„Nicht, bevor Sie sich zuerst einmal mit mir unterhalten haben“, wandte O'Mara energisch ein, wobei er Lioren finster anblickte.
An der Decke begann Prilicla zu zittern. Er löste die Saugnäpfe, vollführte einen tadellosen halben Looping und flog langsam auf die Tür zu. „Wie mir meine empathischen Fähigkeiten verraten, werden meine Freunde O'Mara und Lioren bald in einen Wortstreit verwickelt sein, bei dem ganz bestimmt Emotionen ausgestrahlt werden, die für mich qualvoll wären. Lassen wir die beiden allein, Freund Seldal, damit sie ihren Streit beilegen können.“
„Und was ist mit mir?“ fragte Mannon, als sich die Tür hinter den beiden Chefärzten geschlossen hatte.
„Sie sind der Gegenstand dieser Auseinandersetzung, alter Freund“, sagte O'Mara. „Sie müßten eigentlich im Sterben liegen. Was genau hat Ihnen dieser. dieser psychologische Lehrling angetan oder gesagt, um bei Ihnen diesen verrückten Drang hervorzurufen, daß Sie sich wieder an die Arbeit machen wollen?“
„Keine zehn Pferde bringen mich dazu, darauf zu antworten“, erwiderte Mannon mit abermals entblößten Zähnen.
Lioren fragte sich, welche Bedeutung eine nichtintelligente Spezies terrestrischer Vierbeiner für das Gespräch hatte, und kam zu dem Schluß, daß die Äußerung etwas anderes heißen mußte als das, was ihm der Translator übersetzt hatte.
O'Mara wandte sich an den Tarlaner und sagte: „Lioren, ich verlange einen sofortigen mündlichen und später einen ausführlicheren schriftlichen Bericht über sämtliche Gespräche, die zwischen Ihnen und diesem widerborstigen Patienten stattgefunden haben, sowie über alle Begleitumstände. Fangen Sie an.“
Es lag keineswegs in Liorens Absicht, ungehorsam oder aufsässig zu sein, indem er sich zu sprechen weigerte, es war einfach so, daß er mehr Zeit brauchte, um das, was er sagen konnte, von dem zu trennen, was er auf keinen Fall verraten durfte. Doch O'Maras gelbrosa Gesicht hatte eine dunklere Farbe angenommen, und er gestand Lioren keine Bedenkzeit zu.
„Nun machen Sie schon“, drängte ihn O'Mara ungeduldig. „Ich weiß, daß Sie Mannon in Zusammenhang mit der Untersuchung von Seldals Verhalten befragt haben. Das ist ein sehr naheliegender Schritt gewesen. Wenn Sie allerdings, wie es all seinen anderen Besuchern ergangen ist, von Mannon ignoriert worden wären, hätte diese Entscheidung die Gefahr geborgen, daß Sie dem Patienten verraten, was Sie tun.“
„Aber genau das ist passiert, Sir“, unterbrach ihn Lioren, der wußte, daß sie jetzt bei einem ungefährlichen Thema angelangt waren, bei dem er zu verweilen hoffte. „Doktor Mannon und ich haben meine Aufgabe bezüglich Seldal ausführlich besprochen, und auch wenn die Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist, deuten doch alle bisherigen Anzeichen darauf hin, daß Doktor Seldal seelisch und geistig vollkommen gesund ist und.“
„Jedenfalls für einen Chefarzt.“, warf Mannon ein.
O'Mara stieß einen verärgerten Laut aus. „Nun vergessen Sie mal die Untersuchung für einen Moment, Lioren. Was mich jetzt beunruhigt, ist, daß Seldal bei seinem todkranken Patienten eine deutliche, nichtmedizinische Veränderung festgestellt hat, die er den Gesprächen mit meinem auszubildenden Psychologen zuschreibt. Hinterher hat er Sie sogar darum gebeten, auch mit seinem groalterrischen Patienten zu sprechen, der zwar über eine größere körperliche Widerstandskraft als Mannon verfügt, aber genauso schweigsam gewesen ist. Das wiederum hatte zur Folge, daß Sie den Gebrauch der Aufnahmegeräte verboten haben, als sich der FLSU mit Ihnen unterhalten hat.
Erzählen Sie mir sofort den Inhalt der Gespräche zwischen Ihnen und diesen beiden Patienten, die beim Groalterri zur Veränderung des Verhaltens und bei einem Sterbenden zu diesem. diesem seltsamen Akt konstruktiven Wahnsinns geführt haben“, forderte ihn der Chefpsychologe mit leiser, aber sehr deutlicher Stimme auf, in einer Sprechweise, die Tarlaner als ̃̄„schreien im Flüsterton“ bezeichneten.
Äußerst sanft legte O'Mara eine seiner Hände auf Mannons Schulter, und noch leiser fügte er hinzu: „Das will ich sowohl aus beruflichen als auch aus persönlichen Gründen wissen.“
Erneut suchte Lioren in Gedanken nach den passenden Worten, bis er bereit war zu sprechen.
„Bei allem Respekt, Major O'Mara“, antwortete er schließlich vorsichtig, „in einigen Teilen der Gespräche zwischen mir und den Patienten ist es zwar auch um unpersönliche Dinge gegangen, die ich Ihnen aber nur mitteilen könnte, wenn die Patienten ihre Zustimmung dazu geben. Leider kann ich Ihnen das übrige, das für Sie als Psychologen vermutlich von primärem Interesse ist, nicht verraten, und ich werde es auch nicht.“
Während Liorens Ausführungen war O'Maras Gesicht abermals dunkler geworden, hatte sich aber nach und nach wieder aufgehellt. Schließlich hob der Chefpsychologe auf einmal in der eigentümlichen Weise der Terrestrier mit einem Ruck die Schultern in die Höhe, ließ sie ruckartig in die Ausgangsposition zurückfallen und verließ wortlos das Zimmer.
15. Kapitel
„Sie stellen ununterbrochen Fragen“, beschwerte sich der Groalterri.
Bei solch einem, riesengroßen Lebewesen war es unmöglich, Veränderungen des Gesichtsausdrucks festzustellen, selbst wenn die gewaltigen Züge dazu in der Lage gewesen wären, und von der Gebärdensprache hatte Lioren bisher nur wenige Ausdrucksformen verstehen lernen können.
„Ich beantworte auch Fragen, wenn man mir welche stellt“, entgegnete er.
Unter ihm und rings um ihn zuckten straff zusammengerollte Tentakel wie riesige organische Bergketten bei einem leichten Erdbeben und verfielen wieder in Reglosigkeit. Lioren war nicht übermäßig beunruhigt, da ein Wutanfall, wie ihn der FLSU beim ersten Besuch gehabt hatte, bisher nicht wieder vorgekommen war.
„Ich habe keine Fragen“, sagte der Patient. „Meine Neugier wird vom großen Gewicht der Schuld, die auf mir lastet, erdrückt. Und jetzt verschwinden Sie endlich.“
Als Zeichen seiner Bereitschaft zu gehorchen zog sich Lioren zurück, aber nur ein kurzes Stück, um zu verstehen zu geben, daß er sich trotzdem noch unterhalten wollte.
„Indem ich meine eigene Neugier oder auch die der anderen stille, vergesse ich wenigstens eine Zeitlang meine Schuld. Vielleicht könnte ich Ihnen helfen, daß Sie Ihre Schuld ebenfalls für eine Weile vergessen, indem ich einfach Fragen beantworte, die Sie nicht stellen“, schlug er vor.
Der Patient rührte sich nicht, noch sagte er einen Ton, und Lioren verstand diese Form der negativen Reaktion wie schon bei früheren Gelegenheiten als zögernde Einwilligung und fuhr fort.
Da die Groalterri aufgrund ihrer Physiologie keine Raumflüge unternehmen konnten, erzählte Lioren dem FLSU von einer Spezies, die gleichermaßen gehandikapt war, und von noch anderen Wesen, denen Interstellarreisen eigentlich unmöglich sein müßten, was aber nicht der Fall war. So berichtete er ihm von den großen Schichtkreaturen auf Drambo, deren gewaltige Körper wachsen konnten, um wie lebendige Teppiche die Fläche eines ganzen Subkontinents zu bedecken. Diese Spezies benutzte als Augen Millionen von Pflanzen, die die oben liegende Körperfläche in eine lichtempfindliche Schicht verwandelten, und verfügte trotz ihres pflanzlichen Metabolismus, durch den die Körperbewegungen so langsam vonstatten gingen, über einen finken und scharfen Verstand.
Er erzählte ihm von den bösartigen, unglaublich gewalttätigen Beschützern der Ungeborenen, die vom Augenblick der Geburt in einer ungeheuer grausamen Umwelt bis zum Tod aus Altersschwäche oder wegen des Unvermögens, sich vor dem zuletzt geborenen Nachkommen zu schützen, weder schliefen noch zu kämpfen aufhörten. Doch in solch einer organischen Kampf- und Tötungsmaschine steckte ein Embryo mit einem großartigen, reichen und liebenswürdigen telepathischen Geist, der durch die telepathische Verbindung mit anderen Ungeborenen lernte und dessen Fähigkeit zu denken nach der langen Schwangerschaft durch die Geburt tragischerweise zerstört wurde.