Khone schnaufte kurz, was der Translator selbstverständlich nicht übersetzte. „Solche völlig falschen und übertriebenen Komplimente sind der Ärztin seit dem Vorspiel zur ersten Paarung nicht mehr gemacht worden. Dem Tarlaner ist doch bestimmt klar, daß es sich bei der gogleskanischen Ärztin weder um eine Lehrmeisterin noch um eine Führerin noch um sonst jemanden mit irgendwelchen besonderen Fähigkeiten handelt, nicht wahr? Das, was der Auszubildende anzudeuten versucht, ist geradezu lächerlich!“
„Der Tarlaner weiß aber auch, daß die Ärztin das einzige Mitglied ihrer Spezies ist, das dem gogleskanischen Teufel die Stirn geboten und die geistig-seelische Ausrichtung der FOKTs insofern durchbrochen hat, als daß sie an einen Ort wie das Orbit Hospital gekommen ist, einen Ort, an dem es von gräßlichen, wenn auch wohlmeinenden Lebewesen wimmelt, von denen die meisten schrecklicher aussehen als das bedrohliche Raubtier, das in der Erinnerung der Gogleskaner herumspukt“, entgegnete Lioren. „Und der Auszubildende stimmt auch deshalb nicht zu, weil die Ärztin ganz offensichtlich über besondere Fähigkeiten verfügt.
Denn wie sie zweifelsfrei bewiesen hat, kann eine Gogleskanerin, die früher in ständiger Angst vor der unmittelbaren Annäherung eines Artgenossen gelebt hat, die Furcht vor vielen der Wesen, die hier im Orbit Hospital leben und einem Alptraum entsprungen zu sein scheinen, überwinden, sie mit etwas Übung und großer Willensstärke verstehen und sogar Umgang mit ihnen pflegen“, fuhr Lioren fort, bevor Khone irgendwie reagieren konnte. „Ist es, da die Dinge so liegen, nicht möglich oder sogar wahrscheinlich, daß diese Gogleskanerin einmal in der Lage sein wird, ihre Fähigkeiten zu erkennen und anderen FOKTs zu vermitteln, die ihre Lehren mit der Zeit über ganz Goglesk verbreiten werden, bis schließlich diese bedrohlichen Raubtiere alle Macht über den Geist der Gogleskaner verlieren?“
„Das ist genau das, was Conway glaubt“, antwortete Khone. „Aber ist es nicht ebenfalls wahrscheinlich, daß die Anhänger behaupten werden, die Lehrerin habe einen Gehirnschaden, und sie allenfalls Angst vor den großen Veränderungen haben werden, die sie an den eigenen Gewohnheiten und der Geisteshaltung vornehmen müßten? Sollte die Lehrerin ihre Bemühungen unbeirrt fortsetzen, das Denken ihrer Anhänger in neue und unangenehme Bahnen zu lenken, wird man sie womöglich verjagen und ihr schwere Verletzungen oder etwas noch Schlimmeres zufügen.“
„Leider gibt es auch für ein solches Verhalten Beispiele, doch wenn die Lehre gut ist, überlebt sie den Lehrmeister“, gab Lioren zu bedenken. „Und außerdem sind die Gogleskaner im Grunde eine gutmütige Spezies. Deshalb sollte die Lehrerin weder Angst haben noch verzweifelt sein.“
Da Khone nichts darauf antwortete, fuhr Lioren fort: „Es ist eine Binsenweisheit, daß ein Patient in jedem Krankenhaus stets auf andere stößt, die sich in noch schlechterer Verfassung befinden als er selbst, und aus dieser Erkenntnis ein wenig Trost zu schöpfen pflegt. Das gleiche gilt auch für notleidende Planeten. Folglich irrt sich die Ärztin auch, wenn sie glaubt, einzig und allein Goglesk sei vom Schicksal — oder welche Macht sie sonst dafür verantwortlich hält — verflucht.
Da gibt es zum Beispiel die Cromsaggi“, fuhr Lioren fort, wobei er trotz der tumultartig wachgerufenen Erinnerungen, die durch das letzte Wort ausgelöst worden waren, einen ruhigen Ton beibehielt, „deren Fluch es war, ständig krank zu sein und fortwährend Krieg zu führen, weil Zweikämpfe die einzige Behandlung gegen ihre Krankheit gewesen sind. Und dann gibt es die Beschützer, die in jeder Sekunde ihres Lebens als Erwachsene kämpfen, jagen und gedankenlos töten. Im Vergleich mit diesen Wesen erscheinen die seit langem ausgestorbenen Raubtiere von Goglesk geradezu als zahm. Dennoch leben in diesen furchtbaren organischen Tötungsmaschinen — nur allzu kurz — die telepathischen Ungeborenen, die sanftmütig, feinfühlig und in jeder Hinsicht zivilisiert sind. Das Problem der Cromsaggi, das sich im wesentlichen um die innere Sekretion gedreht hat, hat Diagnostiker Thornnastor gelöst, so daß die wenigen Überlebenden dieser Spezies nun nicht mehr dazu verurteilt sind, widerwillig einen endlosen Krieg zu führen. Diagnostiker Conway hat dafür gesorgt, die Beschützer der Ungeborenen aus der Falle zu befreien, die ihnen die Evolution gestellt hat, doch alle glauben, daß die Schwierigkeiten der Gogleskaner noch einfacher zu beheben wären.“
„Diese Probleme sind bereits alle erörtert worden“, schnitt ihm Khone das Wort ab, deren pfeifende Sprechweise beim Reden in eine immer höhere Tonlage geriet. „Auch wenn die Lösungen komplex sind, so beziehen sie sich doch auf chirurgische oder medizinische Umstände, die körperlich behandelt werden können. Auf Goglesk stellte sich die Situation aber anders dar, denn das dortige Problem läßt sich nicht auf irgendwelche physische Weise beheben. Der wichtigste Bestandteil des genetischen Erbguts hat es der Spezies nämlich erst ermöglicht, seit den Zeiten vor der Entwicklung von Intelligenz zu überleben, und dieser Teil kann nicht einfach zerstört werden. Das Unheil, das die FOKTs zur Selbstzerstörung und in die selbst auferlegte Einsamkeit treibt, war schon immer da und wird auch immer da sein. Auf Goglesk hat es nie einen Gott gegeben, sondern nur den Teufel.“
„Der Auszubildende möchte wiederholt darauf hinweisen, daß sich die Ärztin möglicherweise irrt“, sagte Lioren. „Aus Furcht durch seine Unkenntnis auf dem Gebiet des religiösen Glaubens der Gogleskaner Anstoß zu erregen, zögert er, da dieser Glaube vielleicht von der.“
„Momentan erregt der Tarlaner nur Ungeduld“, unterbrach ihn Khone, „aber Anstoß wird die Gogleskanerin nicht nehmen.“
Einen Moment lang versuchte Lioren verzweifelt, sich an die Informationen zu erinnern, die er sich vor kurzem über den Bibliothekscomputer beschafft hatte, und sie zu ordnen. „In der gesamten Föderation wird allgemein gelehrt und geglaubt, daß es dort, wo das Böse ist, auch das Gute gibt und ohne einen Gott kein Teufel existieren kann. Dieser Gott wird für das allwissende und allmächtige, aber auch mitleidsvolle höchste Wesen und den Schöpfer aller Dinge gehalten, und man stellt ihn sich als unsichtbar, jedoch allgegenwärtig vor. Wenn sich also auf Goglesk nur der Teufel zeigt, bedeutet das nicht zwangsläufig, daß kein Gott da ist; denn alle Glaubensrichtungen — egal, von welcher Spezies sie vertreten werden — stimmen darin überein, daß man nach Gott zuallererst in sich selbst suchen muß.
Die Gogleskaner kämpfen schon gegen ihren Teufel, seit sie Intelligenz entwickelt haben“, fuhr Lioren fort. „Manchmal haben sie verloren, doch in letzter Zeit haben sie häufiger kleine Siege errungen. Es könnte sein, daß es einen einzigen Teufel gibt und viele, die ihren Gott, ohne es zu wissen, in sich tragen.“
„Genau das hat Conway auch erzählt“, sagte Khone. „Aber der Diagnostiker tritt für eine moderne Medizin ein und empfiehlt eine strengere Schulung in den geistigen Disziplinen. Ist Goglesks Wohltäter unfähig, an Gott oder unseren Teufel oder an irgendeine andere Form unkörperlicher Macht zu glauben?“
„Vielleicht“, antwortete Lioren. „Aber egal, an was er glaubt, an der Art seiner Hilfe ändert das nichts.“
Khone schwieg so lange, daß sich Lioren schon fragte, ob das Gespräch nun vorbei sei. Er hatte das starke Gefühl, die Gogleskanerin wollte etwas sagen, und als sie dies schließlich tatsächlich tat, waren ihre Worte mehr als eine Überraschung für ihn.
„Wenn der Tarlaner von seinem eigenen Glauben erzählte, wäre das für die gogleskanische Ärztin eine zusätzliche Beruhigung“, sagte Khone.
„Der Tarlaner kennt viele verschiedene Glaubensrichtungen, die sowohl von seiner eigenen Spezies als auch von denen anderer Planeten vertreten werden, doch diese Kenntnisse hat er erst vor kurzem erworben, und sie sind lückenhaft und vielleicht sogar falsch“, begann Lioren behutsam. „Zudem hat er in der Geschichte der verschiedenen Religionen herausgefunden, daß es sich bei derartigen Überzeugungen, wenn an ihnen festgehalten wird, um reine Glaubensfragen handelt, die durch eine logische Beweisführung nicht verändert werden können. Ist der Glaube sehr stark, kann die Diskussion anderer Glaubensrichtungen Anstoß erregen. Der Tarlaner möchte niemanden verletzen und hat nicht das Recht, den Glauben anderer in irgendeiner Weise zu beeinflussen oder gar in Frage zu stellen. Aus diesen Gründen würde er es vorziehen, wenn die Gogleskanerin den Anfang machte, indem sie ihren Glauben beschreibt.“