Ich grübelte.»Rein rechtlich dürften Sie eigentlich in Wolken noch keine Passagiere befördern.«
«Machen Sie nicht so ein ängstliches Gesicht. Es wird schon nicht nötig sein. Jetzt ist es doch noch klar in Cambridge, oder nicht? Und falls die Wolkenbasis bei zweitausend Fuß liegt, wenn ich dort ankomme, kann ich mich leicht darunter halten.«
«Ja, das denke ich auch.«
«Und ich muß schließlich zurück, oder?«sagte sie einleuchtenderweise.
«Hmm.«
Chanter riß die Tür der Telefonzelle auf.»Willst du das Ding vielleicht pachten, Mann?«erkundigte er sich. Dann umfaßte er Nancy, legte seinen Arm um sie, einen Millimeter südlich von ihren Brüsten, und zog sie aus der Telefonzelle heraus. Sie verschwand halb in den Wogen von Chanters Gewand und kam errötend wieder zum Vorschein.
«Um Himmels willen, Chanter, wir sind auf dem Rennplatz.«
«Dann ziehen wir doch in meine Bude.«
«Nein, vielen Dank.«
«Weiber«, sagte er angewidert.»Verdammte Weiber. Wissen einfach nicht, was gut für sie ist.«
«Könnte als konservativ-reaktionäres Statement durchgehen, wie?«fragte ich niemand bestimmtes.
«Ganz ruhig, Mann. Ganz ruhig.«
Nancy strich sich ihre Sachen glatt und sagte:»Ihr könnt alle beide Ruhe geben. Ich gehe jetzt zurück zum Flugzeug und bereite mich auf den Rückflug vor, und du wirst nicht mitkommen, Chanter. Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn du mich von oben bis unten begrapschst.«
Er blieb nur äußerst widerwillig zurück und beschwerte sich bitter, als sie mich mitnahm.
«Er ist unmöglich«, sagte sie, als wir über die Bahn gingen. Aber sie lächelte.
Ich breitete die Landkarte auf der Tragfläche aus und ging, wie sie es wünschte, ihren Flugplan Schritt für Schritt mit ihr durch. Sie wollte so zurückfliegen, wie wir gekommen waren, über das Funkfeuer bei Lichfield: nicht der direkte Weg, aber der mit den geringsten Schwierigkeiten für die Navigation. Wie sie bemerkt hatte, war der Flug Richtung Heimat immer einfacher. Ich berechnete ihre Flugzeiten zwischen den Orientierungspunkten und trug sie in ihren Flugplan ein.
«Sie sind fünfmal so schnell wie ich. «Sie seufzte.
«Ich habe etwas mehr Übung.«
Ich faltete die Karte zusammen und klammerte den vervollständigten Plan daran.»Wir sehen uns dann in Cambridge«, sagte ich.»Mit ein bißchen Glück.«
«Biest.«
«Nancy.«
«Ja?«
Ich wußte nicht genau, was ich sagen wollte. Sie wartete. Nach einer Weile sagte ich mit ernster Miene:»Passen Sie auf sich auf.«
Sie lächelte ein wenig kläglich.»Das mach ich, bestimmt.«
Colin kam über die Bahn geschlurft.»Mein Gott, bin ich müde«, sagte er.»Wie geht’s meiner Pilotin?«
«Sie ist bereit, willens und, wenn heute Ihr Glückstag ist, fähig.«
Ich machte die Außenchecks für Nancy, während sie an Bord kletterten. Keine Bomben. Hatte auch keine erwartet. Sie ließ den Motor an, nachdem ich ihr» alles klar «signalisiert hatte, und während sie davonrollten, winkten die beiden mir zu. Nancy drehte sich am anderen Ende des Flugfeldes in den Wind, nahm zügig Fahrt auf und hob ab, in einen hellgrauen Himmel hinein. Die Wolken waren jetzt eine Spur niedriger als zuvor. Kein Grund zur Sorge. Nicht, wenn es in Cambridge klar war. Ich schlenderte zu der Six von Derrydown hinüber. Annie Villars und Kenny Bayst waren bereits da und schauten geflissentlich aneinander vorbei. Ich schloß die Türen auf, und Annie stieg ohne ein Wort ein. Kenny warf ihr einen mürrischen Blick zu und blieb, wo er war. Ich gratulierte ihm zu seinem Sieg. War ganz nützlich, sagte er.
Kurz darauf trudelten auch Ambroses Trainer und Jok-key mit nachdenklichen Mienen ein, und schließlich kam Ambrose selbst mit hochroten Wangen und gewaltiger Bierfahne. Sobald er das Flugzeug erreicht hatte, beugte er sich zu mir herüber und ließ mich voll daran teilhaben.
«Hab meinen Hut in der Garderobe vergessen«, sagte er.»Springen Sie rüber und holen Sie ihn mir.«
Kenny und die beiden anderen hatten es plötzlich schrecklich eilig mit dem Einsteigen und taten so, als hätten sie nichts gehört. Wenn ich nicht» Holen Sie ihn selbst «antworten und Harley damit um einen Kunden bringen wollte, blieb mir keine große Wahl. Ich trottete zurück über die Bahn, durch den Führring, in die Herrentoilette der Mitglieder und nahm den Hut von dem Haken, an dem er gehangen hatte. Das Hutband war so schmierig, daß er wirklich Nerven haben mußte, andere Leute das Ding aus der Nähe sehen zu lassen.
Drehte mich um, ging auf die Tür zu. Spürte einen heftigen, fordernden Griff um meinen Arm.
Ich fuhr herum. Die Hände, die meinen Arm wie Stahlklauen umklammerten, gehörten Major Tyderman.
«Major«, rief ich überrascht. Ich hatte ihn den ganzen Nachmittag über nicht gesehen.
«Shore!«Seine Überraschung, mich zu sehen, übertraf meine bei weitem. Er war mehr als nur überrascht. Entsetzt. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht.
«Shore… Was tun Sie hier? Sind Sie zurückgekommen?«
Verwirrt sagte ich:»Ich bin hergekommen, um Mr. Ambroses Hut zu holen.«
«Aber — Sie sind doch abgeflogen — Sie sind mit Colin und Nancy Ross gestartet.«
Ich schüttelte den Kopf.»Nein, bin ich nicht. Nancy fliegt selbst.«
«Aber — Sie sind doch mit ihnen gekommen. «Er klang verzweifelt.
«Nein. Ich habe die Six mit fünf Passagieren hierhergeflogen. «Ich begriff das gewaltige Ausmaß seines Schocks. Es traf mich wie eine Flutwelle. Mittlerweile klammerte er sich mehr haltsuchend als aufmerksamkeitheischend an meinen Arm.
«Major«, sagte ich, und der schreckliche, erschreckende Verdacht ließ meine Stimme zittern,»Sie haben doch wohl keine Bombe in das Flugzeug gelegt? O Gott — nicht wieder — eine Bombe?«
«Ich… ich…«Seine Stimme erstickte.
«Major. «Ich löste meinen Arm aus seinem Griff und packte ihn bei den Schultern. Ambroses Hut fiel mir hin und rollte unbemerkt über den schmutzigen Boden.»Major. «Ich schüttelte ihn heftig. »Nicht wieder eine Bombe?«
«Nein… aber…«
«Aber was?«
«Ich dachte, Sie würden die beiden fliegen — ich dachte, Sie wären bei ihnen — Sie würden damit fertig…«
«Major. «Ich schüttelte ihn nochmals, packte seine Arme, als wollte ich sie in zwei Stücke reißen.»Was haben Sie mit dem Flugzeug gemacht?«
«Ich habe Sie… mit den beiden gesehen, als Sie ankamen. Und Sie sind auch mit ihnen zurückgegangen. und haben die Landkarte studiert… und die Checks gemacht… Ich war sicher… daß Sie fliegen würden… und Sie… Sie… wären damit fertig geworden — aber Nancy Ross… O mein Gott.«
Ich ließ einen seiner Arme los und schlug ihm heftig ins Gesicht.
«Was haben Sie mit dem Flugzeug gemacht?«
«Sie können… nichts tun.«
«Ich hole sie zurück. Sorge dafür, daß sie sofort landet.«
Er schüttelte den Kopf.»Das können… Sie nicht… Sie hat gleich keinen Funk mehr… Ich habe. «Er schluckte und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, wo ich ihn geschlagen hatte.»Ich habe… ein Pflaster… mit Salpetersäure. auf die Leitung. zum Hauptschalter. geklebt.«
Ich ließ seinen anderen Arm los, starrte ihn nur noch an, während eine Eiseskälte mich durchdrang. Dann griff ich blindlings nach Ambroses Hut und rannte hinaus. Rannte.
Rannte über den Führring, über die Bahn, hinüber zum Flugzeug. Ich nahm mir nicht die Zeit, aus dem Major herauszuprügeln, warum er es getan hatte. Darüber dachte ich überhaupt nicht nach. Ich dachte nur an Nancy Ross, die jetzt bei ihrer begrenzten Erfahrung auch noch mit einem Totalausfall der Bordelektrik fertig werden mußte.
Sie konnte es natürlich schaffen. Der Motor würde nicht ausfallen. Mehrere Instrumente würden weiter funktionieren. Der Höhenmesser, der Fluggeschwindigkeitsmesser, der Kompaß — keines dieser wesentlichen Instrumente würde betroffen sein. Sie arbeiteten magnetisch, mit Luftdruck oder mit motorgetriebenen Kreiseln, nicht mit Elektrizität. Aber sämtliche Anzeigen für den Motor würden auf Null stehen, die Benzinuhr leere Tanks anzeigen. Nancy würde nicht wissen, wieviel Treibstoff sie noch hatte. Aber sie mußte wissen, daß sie genug hatte, um mindestens zwei Stunden zu fliegen.