem Vorgesetzten von Untergebenen erteilt wurden — eher persönlicher als fachlicher Natur. Man riet ihm, Thornnastor zwar zu gehorchen, aber gleichzeitig einen Kompromiß einzugehen, indem er den Versuch nicht bloß an fünfzig, sondern an ein paar hundert oder vielleicht sogar tausend DCSLs durchführen solle, und behauptete, daß das von ihm zuvor befürwortete Verfahren kaum dazu beitragen werde, sich auf eine spätere Beförderung Hoffnungen machen zu können. Lioren war stark versucht, diesem Rat zu folgen, wenn auch weniger aus irgendeiner Sorge um seine zukünftige Laufbahn heraus als vielmehr aus Respekt für die Worte eines Lebewesens, bei dem es sich, wie es hieß, um den führenden Pathologen der Föderation handelte, aber er war sich nicht sicher, ob Diagnostiker Thornnastor die Dringlichkeit des cromsaggischen Problems voll bewußt war. Bei dem Leiter der Pathologie am Hospital handelte es sich um einen Perfektionisten, der es nie zulassen würde, daß eine unvollständige Arbeit seine Abteilung verließ, und Lioren die Erlaubnis zu erteilen, bei dem Versuchsprogramm behilflich zu sein, war wahrscheinlich der einzige Kompromiß, den er überhaupt eingehen konnte. Aber einem großen massigen Tralthaner, der, wie es hieß, in seinem mit Daten vollgestopften Kopf permanent die Gehirnaufzeichnungen von wenigstens zehn medizinischen Kapazitäten fremder Spezies gespeichert hatte, konnte man ein gewisses Maß an geistiger Verwirrung verzeihen.