«Treffer versenkt«, sagte ich schnodderig.
Er sah mich scharf an.»Das ist nicht komisch.«
«Aber tragisch auch nicht«, erwiderte ich.»Es gibt uns noch.«
Ein Gutteil Steifheit wich aus seinem Gesicht und seinem Körper. Der Anflug eines Lächelns zeigte sich.»So ist es«, sagte er.
Im Kontrollturm hatte irgend jemand Alarm gegeben. Löschfahrzeuge schossen mit heulenden Sirenen heran, und Schaum ergoß sich aus den riesigen Schläuchen auf die mitleiderregenden Überbleibsel der Maschine. Die Löschausrüstung war für Jumbos bemessen. Nach ungefähr zehn Sekunden waren die cherokeegroßen Flammen zu schwarzen Reminiszenzen verlöscht.
Drei oder vier Flughafenwagen summten wie Mücken über den Platz, und einer davon mit aufgeregten Angestellten schoß in unsere Richtung.
«Sind Sie mit diesem Flugzeug gekommen?«
Die erste Frage. Aber ganz bestimmt nicht die letzte. Ich wußte, was mir bevorstand. Ich war schon einmal auseinandergenommen worden.
«Wer von Ihnen ist der Pilot? Würden Sie dann bitte mit uns kommen. Ihre Passagiere können solange in das Büro des Flughafendirektors gehen. Ist die Dame verletzt?«
«Ohnmächtig«, sagte ich.
«Oh…«Er zögerte.»Könnte einer von den anderen sie übernehmen?«Er sah sich die anderen an. Goldenberg, groß und schwabbelig; der Major, ältlich; Colin, schmächtig. Sein Blick glitt über Colin und dann wieder zurück, die Augen weiteten sich, Ungläubigkeit kämpfte mit Wiedererkennen.
«Entschuldigen Sie. Sind Sie?«
«Ross«, sagte Colin knapp.»Ja.«
Sofort wurde der rote Teppich ausgerollt. Man schaffte Riechsalz und eine Bodenhosteß für Annie Villars herbei, steife Brandys für den Major und Goldenberg, Autogrammhefte für Colin Ross. Der Direktor persönlich kümmerte sich um sie. Und irgend jemand rief aufgeregt die Presse des Landes auf den Plan.
Die Untersuchungsbeamten des Handelsministeriums waren nett und höflich. Wie gewöhnlich. Und beharrlich, gewissenhaft und gnadenlos. Auch wie gewöhnlich.
«Warum sind Sie in East Midlands gelandet?«
Reibung.
«Hatten Sie irgendeinen Verdacht, daß eine Bombe an Bord war?«
Nein.
«Haben Sie die Maschine vor dem Flug gründlich überprüft?«
Ja.
«Und keine Bombe?«
Nein.
Ob ich wüßte, daß ich trotzdem verantwortlich für die Sicherheit des Flugzeugs war und technisch gesehen dafür verantwortlich gemacht werden konnte, daß ich mit einer Bombe an Bord gestartet war?
Ja.
Wir sahen einander an. Es war eine merkwürdige Regel. Nur sehr wenige Menschen, die mit einer Bombe an Bord starteten, lebten lange genug, um dafür zur Verantwortung gezogen werden zu können.
Das Handelsministerium lächelte, um zu zeigen, daß es wußte, wie töricht die Annahme war, irgend jemand würde mit einer Bombe starten, wenn er von deren Existenz wußte.
«Haben Sie das Flugzeug jedesmal abgeschlossen, wenn Sie es verlassen haben?«
Habe ich.
«Und ist es die ganze Zeit verschlossen geblieben?«
Womit sie den wunden Punkt berührten. Ich erzählte ihnen vom Major. Sie wußten es bereits.
«Er sagt, er sei sicher, die Türen wieder verschlossen zu haben«, hieß es.»Aber wäre es selbst in diesem Falle nicht Ihre Pflicht gewesen, sich um die Sicherheit des Flugzeugs zu kümmern, und nicht seine?«
Ganz recht.
«Wäre es nicht klüger gewesen, Sie hätten ihn begleitet, um die Zeitung zu holen?«
Kein Kommentar.
«Die Sicherheit des Flugzeugs liegt in der Verantwortung des Flugkapitäns.«
Wie man die Sache auch drehen und wenden mochte, darauf lief es immer wieder hinaus.
Das war mein zweites Gespräch mit dem Handelsministerium. Das erste Gespräch am Tag nach der Explosion war freundlich und mitfühlend gewesen, ein Sammeln von Tatsachen, in dessen Verlauf das Wort» Verantwortung «nicht ein einziges Mal gefallen war. Es hatte sich schüchtern hinter den Kulissen gehalten. Unvermeidlich, daß es später aufs Tapet kommen und an irgend jemandes Brust geheftet werden würde.
«Während der vergangenen drei Tage haben wir all Ihre Passagiere befragt, und keiner von ihnen hat auch nur die geringste Ahnung, wer ihren Tod wünschen könnte oder warum. Also haben wir jetzt das Gefühl, uns mehr mit der Frage beschäftigen zu müssen, wer eine Gelegenheit dazu hatte, die Bombe anzubringen, und wir hoffen natürlich, daß es Ihnen nichts ausmacht, uns eine Menge Fragen zu beantworten. Dann stellen wir eine Erklärung für Sie zusammen, und wir wären froh, wenn Sie sie unterzeichnen würden.«
«Ich tue, was ich kann«, sagte ich. Grub mir mein eigenes Grab. Wieder einmal.
«Ihre Passagiere waren einhellig der Meinung, daß die Bombe sich in dem mit Geschenkpapier umwickelten Päckchen befunden haben muß, das Sie selbst an Bord gebracht haben.«
Nett.
«Und daß der Anschlag eigentlich Colin Ross gegolten hat.«
Ich sog die Luft ein.
«Sie sind anderer Meinung?«
«Ich habe ganz ehrlich keine Ahnung, wem der Anschlag gegolten hat«, sagte ich.»Aber ich glaube nicht, daß die Bombe in dem Päckchen war.«
«Warum nicht?«
«Seine Schwester hatte es gekauft, an besagtem Morgen.«
«Das wissen wir. «Er war ein großer Mann, und seine Augen schienen nach innen gerichtet zu sein, als konsultierten sie einen Computer in seinem Kopf, um jede Antwort, die er bekam, einzuspeisen und darauf zu warten, daß die Schaltkreise eine Schlußfolgerung ausspuckten. In seinem Gehabe lag keine Spur von Aggression, und zu seinen Motiven gehörte ganz gewiß nicht Rachsucht. Ein Tatsachenfinder, ein Ursachensucher — wie ein Trüffelhund. Er kannte den Geruch der Wahrheit. Nichts würde ihn vom Weg abbringen.
«Und es hat den ganzen Nachmittag auf einem Regal in der Umkleidekabine gelegen«, sagte ich.»Niemand hat Zutritt zur Umkleidekabine außer den Jockeys und den Jockeydienern.«
«Das haben wir auch gehört. «Er lächelte.»Könnte das Päckchen eine Bombe gewesen sein? Vom Gewicht her?«
«Ich denke schon.«
«Miss Nancy Ross sagt, es habe eine große Flasche mit feinem Badeöl enthalten.«
«Hat man in den Trümmern keine Hinweise gefunden?«fragte ich.
«Absolut nichts. «Der große Mann zog die Nase kraus.»Ich habe selten etwas gesehen, das gründlicher zerlegt war.«
Wir saßen im sogenannten Mannschaftsraum im Derry-down-Büro auf dem alten Royal-Air-Force-Flugplatz in der Nähe von Buckingham. Derrydowns Ausgaben für den schönen Schein beschränkten sich auf das Büro des Direktors und den Warteraum für die Passagiere auf der anderen Seite der Halle. Der Mannschaftsraum sah aus, als stünden Farbe und Wände kurz vor ihrer silbernen Hochzeit. Das Linoleum hatte seine Volljährigkeit auch schon lange erreicht. Drei der vier billigen Sessel hatten die Pubertät wohl noch vor sich, aber die Sprungfedern des vierten waren so übel zerbrochen, daß es bequemer war, auf dem Fußboden zu sitzen.
Einen Großteil des Platzes an den Wänden nahmen Landkarten, Wetterkarten und verschiedene» Mitteilungen an die Piloten «ein, von denen mehrere überholt waren. Es gab auch einen Einsatzplan, auf dem mein Name mit schönster Regelmäßigkeit auftauchte, und eine in roten Großbuchstaben getippte Mitteilung dahingehend, daß jedem, der vergaß, bei einem Charterflug die Zulassungsdokumente für das Flugzeug mitzunehmen, die Kündigung ins Haus stand. Ich hatte pflichtschuldigst alle Unterlagen der Cherokee sowie das Wartungsheft bei mir gehabt, ganz so, wie die Luftfahrtbehörde es wünschte. Jetzt wa-ren sie zu kleinen Aschenflöckchen verbrannt. Ich hoffte, daß irgend jemand irgendwo irgendeinen Sinn darin sah.
Der große Mann sah sich sorgfältig in dem schmuddeligen Raum um. Der andere — kürzer, breiter, schweigsam — saß mit seinem grünen, angekauten HB-Bleistift über einen Spiralblock gebeugt.