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«Colin… Colin Ross?«fragte ich.

Sie nickte geistesabwesend.

«Sind Sie seine Frau?«

Sie schaute überrascht auf und lachte dann.»Gütiger Himmel, nein. Ich bin seine Schwester. Ich habe ihn gerade im Führring getroffen und gefragt: >Hat er meine Handtasche mitgebracht?<, und er hat den Kopf geschüttelt und wollte irgend etwas sagen, aber da war ich schon fuchsteufelswild auf dem Weg hierher. Wahrscheinlich wollte er mir erzählen, daß diesmal ein anderer Pilot… ah, verdammt. Ich hasse es, beklaut zu werden. Colin hätte ihm ganz bestimmt hundert geliehen, wenn er das Geld wirklich so dringend gebraucht hätte. Er hätte sie nicht zu klauen brauchen.«

«Eine schöne Stange Geld, um sie in einer Handtasche aufzubewahren«, meinte ich.

«Colin hatte sie mir gerade erst gegeben. Im Flugzeug. Irgendein Besitzer hatte ihm ein hübsches Sümmchen bar auf die Hand gegeben, und er hat mir einen Hunderter geschenkt, damit ich eine Rechnung bezahlen konnte. Wirklich lieb von ihm. Ich kann ja kaum erwarten, daß er mir noch mal hundert gibt, bloß weil ich so dumm war, meine Handtasche irgendwo rumliegen zu lassen…«Ihre Stimme verlor sich in Trübsal.

«Mit dem Geld«, fügte sie unglücklich hinzu,»wollte ich meine Flugstunden bezahlen.«

Ich sah sie mit einigem Interesse an.»Wie weit sind Sie denn?«

«Oh, den Flugzeugführerschein habe ich schon«, sagte sie.»Bei diesen Stunden ging es um Instrumentenflug. Und Funknavigation und den ganzen Kram. Ich habe insgesamt fünfundneunzig Flugstunden. Allerdings über vier Jahre verteilt, traurig, aber wahr.«

Damit gehörte sie in die Klasse der fortgeschrittenen Anfänger — ein überaus gefährliches Stadium. Nach achtzig Flugstunden fällt man bereits der Vorstellung zum Opfer, man wüßte genug. Nach hundert Stunden weiß man zumindest, daß dem keineswegs so ist. Dazwischen erreicht die Unfallquote ihren Höhepunkt.

Sie stellte mir eine Reihe Fragen über das Flugzeug, und ich antwortete ihr. Dann sagte sie:»Tja, ziemlich zwecklos, den ganzen Nachmittag hier rumzusitzen«, und begann, sich auf die Tragfläche hinauszustemmen.»Kommen Sie mit rüber zu den Rennen?«

«Nein. «Ich schüttelte den Kopf.

«Ach, geben Sie sich doch einen Ruck«, sagte sie.»Bitte.«

Die Sonne schien, und das Mädchen war ausgesprochen hübsch. Ich lächelte, sagte» Okay «und schwang mich ebenfalls hinaus auf den Rasen. Sinnlos, jetzt darüber zu spekulieren, was alles anders verlaufen wäre, wäre ich geblieben, wo ich war.

Ich holte meine Jacke aus dem hinteren Gepäckraum, verschloß sämtliche Türen und marschierte mit dem Mädchen quer über die Rennbahn. Der Mann am Tor ließ mich pflichtbewußt in den Führring ein, und Colins Schwester machte keine Anstalten, mich nun, nachdem sie mir Zutritt verschafft hatte, mir selbst zu überlassen. Statt dessen diagnostizierte sie meine nahezu komplette Unkenntnis und schien sich darüber zu freuen, etwas dagegen unternehmen zu können.

«Sehen Sie dieses braune Pferd da drüben?«fragte sie und lotste mich auf die Rails des Führrings zu.»Das Pferd, das am anderen Ende geht, die Nummer sechzehn, das ist das Tier, das Colin in diesem Rennen reitet. Es ist etwas leicht gebaut, macht aber sonst einen ganz guten Eindruck.«

«Ah, wirklich?«

Sie sah mich belustigt an.»Eindeutig.«

«Dann soll ich wohl darauf setzen?«

«Sie nehmen das alles hier nicht ernst.«»Doch«, protestierte ich.

«O nein, natürlich nicht. «Sie nickte.»Sie beobachten diesen Renntag so, wie ich einem Haufen Spiritisten zusehen würde. Ungläubig und etwas von oben herab.«

«Autsch.«

«Aber was Sie hier wirklich vor sich sehen, ist eine große Exportindustrie bei der Vermarktung ihrer Produkte.«

«Das werde ich mir merken.«

«Und wenn diese Industrie ihrem Geschäft hier draußen nachgeht, an einem schönen, sonnigen Tag, inmitten von Leuten, die ihren Spaß haben — na gut, dann um so besser.«

«So betrachtet«, sagte ich,»ist es auf jeden Fall spaßiger als eine Autofabrik.«

«Sie werden sich schon noch dafür erwärmen«, sagte sie entschieden.

«Nein. «Ich war mir genauso sicher.

Sie nickte heftig mit dem Kopf.»Werden Sie doch. Jedenfalls, wenn Sie viel Rennplatztaxi fliegen. Die Pferde werden durch Ihre kühle Schale dringen, und Sie werden zur Abwechslung einmal etwas empfinden.«

Ich staunte.»Reden Sie immer so mit völlig fremden Menschen?«

«Nein«, sagte sie langsam,»für gewöhnlich nicht.«

Die leuchtend bunten kleinen Jockeys strömten in den Führring und verteilten sich auf die kleinen, ernsten Grüppchen von Besitzern und Trainern, die mit viel Kopfnicken bedeutungsschwere Gespräche führten. Gemäß den Anweisungen von Colin Ross’ Schwester gab ich mir Mühe, das Ganze einigermaßen ernst zu nehmen. Ohne besonderen Erfolg.

Colin Ross’ Schwester…

«Haben Sie auch einen Namen?«fragte ich.

«Normalerweise schon.«

«Danke.«

Sie lachte.»Ich heiße Nancy. Und Sie?«

«Matt Shore.«

«Hm. Kurz und bündig. Paßt zu Ihnen.«

Die Jockeys wurden wie Konfetti hochgeworfen, landeten in ihren Sätteln, und ihre spindeldürren, glänzenden, langbeinigen Transportmittel tänzelten mit ihnen auf die Bahn hinaus. Zweijährige, sagte Nancy.

Sie führte mich zu den Tribünen und erbot sich, mich in den für Trainer und Besitzer reservierten Bereich hineinzuschmuggeln. Der Ordner am Fuß der Treppe strahlte sie an, daß ihm fast die Augen aus dem Kopf fielen, und vergaß dabei ganz, mich auf das richtige Stückchen Papier hin zu untersuchen.

Anscheinend war Nancy mit nahezu jedem auf der Dachtribüne bekannt, und offensichtlich stimmten die Leute hier mit der Einschätzung des strahlenden Ordners vollkommen überein. Sie machte mich mit mehreren Leuten bekannt, deren Interesse an mir wie ein kaltgewordenes Souffle in sich zusammenfiel, als sie feststellen mußten, daß ich den Rennjargon nicht verstand, mit dem sie mich überschütteten.

«Er ist Pilot«, erklärte Nancy entschuldigend.»Er hat Colin heute hergeflogen.«

«Ah«, sagten sie.»Ah.«

Auf der Tribüne sah ich auch zwei von meinen Passagieren. Annie Villars sah mit aufmerksamem Blick und geschürzten Lippen zu, wie die Pferde unten vorbeigaloppierten: ganz Feldmarschall, die feminine Tarnung abgelegt. Major Tyderman stand breitbeinig und kerzengerade da und kritzelte etwas in sein Rennprogramm. Als er aufblickte und uns sah, steuerte er entschlossen auf uns zu.

«Sagen Sie«, sprach er mich an, da er offensichtlich meinen Namen vergessen hatte,»wissen Sie, ob ich meine Sporting Life im Flugzeug liegengelassen habe?«

«Ja, haben Sie, Major.«

«Teufel auch!«sagte er.»Ich habe mir ein paar Notizen darin gemacht… Brauche sie dringend, wissen Sie. Werde sie mir nach diesem Rennen wohl holen müssen.«

«Soll ich sie Ihnen holen?«fragte ich.

«Das ist sehr nett von Ihnen, mein lieber Junge, aber — nein — das wäre wohl doch zuviel verlangt. Die paar Schritte werden mir guttun.«

«Das Flugzeug ist abgeschlossen, Major«, sagte ich.»Sie brauchen die Schlüssel. «Ich holte sie aus der Tasche und gab sie ihm.

«Richtig. «Er nickte steif.»Gut.«

Das Rennen begann am anderen Ende des Geläufs und war vorbei, bevor es mir gelang, die Farben von Colin Ross zu entdecken. Ganz zum Schluß war das allerdings sehr einfach. Er hatte gewonnen.

«Wie geht es Midge?«fragte Annie Villars Nancy, während sie ihr riesiges Fernglas im Futteral verstaute.

«Schon viel besser, danke. Sie erholt sich prächtig.«

«Das freut mich sehr. Sie hat eine schlimme Zeit hinter sich, das arme Mädchen.«