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„Neugier wäre nur eine Todesursache unter vielen“, stellte Lioren gelassen fest, wobei er einen Blick auf den Körper und das Gesicht mit den jugendlichen Augen warf, die beide vom Alter gezeichnet waren.

Der Patient stieß einen unübersetzbaren Laut aus. „Wenn ich es richtig verstanden habe, besteht Ihr Problem darin, daß Sie während Ihres zweiten und viel längeren Besuchs bei dem Groalterri, vermutlich im Austausch gegen persönliche Angaben zu sich selbst und zu den Planeten und Mitgliedspezies der Föderation, jede Menge Informationen über den Patienten, seine Artgenossen und seine Kultur erhalten haben. Viele dieser Auskünfte sind unpersönlicher und medizinischer Natur und haben sowohl für den behandelnden Arzt des Groalterris als auch für die Kontaktspezialisten des Monitorkorps einen äußerst hohen Wert. Sie selbst jedoch halten sich für verpflichtet, nichts zu verraten. Aber sicherlich wissen Sie, daß weder Sie noch der Patient das Recht haben, derartige Informationen zurückzuhalten.“

Mit einem Auge musterte Lioren die Biosensoren und hielt nach Anzeichen für Atembeschwerden nach diesem langen Monolog Mannons Ausschau, konnte aber keine entdecken.

„Bei persönlichen Dingen ist das natürlich was anderes“, fuhr Mannon fort. „Mein damaliger Versuch, Sie zur Verkürzung meiner Wartezeit zu überreden, durfte natürlich nicht allgemein bekannt werden, weil er nur mich selbst betroffen hat und keinen Einfluß auf die Behandlung eines Patienten einer neu entdeckten Spezies hatte und sich erst recht nicht auf deren zukünftige Beziehungen zur Föderation auswirkte. Bei den medizinischen oder nichtmedizinischen Informationen, zu denen Sie durch die Äußerungen des Groalterris oder durch eigene Schlußfolgerungen gelangt sind, handelt es sich hingegen um Kenntnisse, die sich auf nichts Persönliches beziehen. Also haben Sie kein Recht, diese für sich zu behalten. Sie sollten jedermann zugänglich sein, genau wie die Funktionsprinzipien unserer Scanner oder der Hyperantriebsgeneratoren allen zur Verfügung stehen, die in der Lage sind, sie zu verstehen und die Geräte oder Maschinen gefahrlos zu bedienen, auch wenn der Hyperantrieb in der schlechten alten Zeit als streng geheim eingestuft worden ist, was immer das auch bedeutet hat. Aber Wissen ist, na ja, eben Wissen. Sie könnten genausogut versuchen, ein Naturgesetz geheimzuhalten. Haben Sie schon versucht, das alles dem Groalterri zu erklären?“

„Ja“, antwortete Lioren. „Aber als ich ihm vorgeschlagen habe, die unpersönlichen Teile unseres Gesprächs auch anderen Wesen zugänglich zu machen, und ihm erklärte, daß dies keinen Vertrauensbruch darstelle, weil es zweifellos unmöglich wäre, jeden einzelnen Groalterri auf seinem Heimatplaneten um Erlaubnis zu bitten, diese Informationen preiszugeben, sagte er, er müsse sich seine Antwort erst noch sorgfältig überlegen. Ich bin mir sicher, daß er uns gern helfen würde, aber vielleicht hindern ihn irgendwelche religiösen Zwänge daran, und ich will keinesfalls an einer ablehnenden Reaktion schuld sein, nur weil ich wieder einmal meine Ungeduld nicht zügeln konnte. Sollte der FLSU wütend werden, ist er sogar imstande, ein Loch in die Außenwand der Station zu schlagen, wodurch sie zum Weltraum hin geöffnet werden würde.“

„Ja, ich weiß“, sagte Mannon mit entblößten Zähnen. „Kinder können manchmal ganz schöne Wutanfälle bekommen, egal, wie groß sie zufällig sind. Was die Frage der Religion angeht, so glauben viele Terrestrier.“

Er verstummte, weil in diesem Moment in dem kleinen Zimmer ein wahrer Ansturm von Besuchern einsetzte. Zuerst erschien Chefpsychologe O'Mara, dem Chefarzt Seldal folgte und gleich dahinter Prilicla, der hereingeflogen kam und sich mit den spinnenartigen Beinen, die an den Spitzen mit Saugnäpfen versehen waren, an die Zimmerdecke heftete, wo der zerbrechlich wirkende Körper durch unbedachte Bewegungen seiner körperlich größeren und kräftigeren Kollegen weniger gefährdet war. O'Mara nahm Liorens Anwesenheit zur Kenntnis, nickte ihm kurz zu und beugte sich über den Patienten.

„Wie ich höre, reden Sie wieder mit anderen Leuten und möchten insbesondere mit mir sprechen, um mich um einen Gefallen zu bitten, Mannon“, begrüßte O'Mara den ehemaligen Diagnostiker mit einer derart sanften Stimme, wie sie Lioren nie zuvor von ihm gehört hatte. „Wie geht es Ihnen, alter Freund?“

Mannon entblößte die Zähne und blickte mit zur Seite geneigtem Kopf in Seldals Richtung. „Mir geht's gut. Aber warum fragen Sie nicht meinen Arzt?“

„Die Symptome sind zwar vorübergehend ein wenig abgeklungen“, antwortete Seldal, bevor O'Mara die Frage offiziell stellen konnte, „doch das Krankheitsbild hat sich nicht wesentlich geändert. Der Patient sagt zwar, es gehe ihm besser, aber das muß eine Selbsttäuschung sein, und unabhängig davon, ob er hier auf der Station bleibt oder irgendwo anders hin verlegt wird, er könnte jederzeit sterben.“

O'Maras Äußerung, Mannon wolle ihn um einen Gefallen bitten, beunruhigte Lioren. Wie er fürchtete, handelte es sich um denselben Gefallen, um den ihn Mannon bereits selbst gebeten hatte, nur würde der Wunsch nach einem baldigen Tod jetzt öffentlicher vorgebracht werden, und darüber war Lioren nicht nur traurig, er schämte sich auch. Doch der Empath Prilicla reagierte nicht so, wie es Lioren in solch einer gefühlsgeladenen Situation erwartet hätte.

„Nach der emotionalen Ausstrahlung von Freund Mannon zu urteilen, dürfte für einen Psychologen und auch sonst niemanden der geringste Grund zur Besorgnis bestehen“, erklärte Prilicla gerade, wobei die rollenden Schnalzlaute seiner Sprache wie eine musikalische Untermalung der Übersetzung klangen. „Freund O'Mara muß nicht daran erinnert werden, daß ein denkendes und fühlendes Wesen aus Körper und Geist besteht und ein höchst motivierter Geist den betreffenden Körper stark beeinflussen kann. Trotz des pessimistischen Krankheitsbildes geht es Freund Mannon tatsächlich gut.“

„Na, was habe ich Ihnen gesagt?“ triumphierte Mannon und blickte O'Mara erneut mit entblößten Zähnen an. „Mir ist völlig klar, daß es sich hier um eine Untersuchung meines Gesundheitszustands handelt, bei der Seldal beharrlich beteuert, daß ich bald sterben müsse, Prilicla genauso beharrlich entgegenhält, mir gehe es blendend, und Sie versuchen werden, zwischen den beiden als Schiedsrichter zu fungieren. Aber in den letzten Tagen habe ich hier drinnen unter einer nichtmedizinischen und tödlichen Langeweile gelitten, und ich will hier raus. Natürlich wäre ich nicht in der Lage zu operieren und könnte nur die geringsten körperlichen Anstrengungen auf mich nehmen. Aber ich bin immer noch imstande, zu unterrichten und Cresk-Sar einen Teil der Last abzunehmen, und die technischen Mitarbeiter könnten für mich eine fahrbare Schutzhülle mit Scheiben aus Sicherheitsglas und Schwerkraftneutralisatoren entwickeln. Ich würde viel lieber bei irgendeiner Tätigkeit sterben als in Untätigkeit hier im Krankenzimmer, und ich.“

„Mein alter Freund, legen Sie doch um Himmels willen mal eine Atempause ein“, fiel ihm O'Mara ins Wort, wobei er einen Finger hochhielt, um auf die Anzeigen der Biosensoren zu deuten.

„Ich bin keineswegs so hilflos, wie ich erscheine“, fuhr Mannon nach der kürzesten Atempause aller Zeiten fort. „Ich wette, Prilicla könnte ich noch jederzeit im Armdrücken besiegen.“

Eins von den unglaublich zerbrechlich wirkenden Vordergliedern des Cinrusskers löste sich von der Zimmerdecke und streckte sich nach unten, so daß die dünnen Finger einen Augenblick auf Mannons Stirn ruhten. „Freund Mannon, Sie könnten auch verlieren“, warnte ihn Prilicla.

Daß der Gefallen, um den Mannon bat, weder Unehre noch Schande über den Namen des ehemaligen Diagnostikers brachte, freute und erleichterte Lioren sehr. Gleichzeitig hatte er jedoch das selbstsüchtige Gefühl eines drohenden Verlustes, und zum erstenmal, seit die anderen das Zimmer betreten hatten, meldete er sich selbst zu Wort.

„Doktor Mannon, ich würde gerne. Das heißt, darf ich immer noch mit Ihnen sprechen?“ fragte er den alten Terrestrier.