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O'Mara stieß zwar einen unübersetzbaren Laut aus, sagte aber nichts. Lioren ließ sich durch die Unterbrechung nicht stören und fuhr fort: „Hellishomar ist ein Messerheiler, die groalterrische Entsprechung eines Chirurgen, und hat mir und gegenüber den Aufzeichnungsgeräten auf der Station bewiesen, wie harmonisch seine Muskeln zusammenwirken und wie äußerst genau er sie beherrscht, auch wenn seine chirurgische Arbeit nach unseren Maßstäben wegen der erheblichen Unterschiede zwischen seiner und unserer Körpergröße grob erscheint. Für die unkoordinierten Bewegungen oder die geistige Verwirrung, mit der normalerweise bei einem geschädigten oder auf andere Weise abnormen Gehirn zu rechnen ist, hat es jedenfalls keinerlei Anzeichen gegeben. Obwohl er noch ein unreifes Mitglied einer Spezies ist, deren erwachsene Gehirne unermeßlich höher entwickelt sind als unsere, hat er im Gespräch einen Verstand offenbart, der beweglich ist, klare Gedanken faßt und durchaus die subtileren philosophischen, religiösen und ethischen Fragen diskutieren kann, die während unserer Unterhaltungen aufgeworfen wurden. Das ist, wie ich zugeben muß, nicht das körperliche Verhalten und auch nicht das Denken, das man von jemandem erwartet, der seit der Geburt ein geschädigtes Gehirn hat. Meiner Ansicht nach liegt nur bei den telepathischen Fähigkeiten ein Defekt vor, und ich halte es für höchst wahrscheinlich, daß die Abnormität, die ihn verursacht, örtlich beschränkt ist und operiert werden kann.“

Wiederum nahm die Szenerie im Büro des Chefpsychologen die Züge eines Standbilds an. „Fahren Sie fort“, drängte Conway.

„Zum erstenmal haben die Groalterri die Föderation kontaktiert, damit wir am Orbit Hospital einen ihrer kranken Nachkommen heilen“, setzte Lioren seine Ausführungen fort. „Vielleicht hoffen sie, daß Hellishomar vollständig geheilt werden kann. Wir sollten unser Bestes geben, sie nicht zu enttäuschen.“

„Wir sollten unser Bestes geben, den Patienten nicht umzubringen“, stellte Conway klar. „Wissen Sie eigentlich, was Sie da verlangen?“

Bevor Lioren etwas sagen konnte, beantwortete Thornnastor die Frage. „Dazu wird die Untersuchung eines lebendigen Gehirns erforderlich sein, das bei vollem Bewußtsein ist und über das wir nicht das geringste wissen,

weil uns für eine vorherige Untersuchung keine Leichen von jungen Groalterri zur Verfügung stehen. Wir werden nach organischen Abnormitäten suchen müssen, wo wir nicht einmal wissen, was überhaupt normal ist. Mikrobiopsien und Sensorimplantate werden keine Werte von der für einen Eingriff am Gehirn benötigten Genauigkeit erbringen. Unsere Tiefenscanner können nicht eingesetzt werden, weil die Strahlungsstärke, die erforderlich wäre, um die Knochen eines Schädels von der Größe zu durchdringen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen störenden Einfluß auf die Fortbewegungsmuskulatur hätte, und daß ein Patient von Hellishomars Größe während einer Operation unwillkürliche Muskelbewegungen durchführt, können wir nicht riskieren. Deshalb werden wir uns mehr oder weniger — das hängt von den Ergebnissen der nichtchirurgischen Untersuchung ab — auf unser Glück und unseren Instinkt verlassen müssen. Ist der Patient über die Risiken aufgeklärt worden?“

„Bis jetzt noch nicht“, antwortete Lioren. „Aufgrund der letzten Unterhaltung mit dem Patienten ist es zu einer Art emotionaler Verstimmung gekommen. Hellishomar hat das Gespräch abgebrochen und mich gewaltsam aus der Station gedrängt, doch ich hoffe, die Verbindung zu ihm bald wiederaufzunehmen. Ich werde ihn über die Lage informieren und versuchen, seine Zustimmung zu erhalten und ihn zur Mitarbeit bei der Operation zu bewegen.“

„Zum Glück ist das Ihr Problem“, merkte Conway an, der erneut die Zähne entblößte. Dann wandte er sich an O'Mara. „In allen Angelegenheiten, die den Patienten Hellishomar betreffen, möchte ich den Auszubildenden Lioren bis auf weiteres unter meine Aufsicht gestellt haben. Ich werde die volle chirurgische Verantwortung für diesen Patienten übernehmen und ihn ganz oben auf meinen Operationsplan setzen. Thornnastor, Seldal und Lioren werden mir bei dem Eingriff assistieren. Und falls es jetzt nichts mehr gibt, was uns davon abhält, würde ich gern.“

„Bei allem Respekt, Diagnostiker Conway“, sagte Lioren in eindringlichem Ton, „mir ist es strengstens untersagt, mich medizinisch.“

„Das haben Sie bereits erwähnt“, schnitt ihm Conway das Wort ab, während er aufstand. „Sie werden nicht gebraucht, um Einschnitte vorzunehmen, sondern nur, um die Operation zu beobachten, Ratschläge zu geben und dem Patienten in allen nichtchirurgischen Fragen zu helfen. Sie sind von uns der einzige, der vielleicht über ausreichende Kenntnisse über das Gehirn und die Denkprozesse des Patienten verfügt — denn es handelt sich schließlich um Hellishomars Gehirn, an dem wir herumbasteln werden — , um zu verhindern, daß er als ein schlimmerer geistiger Krüppel endet, als er nach Ihren Worten bereits ist. Sie werden uns assistieren, und damit basta.“

Lioren versuchte immer noch, sich eine Antwort darauf einfallen zu lassen, als sich das Büro bereits bis auf ihn und O'Mara geleert hatte. Der Chefpsychologe war aufgestanden, was ein deutliche wortlose Aufforderung an Lioren war, ebenfalls zu gehen.

Der Tarlaner blieb jedoch, wo er war, und sagte zögernd: „Wenn ich die Diagnostiker Conway und Thornnastor einzeln um persönliche Gespräche gebeten hätte, wäre zwar dasselbe dabei herausgekommen, aber ich hätte viel Zeit vergeudet, weil es sich bei den beiden um vielbeschäftigte Leute handelt und Verabredungen mit ihnen für einen Auszubildenden nur unter Schwierigkeiten zu treffen sind. Für Ihre Hilfe, diese Angelegenheit beschleunigt zu haben, bin ich Ihnen sehr dankbar, insbesondere weil ich Sie und die beiden Diagnostiker nicht vollständig über den Patienten aufklären konnte. Aber Sie haben darüber geschwiegen, um mich nicht in Verlegenheit zu bringen, indem Sie die Aufmerksamkeit auf das lenken, was ich absichtlich übergangen habe.

Doch der Hauptgrund, Sie um Hilfe zu bitten, war für mich ein neues und noch ernsteres Problem“, fuhr Lioren fort. „Wiederum darf ich nur in allgemeinen Worten darüber sprechen.“

Einen Augenblick lang schien der Chefpsychologe unter Atemnot zu leiden, er erholte sich jedoch rasch und bat mit erhobener Hand um Ruhe. „Lioren, halten Sie uns eigentlich allesamt für schwachsinnig?“ erkundigte er sich mit sehr leiser Stimme.

23. Kapitel

Wie Lioren wußte, wurde von ihm keine Antwort auf diese Frage erwartet, denn sein Gesprächspartner stand im Begriff, sie selbst zu geben.

„Thornnastor, Conway und Seldal sind doch nicht blöd“, fuhr O'Mara fort. „Meinen letzten Unterlagen zufolge haben die drei in ihren Köpfen insgesamt siebzehn Schulungsbänder gespeichert, und die Leute, von denen diese Gehirnaufzeichnungen stammen, sind auch nicht gerade blöd gewesen. Und meinen eigenen Intelligenzgrad würde ich — unter angemessener Berücksichtigung des subjektiven Charakters dieser Selbsteinschätzung — ebenfalls über dem Durchschnitt ansiedeln.“

Lioren wollte ihm gerade zustimmen, doch O'Mara bat sich mit einer Handbewegung Ruhe aus.

„Nach Seldals Beschreibung des Krankheitsbilds sowie den Kenntnissen, die Sie bereits über die groalterrische Gesellschaft insgesamt erlangt haben, und aufgrund Ihrer neuen Auskunft, der zufolge es sich beim Patienten nach den Maßstäben seiner Spezies um einen Schwachsinnigen handelt, ist es höchst wahrscheinlich, daß Hellishomars Verletzungen Folge eines mißglückten Selbstmordversuchs sind“, fuhr der Chefpsychologe fort. „Das wissen sowohl Thornnastor, Conway und Seldal als auch ich, doch wir würden den Patienten ganz bestimmt nicht in Verlegenheit bringen oder es riskieren, seine emotionalen Qualen zu verstärken, indem wir ihm das sagen oder dieses Wissen öffentlich bekanntmachen. Wenn die Umstände wirklich so sind, wie Sie sie beschreiben, hätte der Patient allen Grund, sich umzubringen.