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Es handelte sich um den Teil einer Einführungszeremonie, um eine Vorbereitung und eine formalisierte sexuelle Aufklärung, die den frisch geschlechtsreif gewordenen Jugendlichen vor dem Eintritt ins Erwachsenenleben gegeben wurde, wozu auch eine Belehrung über das Verhalten gehörte, das man danach von ihnen erwartete.

Hastig brach Lioren die Verbindung ab. Der Ritus des Übergangs von der Pubertät ins Erwachsensein galt in den Kulturen vieler intelligenter Spezies als ein hochsensibler Bereich, einer, in den einzudringen er nicht berechtigt war. Wenn er wirklich vorhaben sollte, nur noch aus lüsterner Neugier weiter zuzuhören, könnte er plötzlich seine Selbstachtung verlieren.

Nichtsdestoweniger war er erleichtert, daß sich im Lazarett bis auf zwei noch recht kleine Kinder, die nur wenig älter als Säuglinge waren, ausschließlich männliche Cromsaggi befanden.

In den folgenden Tagen wurden keine Todesfälle gemeldet, aber den Boden- und Luftfahrzeugen, die seit über acht Tagen und Nächten ständig im Einsatz gewesen waren, ging es nicht so gut. Die Nahrungssynthesizer auf der Vespasian und den medizinischen Stationen außerhalb des Schiffs liefen auf maximal zulässiger Überbelastung, ein Zustand, der normalerweise nicht für mehr als ein paar Stunden zulässig war. Sämtliche Mitarbeiter des Unternehmens wiesen Anzeichen von Stress und schwerer Erschöpfung auf, arbeiteten aber mit nahezu optimaler Leistungsfähigkeit, obwohl sie nur selten die Muße fanden, sich miteinander zu unterhalten, und hin und wieder im Stehen zu schlafen schienen. Allen Beteiligten wurde rasch klar, daß sich dieser Großeinsatz als ein Erfolg erwies, da kein einziger Angehöriger der mittlerweile nur noch aus Patienten bestehenden Bevölkerung mehr im Sterben lag. Dieses Wissen war für alle der Treibstoff und das Schmiermittel, durch die sie selbst und die gesamte Maschinerie in Gang gehalten wurden.

Zwar war es für sie alle ärgerlich, aber nicht wichtig, daß die Cromsaggi keine Dankbarkeit für das zeigten, was man für sie tat, wenn man davon absah, daß die DCSLs die am Vortag bereitgestellten Lebensmittelvorräte stets restlos zu verdrücken pflegten. Die kurze Erklärung der Behandlung und den beruhigenden Hinweis auf den letztendlich erfolgreich verlaufenden Heilprozeß, die die Patienten bei jedem Besuch erhielten, den man ihnen abstattete, um die Nahrungsvorräte aufzufüllen, überhörten sie einfach. Unverhohlen feindlich waren sie nicht, es sei denn, einer der Ärzte versuchte, ihren Kreislauf zu überprüfen oder ihnen eine Blutprobe zu entnehmen; in solchen Fällen wehrten sie sich sogar sehr heftig gegen die betreffende Person.

Sie waren wirklich eine äußerst undankbare und alles andere als liebenswerte Spezies, wie Lioren nicht zum erstenmal dazu einfiel. Doch sein Problem war ihr physiologischer und nicht ihr psychologischer Zustand, und dieses Problem löste sich allmählich.

Von selten des Orbit Hospitals herrschte zu diesem Thema weiterhin Schweigen.

Wie sich Thornnastor bei seinen relativ wenigen Patienten langsam und vorsichtig einer Behandlungsphase näherte, über die Lioren bereits bei der gesamten Planetenbevölkerung hinaus war, konnte sich der Oberstabsarzt gut vorstellen. Damit wollte er gar nichts über den tralthanischen Pathologen gesagt haben, bei dem es sich schließlich um jene Person handelte, die für die Herstellung des Heilmittels gegen die Seuche verantwortlich war. Hätte Lioren jedoch Thornnastors Empfehlungen nicht ignoriert und das Mißfallen seiner Vorgesetzten aufs Spiel gesetzt, wären inzwischen viele hundert Cromsaggi gestorben. Und die Lösung, die er sich für das Problem ausgedacht hatte, war — ohne falsche Bescheidenheit seinerseits — wahrhaft elegant gewesen.

Durch die von ihm berechneten unterschiedlichen Stärken der verabreichten Dosen, die auf Alter, Körpergewicht und klinischen Faktoren beruhten, war sichergestellt worden, daß sich junge wie alte DCSLs gleichzeitig auf dem Weg zu einer vollständigen Heilung befanden. Trotz seines Ungehorsams war sich Lioren sicher, daß seine Maßnahme eher Lob als Tadel verdiente.

Am folgenden Tag sandte er in aller Frühe eine kurze Nachricht an den Stützpunkt des Monitorkorps auf Orligia sowie ans Orbit Hospital, in der er um zusätzliche Nahrungssynthesizer und Ersatzteile für die Boden- und Luftfahrzeuge bat und außerdem mitteilte, daß seit acht Tagen kein einziger Cromsaggi mehr gestorben sei und ein vollständiger Bericht zusammen mit einem medizinischen Offizier, der die Situation auf Cromsag aus eigener Erfahrung kenne, von der Tenelphi zum Hospital gebracht werde. Die Bitte um weitere Nahrungssynthesizer und der plötzliche Rückgang der Sterblichkeit würden Thornnastor verraten, was Lioren getan hatte, und der medizinische Offizier des Aufklärungsschiffs wäre dann in der Lage, die Wissenslücken des Tralthaners mit Einzelheiten zu stopfen.

Dracht-Yur hatte die ganze Zeit sehr gute und harte Arbeit geleistet und ihm zu befehlen, sich wieder den normalen Aufgaben auf der Tenelphi zuzuwenden, wäre für ihn sowohl eine Erholung als auch eine wohlverdiente Belohnung für seine Anstrengungen. Darüber hinaus würde der Stabsarzt durch diese Maßnahme von der Bildfläche verschwinden und Lioren, dessen Wunden gut verheilten, somit die Möglichkeit verschaffen, endlich der lästigen medizinischen Quarantäne zu entrinnen, die ihm von dem kleinen Nidianer auferlegt worden war.

Bevor sich Lioren an diesem Abend zur Ruhe begab, stellte er draußen vorm Schiffslazarett die übliche Wache auf. Eigentlich war diese Vorsichtsmaßnahme überflüssig, da sich bisher keiner der Cromsaggi dafür interessiert hatte, was sich außerhalb des Eingangs befand, doch Captain Williamson hielt sie für notwendig, für den Fall, daß sich einer der jungen DCSLs entschloß, auf Entdeckungsreise zu gehen, und sich womöglich an der Schiffsausrüstung verletzte. Morgen wollte Lioren zu den außerhalb gelegenen medizinischen Unterkünften fliegen und die Lage zum erstenmal seit dem peinlichen Mißgeschick mit den beiden sich paarenden Cromsaggi selbst in Augenschein nehmen.

Glückwunsch, mein Junge, dort wirst du endlich Zeuge werden, wie sich die Heilung der Cromsaggi ihrem Abschluß nähert, gratulierte sich Lioren mit einer Mischung aus Freude und Stolz selbst.

Am nächsten Morgen stattete er noch kurz vor dem Abflug des bereitstehenden Flugzeugs dem Lazarett einen Besuch ab, weil er den Zustand seiner Patienten überprüfen wollte. Doch zu seinem großen Entsetzen mußte er feststellen, daß Boden und Wände vom Blut der Cromsaggi bespritzt und alle erwachsenen DCSLs tot waren. Nachdem der Wachmann am Eingang von heftigem Brechreiz übermannt worden war, berichtete er, bis weit in die Nacht hinein leise Stimmen und Singen gehört zu haben, woraufhin für eine Zeitlang ununterbrochene Stille eingetreten sei, die er darauf zurückgeführt habe, daß die Patienten eingeschlafen seien. Doch aus dem Zustand, in dem sich die Leichen befanden, wurde jetzt klar ersichtlich, daß die DCSLs statt dessen gekämpft und sich gegenseitig in aller Stille getreten, gebissen, zerfleischt und erschlagen hatten, bis nur noch die beiden kleinen Mädchen übriggeblieben waren.

Lioren versuchte noch, sich von dem Schock zu erholen und sich klarzumachen, daß er nicht schlief und gerade einen besonders entsetzlichen Traum hatte, als plötzlich der Wandlautsprecher neben ihm geräuschvoll zum Leben erwachte. Der Oberstabsarzt wurde aufgefordert, sich sofort ins Kommunikationszentrum zu begeben, und darüber informiert, daß sich das von den DCSLs selbst inszenierte Blutbad im Schiffslazarett überall auf Cromsag wiederholt habe.

Schon sehr bald wurde deutlich, daß Oberstabsarzt Lioren nicht für die Heilung, sondern für die Tötung der gesamten Bevölkerung eines Planeten verantwortlich war.

5. Kapitel

Als Lioren seinen Bericht beendet hatte, herrschte vollkommene Stille im Saal. Auch wenn allen Anwesenden bereits jede schreckliche Einzelheit der Vorgänge auf Cromsag und Liorens Verantwortlichkeit für diese Katastrophe bekannt war, reichte die bloße Wiederholung aus, um jedes zivilisierte Lebewesen vor Schreck verstummen zu lassen.