Sie ließ die Maschine an den Rails entlangrollen und parkte ein kleines Stück von mir entfernt, und ich schloß die Six ab und ging zu ihr hinüber, um ihr zu sagen, daß sie das Fahrgestell zerschmettern würde, wenn sie das nächste Mal ein Flugzeug so aufschlagen ließ.
Sie schnitt eine Grimasse, war aufgeregt und hochzufrieden.»Es war einfach super. Toll. Die Leute von Liverpool Radar waren schrecklich nett. Sie haben mir genau gesagt, auf welchen Kursen ich um die Kontrollzone fliegen sollte, und meinten, sie würden mich haarscharf über dem Rennplatz herunterlotsen, und genau so haben sie es gemacht.«
Colin war stolz auf sie und zog sie liebevoll auf.»Na schön, wir sind hier, aber wir sind noch nicht wieder zu Hause.«
«Nach Hause fliegen ist immer einfacher«, sagte sie voller Zuversicht.»Und bei Cambridge gelten diese schwierigen Vorschriften für Kontrollzonen nicht.«
Wir gingen gemeinsam über die Bahn zum Führring, wo wir unter dem Geländer hindurchschlüpften. Nancy redete pausenlos, so aufgedreht, als hätte sie Benzedrin genommen. Colin sah mich grinsend an. Ich erwiderte sein Grinsen. Nichts ist so berauschend wie ein schöner Erfolg.
Vor dem Waageraum trennten wir uns von ihm und gingen weiter, um uns einen Kaffee zu besorgen.
«Wissen Sie, daß es erst vier Wochen her ist, seit wir das letzte Mal in Haydock waren?«fragte sie.»Seit der Bom-be. Nur vier Wochen. Ich habe das Gefühl, ich kenne Sie bereits ein halbes Leben lang.«
«Ich hoffe, das gleiche gilt auch für die nächste Hälfte.«
«Was haben Sie gesagt?«
«Nichts… Truthahn-Sandwiches?«fragte ich.
«Hmm, köstlich. «Sie sah mich ein wenig unsicher an.»Wie meinten Sie das vorhin?«
«War nur so dahergeredet.«
«Oh.«
Sie biß in das weiche, dicke Sandwich. Sie hatte gesunde, gerade Zähne. Ich war gerade ein Idiot, dachte ich. Ein Idiot, mich auf etwas einzulassen, ein Idiot, sie liebzugewinnen. Ich hatte nichts als einen Haufen Scherben zu bieten, und ihr lag die ganze Welt zu Füßen, ihr, der Schwester von Colin Ross. Wenn ich ein Eisberg war, wie Honey meinte, sollte ich besser einer bleiben. Wenn das Eis schmolz, würde alles aus den Fugen geraten.
«Sie sind plötzlich so schweigsam geworden«, sagte sie und sah mich dabei fragend an.
«Bin ich nicht.«
«O doch. Passiert Ihnen öfter. Sie wirken entspannt und zufrieden, und plötzlich schnappt irgendwo in Ihrem Innern etwas ein, und Sie verschwinden in die Stratosphäre. Dorthin, wo es sehr kalt ist. «Sie schauderte.»Eiskalt.«
Ich trank meinen Kaffee und ließ die Stratosphäre ihre Wirkung tun. Die gefährlich angeschmolzenen Ränder wurden wieder fest.
«Kommt Chanter heute auch?«fragte ich.
«Das weiß Gott allein. «Sie zuckte die Achseln.»Wäre Ihnen das denn lieber?«
«Nein. «Es klang leidenschaftlicher als beabsichtigt.
«Immerhin etwas«, sagte sie sehr leise.
Ich ging nicht darauf ein. Sie konnte es unmöglich so meinen, wie es sich anhörte. Wir aßen die Sandwiches auf und gingen hinaus, um Colin reiten zu sehen, und danach
— wir lehnten gerade an den Rails des Führrings — tauchte Chanter aus dem Nichts auf und erstickte Nancy unter Haaren, Fransen und wirbelndem Stoff; er machte seine Sache so gründlich, als wolle er mit einer Decke ein Feuer auslöschen.
Sie schob ihn weg.»Um Himmels willen…«
Ihn beeindruckte das nicht im geringsten.»Ach, Nancy. Na, komm schon. Die Sache mit dir und mir, die könnte super laufen, wenn du nur ein bißchen lockerer wärst.«
«Du bist ein schlechter Trip für mich.«
«Du bist noch nie auf irgendeinem richtigen Trip gewesen, Süße, das ist dein Problem.«
«Und habe nicht die Absicht, etwas daran zu ändern«, sagte sie entschlossen.
«Ein bißchen LSD, und du stößt zum Kern der Dinge vor.«
«Zu den Komponenten«, widersprach ich.»Wie Sie bereits festgestellt haben. Sie sehen die Dinge doch als Fragmente.«
«Häh?«
Chanter sah mich an.»Nancy, hast du diesen Schleicher immer noch im Schlepptau? Das kann nicht dein Ernst sein.«
«Er sieht die Dinge als Ganzes«, sagte sie.»Ohne Krük-ken.«
«LSD ist keine Krücke, es ist ein Tor«, rief er theatralisch.
«Dann mach es zu«, sagte sie.»Ich will nämlich nicht da durch.«
Chanter starrte mich finster an. Statt des grünen Chenilletischtuchs trug er ein höchst sonderbares, unförmiges Gewand, das aus unregelmäßigen Stoff-, Pelz-, Leder- und Metallstücken nicht zusammengenäht, sondern zusammengeklammert war.
«Das ist dein Werk, Mann! Du bist ein Verhängnis.«
«Es ist nicht sein Werk«, sagte Nancy.»Die Drogenszene ödet mich an. Hat sie immer getan. An der Kunsthochschule fand ich es vielleicht mal toll, mich mit Hasch zu benebeln, aber das ist jetzt anders. Ich bin erwachsen geworden, Chanter. Ich hab dir schon mal gesagt, ich bin erwachsen geworden.«
«Er hat dir eine Gehirnwäsche verpaßt.«
Sie schüttelte den Kopf. Ich wußte, daß sie an Midge dachte. Wenn man etwas bewältigen mußte, das so groß war, dann wurde man schon erwachsen.
«Gibst du heute keinen Unterricht?«fragte sie.
Sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich zunehmend.»Die Scheißer streiken.«
Sie lachte.»Meinst du die Studenten?«
«Ja. Sie wollen, daß der stellvertretende Rektor fliegt, weil er darüber Buch führt, wer von ihnen zu welchen Demos geht.«
«Auf wessen Seite stehen Sie?«fragte ich ironisch.
Er sah mich mit schmalen Augen an.»Du kotzt mich an, Mann, echt.«
Aber trotzdem blieb er den ganzen Nachmittag bei uns, brabbelte vor sich hin, schmollte und betatschte Nancy, wann immer er Gelegenheit dazu hatte. Nancy ertrug seine Gesellschaft, als sei sie ihr nicht gänzlich unangenehm.
Was mich betraf, ich hätte darauf verzichten können. Leicht.
Colin gewann zwei Rennen, zu denen auch das große Rennen des Tages zählte. Annie Villars’ Pferd ging als Zweiter ins Ziel, Kenny Bayst gewann ein Rennen durch einen Protest. Das Pferd des lautstarken Ambrose war im Finish schnell, wurde aber nur Vierter. Das verhieß für den Rückflug nicht gerade eitel Sonnenschein.
Mir machten ohnehin schon leise Vorahnungen wegen des Rückflugs zu schaffen. Die schwache Warmfront, die für den späten Abend vorhergesagt war, machte Anstalten, uns vor der Zeit zu erreichen. Von Südwesten her zogen die Höhenwinde einen Wolkenstreifen über den Himmel wie ein Laken über ein Bett.
Als die Sonne verschwand, blickte Nancy auf.
«Oje, wo kommen denn plötzlich all die Wolken her?«
«Das ist die Warmfront.«
«Verdammt… Glauben Sie, sie kommt bis nach Cambridge?«
«Ich kann es für Sie rausfinden, wenn Sie wollen.«
Ich telefonierte mit Cambridge und bat um die aktuellen Wettermeldungen und die Vorhersage. Nancy stand neben mir in der Telefonzelle, und Chanter schäumte draußen argwöhnisch vor sich hin. Ich mußte Cambridge bitten, die Auskunft zu wiederholen. Nancy roch schwach nach einem frischen Blumenduft.»Sagten Sie zweitausend Fuß?«Ja, erwiderte Cambridge mit übertriebener Geduld, wir haben es Ihnen schon zweimal gesagt.
Ich legte den Hörer auf.»Sie erwarten die Front da unten erst in drei oder vier Stunden, und die Wolkenuntergrenze soll selbst dann noch bei zweitausend Fuß liegen, so daß wir eigentlich zurechtkommen sollten.«»Außerdem«, sagte sie,»habe ich den Landeanflug in Cambridge Dutzende Male geübt. Selbst wenn es sich bis zu unserer Rückkehr bewölkt hätte, bin ich sicher, daß ich es im Ernstfall schaffen würde.«
«Haben Sie es auch schon ohne Fluglehrer gemacht?«
Sie nickte.»Mehrmals. Natürlich an klaren Tagen.«