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konnte das innere Sekretionssystem, das durch die Seuche fast gänzlich lahmgelegt worden war, wieder zu einer annähernd normalen Tätigkeit angeregt werden. Unabhängig von den Verletzungen, die der betreffende DCSL im Kampf davongetragen hatte, konnte dieser Zustand so lange beibehalten werden, wie es für eine erfolgreiche Paarung und Zeugung nötig war.

Doch trotz dieser furchtbaren Lösung, die die DCSLs gefunden hatten, nahm die Zahl der an der Seuche gestorbenen Erwachsenen weiterhin zu und die Geburtenrate stetig ab. Die Bevölkerungszahl wurde genauso wie das bewohnte Gebiet immer kleiner, da sämtliche Cromsaggi auf einen Kontinent zogen, um das wenige zu erhalten, das von ihrer Zivilisation und ihren Errungenschaften übriggeblieben war, und um in bequemer Entfernung zum Kämpfen zueinander zu sein. Archäologische Spuren deuten darauf hin, daß die Cromsaggi anfangs nicht kriegerisch gewesen waren, doch die Notwendigkeit, zu kämpfen und sich oftmals auch gegenseitig umzubringen, damit die Spezies insgesamt überleben konnte, hatte sie dazu gemacht; und zu dem Zeitpunkt, als die Tenelphi sie entdeckt hatte, war der Brauch des Zweikampfs zwischen allen erwachsenen DCSLs der Spezies schon seit vielen Jahrhunderten in Fleisch und Blut übergegangen.

„Obwohl die Entscheidung aus dem verständlichsten aller medizinischen Gründe heraus, nämlich viele Leben zu retten, getroffen worden ist, waren die Folgen der Einleitung einer vollständigen und kurzzeitigen Heilbehandlung gegen die Seuche ohne vorherige Kenntnis dieser geistig-seelischen Ausrichtung nicht vorauszusehen“, fuhr Thornnastor fort. „Möglicherweise — und darin stimmt Chefpsychologe O'Mara mit mir überein — haben die Cromsaggi, die behandelt worden sind, gemerkt, daß sie sich besser und kräftiger gefühlt haben als je zuvor, und unterbewußt muß ihnen klar geworden sein, daß für sie keine Notwendigkeit mehr bestand, zu kämpfen und sich gegenseitig in größtmögliche Gefahr zu bringen, um zu sexueller Erregung zu kommen. Aber seit vielen Jahrhunderten war ihnen von Kindesbeinen an beigebracht worden, der Paarung mit einem Angehörigen des anderen Geschlechts gehe ein Zweikampf mit einem gleichgeschlechtlichen Cromsaggi voraus, und das stellt einen Grad der geistig-seelischen Ausrichtung dar, der der Macht eines evolutionären Gebots unterliegt. Je mehr sich daher ihr Gesundheitszustand verbesserte, desto stärker wurde der Drang, zu kämpfen und sich fortzupflanzen. Die vielen jungen DCSLs, bei denen die Auswirkungen der Seuche die körperliche Entwicklung gehemmt hatten und die plötzlich geschlechtsreif geworden waren, haben denselben Zwang zu kämpfen verspürt.

Doch die eigentliche Tragödie hat darin bestanden, daß die DCSLs einzeln wie auch als Gruppe vollständig geheilt waren und über mehr Kraft verfügten, als ein Cromsaggi seit dem Ausbruch der Seuche je zuvor besessen hatte“, setzte der Tralthaner seine Ausführungen fort. „Vorher waren sie schwach und krank gewesen und hatten nur einen Bruchteil der körperlichen Leistung vollbringen können, zu der sie jetzt in der Lage waren. Ihre neugewonnene Kraft hat die Angst vor Schmerzen und vor dem Tod verringert und es ihnen zugleich erschwert, das Ausmaß der dem Gegner zugefügten oder der von ihm erhaltenen Verletzungen im voraus abzuschätzen. Da der Kontrahent auf einmal genauso stark und somit ebenbürtig war, haben sich als Folge davon sämtliche Erwachsenen auf Cromsag gegenseitig umgebracht, und nur die Säuglinge und Kinder sind am Leben geblieben.

Das sind in aller Kürze und Einfachheit die Hintergründe des Vorfalls auf Cromsag“, schloß Thornnastor.

Das Schweigen, das auf Thornnastors Bericht folgte, wurde immer länger und tiefer, bis das schwache Blubbern, das das tiefkühlende Lebenserhaltungssystem eines SNLU unter den Zuhörern von sich gab, in der Stille laut erschien. Es war wie das auf Tarla übliche Schweigen zum Gedenken an einen verstorbenen Freund, nur daß es sich hier um die gesamte Bevölkerung eines Planeten handelte, die umgekommen war, und es hatte den Anschein, als ob keiner der Anwesenden diesen feierlichen Moment stören wollte.

„Bei allem Respekt gegenüber dem Gericht bitte ich, das Verfahren ohne weitere Diskussion und Zeitvergeudung hier und jetzt einzustellen“, ergriff Lioren plötzlich das Wort. „Ich bin des fahrlässigen Völkermords angeklagt. Es steht außer Frage und gibt keinen Zweifel, daß ich schuldig bin und die Schuld voll und ganz bei mir liegt. Deshalb fordere ich für mich die Todesstrafe.“

Bevor Lioren zu Ende gesprochen hatte, war O'Mara aufgesprungen. „Die Verteidigung möchte den Angeklagten gern in einem sehr wichtigen Punkt korrigieren“, sagte der Chefpsychologe. „Oberstabsarzt Lioren hat keinen Völkermord begangen. Als sich der Vorfall ereignete, hat er unter den gegebenen Umständen schnell und richtig reagiert, indem er das Hospital gewarnt und die Rettung und Betreuung der gerade zu Waisen gewordenen cromsaggischen Kinder organisiert hat, und das, obwohl viele seiner eigenen Leute von den kriegerischen Auseinandersetzungen dermaßen überrascht worden waren, daß sie nicht rechtzeitig das Betäubungsgas einsetzen konnten und bei ihren Versuchen, die Kämpfe zu beenden, schwer verwundet worden sind. In dieser Zeit hat sich der Oberstabsarzt beispielhaft verhalten, und auch wenn die Zeugen hier nicht zugegen sind, ihre Aussagen sind dem Zivilgericht auf Tarla vorgelegt und von ihm zugelassen worden und sind in den Akten.“

„Diese Aussagen werden ja gar nicht bestritten“, fiel ihm Lioren ungeduldig ins Wort. „Sie sind für diesen Prozeß aber nicht von Belang.“

„Aufgrund dieser rechtzeitigen Warnung und der sich daran anschließenden Maßnahmen sind die im Hospital behandelten Cromsaggi voneinander getrennt worden, bevor sie sich gegenseitig angreifen konnten“, fuhr O'Mara fort, ohne auf Liorens Einwand einzugehen, „und die jungen DCSLs wurden sowohl hier als auch auf Cromsag gerettet. Insgesamt siebenunddreißig Erwachsene und zweihundertdreiundachtzig Kinder sind gesund und munter, wobei der Anteil der beiden Geschlechter in etwa ausgeglichen ist. Ich habe keinen Zweifel, daß die Cromsaggi nach einer langen Zeit der Umerziehung, Wiederansiedlung und fachlichen Hilfe bei der Überwindung der geistig-seelischen Ausrichtung wieder ganz Cromsag bevölkern können und zu einem friedlichen Zusammenleben zurückkehren werden.

Daß der Angeklagte in dieser Angelegenheit eine geradezu erdrückende Schuld empfindet, ist verständlich“, fuhr der Psychologe mit leiserer Stimme fort. „Wäre das anders, hätte er nicht dieses Militärgericht zusammentreten lassen. Aber möglicherweise hat ihn die schwere Schuld, die er an dem Vorfall auf Cromsag zu haben glaubt, zusammen mit seinem dringenden Bedürfnis, sich von dieser Schuld zu befreien, sowie dem ungeduldigen Verlangen, für das angebliche Verbrechen bestraft zu werden, dazu veranlaßt, seinen Fall derart übertrieben darzustellen. Als Psychologe kann ich seine Gefühle und die Bemühungen, der Belastung durch die Schuld zu entkommen, verstehen und nachempfinden. Und ich bin mir sicher, ich brauche das Gericht nicht daran zu erinnern, daß von den fünfundsechzig intelligenten Spezies, aus denen die Föderation besteht, keine einzige an einem Gefangenen eine gerichtlich angeordnete Exekution oder körperliche Bestrafung vornimmt.“

„Selbstverständlich haben Sie diesbezüglich recht, Major O'Mara“, stellte der Flottenkommandant fest. „Dieser Hinweis ist allerdings überflüssig und reine Zeitverschwendung. Fassen Sie sich also kurz.“

O'Maras Gesichtsfarbe wurde etwas dunkler, und er sagte: „Die Cromsaggi sind nicht ausgestorben und werden auch weiterhin als Spezies überleben. Oberstabsarzt Lioren ist also allenfalls der Übertreibung schuldig, aber nicht des Völkermords.“

Ganz plötzlich wurde Lioren von Wut, Verzweiflung und einer furchtbaren Angst gepackt. Er heftete ein Auge auf O'Mara, richtete die anderen drei jeweils auf einen Offizier des Gerichts und zwang sich innerlich zur Ruhe und Klarheit, als er sagte: „Die Übertreibung — diese kleine Ungenauigkeit, die nur eine furchtbare Wahrheit vereinfachen sollte — spielt keine Rolle, weil die Ungeheuerlichkeit meiner Schuld gar nicht mehr zu ermessen ist. Und ich brauche Major O'Mara wohl nicht an die Strafe zu erinnern, die jedes Mitglied des Ärztestabs erhält, dessen Unachtsamkeit oder mangelnde Beobachtung zur Verschlechterung des Gesundheitszustands oder gar zum Tod eines Patienten führt, und die zwar nicht darin besteht, den Betreffenden zu exekutieren, aber immerhin darin, seine berufliche Zukunft zu zerstören.