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Er öffnete den Mund und schloß ihn wieder.»Ähh, ich verstehe. «Er räusperte sich.»Sie werden zu gegebener Zeit eine Vorladung erhalten.«

«Ja«, sagte ich wieder.

«Nicht Ihre erste, glaube ich. «Eine Feststellung, kein Hohn.

«Nein«, erwiderte ich gleichmütig.

Kurzes Schweigen. Dann sagte ich:»Wie funktionierte diese Vorrichtung? Dieses Salpetersäurepflaster an dem Gummiband?«

«Das geht Sie nichts an.«

Ich zuckte die Achseln.»Jeder Schuljunge, der Chemieunterricht hat, kann mir das sagen.«

Er zögerte. Nicht der Typ, irgend etwas preiszugeben. Er würde niemals wie der große Mann sagen oder andeuten, daß seine Regierung oder sein Ministerium einen Fehler gemacht haben könnte. Aber nachdem er sein Gewissen und zweifellos auch seine Dienstanweisungen durchforscht hatte, sah er sich schließlich doch zu einer Erklärung in der Lage.

«Das Pflaster enthielt Fiberglasfasern, die mit einer schwachen Lösung von Salpetersäure getränkt waren. Ein Abschnitt des Drahtes im Kabel zum Hauptschalter war blankgelegt und das Fiberglas darumgewickelt worden. Die Salpetersäure löste den Kupferdraht langsam auf; das dauerte bei der geringen Konzentration wahrscheinlich ungefähr anderthalb Stunden. «Er hielt inne und überlegte.

«Und das Gummiband?«hakte ich nach.

«Ja… Nun, Salpetersäure ist genau wie Wasser selbst ein elektrischer Leiter, so daß der Stromkreis geschlossen bleiben mußte, solange das Fiberglas an seinem Platze war, selbst wenn der Draht sich inzwischen vollständig aufgelöst hatte. Um den Stromkreis zu unterbrechen, mußte die Lage Fiberglas entfernt werden. Dafür wurde gesorgt, indem es unter Spannung mit einem Gummiband an einer anderen Stelle des Kabels befestigt wurde. Wenn jetzt also die Salpetersäure einen Abschnitt des Drahtes aufgelöst hatte, wurde das ganze Pflaster sofort von dem Gummiband weggezogen. Ähh… Habe ich mich verständlich gemacht?«

«Ja«, stimmte ich zu,»das haben Sie.«

Er schien sich selbst einen kleinen Ruck zu geben, geistig und körperlich, und wandte sich mit plötzlicher Energie zur Tür.

«Gut«, sagte er schroff.»Dann muß ich noch kurz mit Mr. Harley sprechen.«»Haben Sie auch schon mit Major Tyderman gesprochen?«fragte ich.

Fast ohne zu zögern, sagte er wieder:»Das geht Sie nichts an.«

«Vielleicht haben Sie ihn schon aufgesucht?«

Schweigen.

«Vielleicht war er aber auch nicht zu Hause?«

Weiteres Schweigen. Dann wandte er sich mir in starrköpfiger Verärgerung zu.»Sie haben mich nicht auf diese Weise zu befragen. Ich kann Ihnen keine Antwort geben. Ich bin hier, um Sie zu vernehmen, nicht umgekehrt. «Er ließ seinen Mund zuschnappen und sah mich scharf an.»Und dabei hat man mich noch gewarnt«, murmelte er.

«Ich hoffe, Sie finden den Major«, sagte ich höflich,»bevor er noch mehr kleine Vorrichtungen an Stellen anbringt, wo sie nicht hingehören.«

Er schnaubte und schritt vor mir her aus dem Mannschaftsraum hinaus und hinein in Harleys Büro. Harley wußte, warum er diesen Besuch bekam, und war erwartungsgemäß seit Freitag wütend auf mich gewesen.

«Mr. Shore gibt die Verstöße zu«, sagte das Handelsministerium.

«Es würde ihm schwerfallen, sie nicht zuzugeben«, sagte Harley ärgerlich,»wenn man bedenkt, daß jede R.A.F.-Basis im Land ihm mitgeteilt hat, wie niedrig die Wolkenuntergrenze in Cambridge war.«

«Nach Lage der Dinge«, stimmte das Handelsministerium zu,»hätte er sofort nach Manchester zurückkehren müssen, wo die Wetterverhältnisse noch innerhalb der zulässigen Grenzen lagen, und dort warten, bis sich die Bedingungen verbesserten, statt die ganze Strecke nach Ostengland zu fliegen, so daß er schließlich nicht mehr genug Treibstoffreserven übrig hatte, um irgendeinen wolkenfreien Flugplatz zu erreichen. Das einzig Richtige wäre auf jeden Fall gewesen, schon ganz zu Anfang umzukehren.«

«Und Colin Ross zur Hölle gehen zu lassen«, sagte ich im Plauderton.

Sie kniffen wie in einem stummen Chor die Lippen zusammen. Mehr gab es dazu nicht zu sagen. Wenn man rote Ampeln überfuhr und die Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht einhielt, weil man jemanden ins Krankenhaus brachte, dessen Leben auf Messers Schneide stand, dann konnte man dennoch für diese Verstöße verfolgt werden. Das war genau das gleiche. Die gleiche Sackgasse. Humanität gegen Gesetz, ein jahrhundertealtes Dilemma. Triff deine Wahl und sieh zu, wie du mit den Konsequenzen fertig wirst.

«Ich übernehme keinerlei Verantwortung für das, was Sie getan haben«, sagte Harley streng.»Ich werde kategorisch erklären, auch vor Gericht, wenn es sein muß, daß Sie den Anweisungen von Derrydown strikt zuwidergehandelt haben und daß sich Derrydown vollkommen von Ihrer Handlungsweise distanziert.«

Sollte ich ihm ein Becken für die rituelle Waschung der Hände bringen? Ich überlegte einen Moment, kam dann aber zu dem Schluß, es besser zu lassen.

Er fuhr fort:»Und wenn Ihnen irgendeine Buße auferlegt wird, dann werden Sie sie natürlich selbst bezahlen müssen.«

Mein Pech, dachte ich, daß ich immer dann mein Fett abkriege, wenn meine Firma zu nahe am Bankrott ist, um sich großzügig zu zeigen. Aber ich sagte nur:»Ist das jetzt alles? Wir haben gleich einen Flug, wie Sie ja wissen.«

Sie bedeuteten mir angewidert, daß ich gehen könne, und ich sammelte meine Sachen zusammen und machte mich in der Aztec auf den Weg, um eine Gruppe von Geschäftsleuten von Elstree nach Den Haag zu fliegen.

Als Colin und ich am vorangegangenen Freitag Nancys Cherokee abgeschlossen und dafür gesorgt hatten, daß niemand an die Maschine herankam, fielen auch schon im Laufschritt die ersten Kohorten der lokalen Presse ein, und das Handelsministerium, das niemals schläft und immer wacht, führte pausenlos Ferngespräche.

Der Flugfunk ist ungefähr so privat wie der Times Square: Es stellte sich heraus, daß Dutzende von flugbegeisterten Nichtfliegern in Mittelengland meinen Funkverkehr mit Birmingham Radar mitgehört und danach die Telefonvermittlung in Cambridge mit Anrufen überschwemmt hatten, um herauszubekommen, ob Colin Ross in Sicherheit war. Unverzagt hatten sie der Fleet Street übermittelt, daß möglicherweise sein Verlust zu beklagen sei. Seine Ankunft — heil und ganz — wurde in einer Nachrichtensendung des Fernsehens vierzig Minuten nach unserer Landung bekanntgegeben. Die allgewaltigen britischen Medien hatten alle Hebel in Bewegung gesetzt. Nancy und Annie Villars hatten Fragen beantwortet, bis sie heiser waren und schließlich in der Damentoilette Zuflucht suchten. Colin war den Umgang mit der Presse gewohnt, aber auch er war blaßblau vor Erschöpfung, als er sich endlich von der immer weiter anwachsenden, sensationslüsternen Meute gelöst hatte.

«Kommen Sie«, sagte er zu mir.»Holen wir Nancy und fahren nach Hause.«

«Ich muß Harley anrufen.«

Harley wußte bereits Bescheid und ging hoch wie ein Feuerwerkskörper. Irgend jemand von Polyplane, so schien es, hatte ihn sofort angerufen und mit ätzender Freundlichkeit davon in Kenntnis gesetzt, daß sein ach so hochqualifizierter Chefpilot jedes nur erdenkliche Gesetz gebrochen und Derrydown damit vollends in die Klemme gebracht hatte. Die Tatsache, daß sein bester Kunde noch am Leben war und ihm daher erhalten blieb, schien Harley völlig entgangen zu sein. Polyplane hatte die Gelegenheit bekommen, ihm einen schmerzhaften Tritt zu versetzen, und das war meine Schuld.

Ich konnte in Cambridge bleiben, weil ich versprach, wieder die Rechnung für den Stellplatz im Hangar zu bezahlen, und fuhr mit Nancy und Colin nach Hause.

Nach Hause.

Ein gefährliches, verlockendes Wort. Aber das Schlimme war, daß ich es tatsächlich so empfand. Zuhause. Ich war erst zum dritten Mal da, und es war schon so vertraut, so behaglich, zwanglos, unbefangen… Es war nicht gut, daß ich das Gefühl hatte, dort hinzugehören, denn das tat ich nicht.

Den Samstagvormittag verbrachte ich damit, in Cambridge von Angesicht zu Angesicht mit der Polizei und per Telefon mit dem Handelsministerium in London zu sprechen. Beide Behörden murmelten vorsichtig etwas davon, daß sie vielleicht in der Tat Major Rupert Tyderman bitten wollten, ihnen bei ihren Nachforschungen behilflich zu sein. Am Samstagnachmittag flog ich Colin noch einmal nach Haydock und zurück — ohne Zwischenfälle; den Samstagabend verbrachte ich wieder zufrieden in Newmarket; am Sonntag flog ich Colin nach Buckingham und von dort aus in der Aztec weiter nach Ostende. Schaffte es, Harley aus dem Weg zu gehen, bis ich Sonntagabend zurückkam und er schon auf mich wartete, als ich zum Hangar rollte. Er maulte über eine halbe Stunde lang herum, erklärte mir, daß man sich an die Buchstaben des Gesetzes halten müsse. Der Kern seiner Einlassungen war, daß Nancy auch ohne mich irgendwo auf dem flachen Land von Ostengland sicher hätte landen können. Es einfach getan haben müßte. Sie wäre gegen keinen von all diesen Funktürmen und Kraftwerksschornsteinen geprallt, die über das Gebiet verstreut waren und in die Wolken geragt hatten wie lange Nadeln. Sie waren natürlich alle auf ihrer Karte eingetragen und hätten sie in tausend Nöte gebracht. Sie hätte gewußt, daß sie eine gute Chance hatte, einen davon zu treffen, wenn sie auf gut Glück hinunterging. Der Fernsehturm von Mendlesham brachte es auf mehr als tausend Fuß… Aber, sagte Harley, es wäre ihr schon nichts passiert. Bestimmt wäre ihr nichts passiert.