„Nein!“ widersprach Lioren in barschem Ton.
„Nein?“ Conway klang zu verblüfft, um verärgert zu sein, doch Lioren wußte, daß der Zorn nicht lange auf sich warten lassen würde. „Wieso nicht, verdammt noch mal?“
„Bei allem Respekt“, antwortete Lioren, „wie auf dem Schirm zu sehen ist, wird Ihr erster Schnitt immer breiter und länger. Ich möchte Sie daran erinnern, daß der Hautstecher bei Licht und Luft mit hoher Geschwindigkeit wächst und jetzt nach so vielen Jahren in der luftleeren Dunkelheit beides wieder vorhanden ist.“
Einige Augenblicke lang schimpfte Conway verärgert mit sich selbst; dann wurde der Hauptbildschirm plötzlich schwarz, als der Diagnostiker den Helmscheinwerfer ausschaltete. „Das wird die Wachstumsgeschwindigkeit ein bißchen verlangsamen“, meinte er. „Ich brauche Zeit zum Nachdenken.“
„Sie brauchen zusätzliche Hilfe beim Operieren“, stellte Thornnastor fest. „Ich werde.“
„Nein!“ schnitt ihm Seldal das Wort ab. „Noch mehr unbeholfene Riesenfüße können wir hier drinnen nun wirklich nicht gebrauchen. Es ist so schon nicht genügend Platz vorhanden, um.“
„So groß sind meine Füße nun auch wieder nicht.“, begann Conway.
„Ihre Füße meine ich auch gar nicht“, stellte Seldal klar. „Tut mir leid, einen Moment lang hatte ich die Befürchtung, daß.“
„Meine Herren Doktoren!“ unterbrach ihn Thornnastor, der plötzlich mit der Stimme und der Autorität des leitenden Diagnostikers des Hospitals sprach. „Jetzt ist nicht der Moment, um sich über die relative Größe der verschiedenen Fortbewegungsgliedmaßen zu streiten. Bitte unterlassen Sie das! Ich wollte gerade sagen, daß der nidianische Chefarzt Lesk-Murog zur Verfügung steht und Ihnen unbedingt assistieren möchte. Seine chirurgische Erfahrung ist ebenso groß, wie seine Füße klein sind. Conway, wie lauten Ihre Anweisungen?“
Als Conway den Helmscheinwerfer einschaltete, wurde der Hauptbildschirm wieder hell.
„Wir brauchen ein Absauggerät mit einer viel größeren Öffnung und einen Schlauch von fünfzehn Zentimetern Durchmesser — oder zumindest von einer solchen Dicke, wie sie Lesk-Murog noch bewältigen kann — , der an eine der Luftzirkulationspumpen angeschlossen ist, damit von der Wucherung große Stücke abgehobelt und rasch abgesaugt werden können. Ohne Licht können wir zwar nicht arbeiten, aber die Luft, die an den Rändern unserer Atemmasken ausgetreten ist, müßten wir entfernen können, indem wir sie zusammen mit den bei der Operation anfallenden Abfallstoffen absaugen und durch ein Edelgas ersetzen, das wir durch den bereits vorhandenen Absaugschlauch hereinpumpen. Das Edelgas dürfte die Wachstumsgeschwindigkeit des Hautstechers genauso wirksam verlangsamen wie das gänzliche Fehlen von Luft, auch wenn das eher zu hoffen als zu erwarten ist.“
„Ich verstehe, Doktor“, sagte Thornnastor. „Wartungstechniker, Sie wissen also, was benötigt wird. Lesk-Murog, machen Sie sich fertig. Aber schnell, alle Mann!“
Subjektiv schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis die Ausrüstung bereitstand und der kleine Lesk-Murog, der wie ein in Plastik gehülltes Nagetier mit langem Schwanz aussah, mit am Rucksack befestigtem neuen Absaugschlauch kopfüber im Zugangseinschnitt verschwand. Conway und Seldal hatten bereits die Außenmembran des Hautstechers durchschnitten, hobelten kleine Stücke ab und steckten sie in den ursprünglichen Absaugschlauch, obwohl es offensichtlich war, daß die schwarze Wucherung trotz ihrer Bemühungen anwuchs, da der Schnitt weiterhin breiter wurde und in beiden Richtungen aufriß. Doch mit dem Eintreffen des nidianischen Chefarztes änderte sich die Lage schlagartig.
„So ist es schon sehr viel besser“, meldete Conway. „Wir kommen jetzt allmählich voran und schneiden die Stücke tief aus der Wucherung heraus. Sobald wir sie genügend ausgehöhlt haben, werden Seldal und Lesk-Murog hineinsteigen und mir die von ihnen herausgeschnittenen Stücke geben, damit ich sie in den Absaugschlauch stecken kann. Seldal und Lesk-Murog, schneiden Sie bitte nicht so große Stücke ab. Wenn das Absauggerät verstopft ist, geraten wir in echte Schwierigkeiten. Und passen Sie gefälligst auf, wo Sie mit dem Messer hinschlagen, Lesk-Murog, ich habe nämlich keine Lust, amputiert zu werden. Wie geht es dem Patienten?“
„Seiner emotionalen Ausstrahlung nach ist er besorgt, Freund Conway. Hinzu kommt eine unterschwellige, aber dennoch große Aufregung“, antwortete Prilicla prompt. „Aber keins dieser Gefühle ist so stark, daß es ihm wirklich zu schaffen macht.“
Da eine weitere Antwort überflüssig war, sagten Hellishomar und Lioren nichts.
Auf dem Hauptbildschirm waren flüchtige Blicke von sich rasch bewegenden terrestrischen und nidianischen Händen und von einem wild pickenden nallajimischen Schnabel zu erhaschen. Die drei dazugehörigen Wesen hantierten mit Instrumenten, die vor der lichtabsorbierenden Schwärze der Wucherung gleißend hell funkelten. Conway unterbrach die Beschreibung des Eingriffs, um anzumerken, daß sie sich derzeit weniger wie Chirurgen vorkämen, die mit einer Operation beschäftigt seien, sondern vielmehr wie Bergarbeiter, die nach fossilen Brennstoffen graben würden. Zwar war die Äußerung des Diagnostikers dem Wortlaut nach eine Klage, doch seine Stimme klang zufrieden, da das Edelgas rings um die drei Ärzte ein weiteres Wachstum des Hautstechers stark hemmte und die Arbeit gut voranging.
„Die Höhlung haben wir soweit vergrößert, daß wir jetzt alle drei imstande sind, in der Wucherung zu arbeiten und unabhängig voneinander gegen sie vorzugehen“, berichtete Conway. „Die Doktoren Seldal und Lesk-Murog können aufrecht stehen, während ich gezwungen bin zu knien. Allmählich wird es hier drinnen sehr warm. Wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie die Temperatur des Edelgases, das Sie hereinpumpen, senken könnten, um das Risiko eines Hitzschlags zu vermeiden. Die Innenfläche der Membran, die die Wucherung umhüllt, haben wir an mehreren Stellen über weite Bereiche freigelegt, und jetzt sackt sie langsam unter dem Gewicht des umliegenden Gehirngewebes zusammen. Bitte erhöhen Sie hier drinnen sofort den Gasdruck, und hindern Sie die Membran daran, über uns zusammenzustürzen. Wie geht es dem Patienten?“
„Keine Veränderung festzustellen, mein Freund“, antwortete Prilicla.
Eine Zeitlang wurde die Operation wortlos fortgesetzt. Was die Chirurgen taten, war klar, und daß es für Conway nichts Neues zu beschreiben gab, leuchtete ebenfalls ein, bis er auf einmal meldete: „Wir haben die Lage des Saugrüssels entdeckt und leeren jetzt seinen flüssigen Inhalt aus. Der Rüssel ist auf die Hälfte seines ursprünglichen Umfangs zusammengeschrumpft und wird nun unter geringfügigem Widerstand herausgezogen. Er ist sehr lang, scheint aber trotzdem vollständig zu sein. Seldal nimmt eine Tiefenuntersuchung vor, um sicherzustellen, daß nichts vom Rüssel im Einstich zurückgeblieben ist. Weitere Rüssel haben wir nicht entdeckt und auch nichts, das irgendwelche Ähnlichkeiten mit Verbindungswegen zu Tochtergeschwülsten aufweist.