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„Das ist sehr nett von Ihnen“, bedankte sich Lioren. Indem er die Worte sorgsam wählte, fuhr er fort: „Natürlich interessiert mich die chirurgische Vorgehensweise der Nallajimer und besonders, wer dieser.“

„Ich dachte, ihr Psychologen wißt immer alles über jeden“, unterbrach ihn Tarsedth, deren Fell durch ihre starken Gefühle in heftige Bewegung geriet. „Sie haben Cresk-Sars Bericht über uns gelesen, wußten also, daß ich hier bin und meine Freizeit dafür opfere, mich mit den Operationsverfahren fremder Spezies vertraut zu machen. Daß ich mich bemühe, unseren miesen, kleinen nidianischen Ausbilder mit meinen Kenntnissen und meinem Interesse für dieses Fachgebiet zu beeindrucken, damit er mir den Wunsch erfüllt, im neuen ELNT-OP auf der dreiundfünfzigsten Ebene zu arbeiten, und auch wegen der frühzeitigen Beförderung, die das mit sich bringen würde, ist Ihnen ebenfalls bekannt. Es würde mich nicht überraschen, wenn Sie von O'Mara oder Cresk-Sar hierhergeschickt worden wären.

Ihr Psychologen wißt zwar alles“, schloß Tarsedth, wobei sich ihr Fell beunruhigt zu Stacheln aufrichtete, „sagt aber nie einen Ton.“

Lioren unterdrückte seine Wut, indem er sich noch einmal vor Augen hielt, daß die Kelgianerin nicht anders konnte, als offen ihre Meinung zu sagen, und seine Antwort fiel diesbezüglich genauso schonungslos und ehrlich aus.

„Ich bin hergekommen, um Seldal bei der Arbeit zuzusehen, und interessiere mich weder für Ihre Zukunftspläne noch für Ihre Methoden, diese voranzutreiben“, antwortete er. „Cresk-Sars letzten Bericht habe ich heute morgen bekommen, und durch die Lektüre habe ich, wie auch schon aus früheren Berichten, in peinlichster Genauigkeit und in den langweiligsten Einzelheiten von Ihren Fortschritten erfahren. Zudem bin ich mir bewußt, daß die Informationen in Ihrer Akte vertraulich sind und mit niemandem außerhalb meiner Abteilung besprochen werden dürfen. Dennoch möchte ich Ihnen sagen, daß Sie ausgesprochen.“

Plötzlich vibrierte die Sprechmembran des Hudlarers. „Lioren, seien Sie vorsichtig!“ fiel er dem Tarlaner ins Wort. „Falls Sie über Informationen verfügen, die nicht bekanntgemacht werden dürfen, obwohl Ihnen die Gründe dafür nicht als therapeutisch zweckvoll, sondern als völlig unsinnig und rein verwaltungstechnisch erscheinen, erinnern Sie sich bitte daran, daß Sie wieder ein Auszubildender sind und Ihre Zukunft genau wie unsere davon abhängt, unsere Abteilungsleiter bei guter Laune zu halten oder sie zumindest nicht durch Ungehorsam oder Aufsässigkeit mutwillig gegen uns aufzubringen.

Tarsedth bemüht sich wirklich ernsthaft um diese Beförderung und ist über das, was sie für eine unnötige Geheimnistuerei hinsichtlich ihrer Chancen hält, äußerst verärgert“, fuhr der FROB schnell fort. „Dennoch würde selbst sie nicht wollen, daß Sie ihre Hoffnungen bestätigen oder zunichte machen, wenn diese Auskunft zu Ihrer Entlassung führen würde. Wie die anderen Lernschwestern und Krankenpflegeschüler, die sich ausnahmslos in aller Ausführlichkeit über Sie unterhalten haben, glaubt auch Tarsedth, daß für Sie die einzige Hoffnung, sich mit Ihrem furchtbaren Problem abzufinden, darin besteht, am Hospital zu bleiben.

Hüten Sie also bitte Ihre Zunge, Lioren!“ warnte er zum Schluß.

Für einen Augenblick legte ein plötzlicher Gefühlsausbruch Liorens Sprachzentrum lahm. Anscheinend war die Abneigung des medizinischen Personals gegenüber den Mitarbeitern der psychologischen Abteilung nicht allgemein. Doch durfte er nicht vergessen, daß er eigentlich hierhergekommen war, um Informationen über Seldal zu sammeln, und die beste Möglichkeit, das zu tun, wäre vielleicht, diese beiden Wesen in eine Situation zu bringen, durch die sie ihm verpflichtet wären.

„Wie ich vorhin sagen wollte, darf ich nicht über geheime Unterlagen sprechen“, fuhr Lioren fort, „ob sie sich nun auf die verborgenen Gedankengänge einer Krankenschwester in der Ausbildung beziehen oder auf den fähigen und hochgeachteten Chefarzt Cresk-Sar.“ Tarsedth stieß einen Laut aus, der vom Translator nicht übersetzt wurde, doch dafür machte ihr sich unregelmäßig kräuselndes Fell deutlich, was sie von ihrem Hauptausbilder hielt.

„Trotzdem hindert Sie das keineswegs daran, solche Fragen mit Ihresgleichen zu erörtern oder Theorien über die eigene zukünftige Laufbahn aufzustellen, die auf dem Wissen beruhen, das man sich in der Vergangenheit durch die persönliche Bekanntschaft mit dem betreffenden Wesen aus erster Hand angeeignet hat“, setzte Lioren seine Ausführungen fort. „Sie könnten damit beginnen, sich zu überlegen, daß Cresk-Sar schon seit unzähligen Jahren dafür bekannt ist, der fachlich kompromißloseste und persönlich unangenehmste Ausbilder des ganzen Personals zu sein, der mehr als alle anderen mit Leib und Seele bei der Sache ist und dessen peinliche Genauigkeit sämtliche Rekorde bricht; und daß seine Auszubildenden zwar die schwersten geistigen und emotionalen Qualen erleiden müssen, ihre Prüfungen aber nur selten nicht bestehen. Vielleicht aus Angst, von den vielversprechendsten Schülern enttäuscht zu werden, weil sie nicht ihre volle Leistungsfähigkeit erreichen, läßt er gerade sie die schlimmsten Unannehmlichkeiten erdulden. Vielleicht halten Sie sich auch vor Augen, daß Cresk-Sar ausschließlich an seinen Lehrauftrag denkt und deshalb seine Schüler sogar häufig in ihrer Freizeit stört und nach ihren Fortschritten fragt. Außerdem könnten Sie über den Eindruck nachdenken, den irgendein hypothetischer Schüler, der offenbar ehrgeizig, begeistert oder dumm genug ist, seine gesamte Freizeit zu opfern und sogar auf eine Mahlzeit zu verzichten, wie Sie es tun, bei einem derartigen Ausbilder hinterläßt, indem er durch dieses Verhalten dessen Bestreben unterstützt.

Nachdem Sie selbst all diese Umstände sorgsam erwogen haben“, fügte Lioren hinzu, „könnten Sie zu der Überzeugung gelangen, daß Ihr hypothetischer Schüler keinen Grund zur Sorge hat, und rein hypothetisch sähe ich mich dann gezwungen, Ihnen zuzustimmen.“

„Lioren, Sie verletzen die Vorschriften oder legen Sie zumindest sehr weit aus“, sagte Tarsedth, deren Fell sich beruhigte und jetzt langsame, erleichterte Wellen schlug. „Und ehrgeizig mag ich ja sein, aber dumm bin ich nicht; ich habe nämlich ein Lunchpaket eingepackt. Aber der da.“ — sie deutete mit dem Kopf auf den Hudlarer — „ist hierhergekommen, ohne sich sein Nahrungspräparat mitzunehmen. Entweder wird er sich gegenüber der Oberschwester äußerst höflich und zurückhaltend — was immer das für einen Hudlarer heißt — benehmen und sie darum bitten müssen, ihn schnell zu besprühen, oder er wird unsere nächste Unterrichtsstunde nicht mehr erleben.“

„Ich bin immer höflich und zurückhaltend, besonders Oberschwestern gegenüber, die von vergeßlichen und hungrigen FROBs, die auf der Suche nach einer milden Gabe zu den unmöglichsten Zeiten auftauchen, allmählich genug haben“, wehrte sich der Hudlarer scherzhaft. „Zwar wird mir die Schwester kritische, vielleicht sogar persönlich beleidigende Worte an den Kopf werfen, mir meine Bitte aber nicht abschlagen. Schließlich würde ihre Station keine guten Eindruck machen, wenn mitten auf dem Flur ein Hudlarer aus Nahrungsmangel zusammenbricht.“

Lioren musterte den FROB jetzt genauer, dessen glatter und unglaublich massiger Körper trotz der sechs weit auseinandergesetzten Tentakel allmählich absackte. Die FROBs lebten auf einem Planeten mit großer Schwerkraft und einem verhältnismäßig hohen atmosphärischen Druck. Die Atmosphäre des Planeten ähnelte einer dickflüssigen Suppe, in der es von winzigen, schwebenden Nahrungspartikeln wimmelte, die die FROBs durch einen Absorptionsmechanismus aufnahmen, der den gesamten Rücken und die Seiten des Körpers bedeckte. Da es sich bei den Hudlarern um eine Spezies mit einem hohen Energieverbrauch handelte, mußte diese Nahrungsaufnahme ununterbrochen erfolgen. In den Umweltbedingungen auf anderen Planeten und im Hospital selbst hatte es sich als praktischer herausgestellt, sie in regelmäßigen Abständen mit dem Nahrungspräparat zu besprühen. Möglicherweise hatte dieser Hudlarer seine Energiereserven gefährlich gering werden lassen, weil er Seldals Operation so spannend gefunden hatte.