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Acey Jones, der für die Versicherung die Trommel gerührt hatte.

Acey Jones, Carthy-Todd. Hochstapler waren die besten Schauspieler der Welt.

Ich hörte ihn nicht kommen.

Ich legte den Gips zurück in den Schrank, richtete mich auf und wollte gerade die Schranktür schließen, als ich ihn aus den Augenwinkeln heraus ins Büro kommen sah. Ich hatte die Bürotür nicht hinter mir geschlossen, als ich aus dem Nebenzimmer zurückgekommen war. Ich hatte mich selbst um jede Reaktionszeit gebracht. Sein Gesicht wurde starr vor Zorn, als er sah, was ich entdeckt hatte.

«Ein neugieriger Pilot«, sagte er.»Als der Herzog mir erzählte, er habe Ihnen den Schlüssel gegeben…«Er hielt inne, vor Wut unfähig weiterzusprechen. Seine Stimme war jetzt anders, weder das Rugby von Carthy-Todd noch das Australisch von Acey Jones. Einfach normales, akzentfreies Englisch. Ich fragte mich kurz, wo er wohl herkam, wer er wohl wirklich war — tausend verschiedene Menschen, tausend Namen für tausend verschiedene Verbrechen.

Die blaß blaugrauen Augen, die mich durch die schwere, schwarzgefaßte Brille unverwandt anstarrten, kochten förmlich. Die nicht so recht dazu passenden weißen Augenlider, die Matthew aufgefallen waren, verliehen ihm nun eine wilde, fanatische Ruchlosigkeit. Die Entscheidung, zu der er sich durchrang, würde nicht zu meinem Besten ausfallen.

Er steckte die Hand in die Hosentasche und zog sie schnell wieder heraus. Ein scharfes Klicken. Ich starrte auf das Messer, das er da aufgeklappt hatte, und dachte mit einem Schreckensschauder an Rupert Tyderman, der tot an einem Bahndamm gelandet war.

Er machte einen Schritt zur Seite und stieß mit dem Fuß die Tür zu. Ich drehte mich zum Kaminsims um, um irgend etwas in die Hand zu bekommen, was dort stand — eine Fotografie, eine Zigarettendose, irgend etwas, das ich als Waffe oder Schild benutzen konnte.

Ich kam aber nicht mehr dazu, irgend etwas in die Hand zu nehmen, denn er ging nicht mit dem Messer auf mich los.

Er warf es.

Kapitel 15

Es traf mich ins linke Schulterblatt, mit einer Wucht, die mich aus der Drehung heraus nach vorn stürzen ließ, so daß ich mit der Stirn voll auf die Kante des marmornen Kaminsimses schlug. Kurz bevor ich die Besinnung verlor, versuchte ich den Sturz mit der Hand abzufangen, aber wo ich hingriff, war nichts, nur die leere schwarze Höhle des Kamins, und so stürzte ich geradewegs hinein, krachte mitten in das Kaminbesteck. hörte nicht mehr viel von dem Krachen… und dann überhaupt nichts mehr.

Ich erwachte langsam, verkrampft, unter Schmerzen, nachdem wohl nicht einmal eine Viertelstunde vergangen war. Alles war still. Kein Laut. Kein Mensch. Nichts.

Ich konnte mich nicht erinnern, wo ich war und was geschehen war. Nicht, bis ich versuchte aufzustehen. Dann holte mich der reißende Schmerz in meiner Schulter schlagartig wieder in die Realität zurück.

Hatte ein Messer im Rücken.

Mit dem Gesicht zwischen den Stocheisen tastete ich behutsam mit meiner rechten Hand danach. Leicht wie eine Feder fuhr ich mit den Fingern über das Heft. Die zarte Berührung ließ mich laut aufschreien. Es war furchtbar.

An welche Dummheiten man in solch einer Katastrophe denkt. Ich dachte: Verflucht, nur noch drei Wochen und

ein Tag bis zu meiner nächsten flugmedizinischen Untersuchung. Das schaffe ich nie…

Man soll ein Messer niemals aus der Wunde ziehen, heißt es. Dann blutet es nur um so schlimmer. Es kann tödlich sein, ein Messer aus der Wunde zu ziehen. Also. zum Teufel damit. Ich wußte nur, daß Acey/Carthy-Todd mich hier zurückgelassen hatte, weil er mich für tot hielt, und wenn er mich bei seiner Rückkehr lebendig vorfand, würde er sein Werk mit Sicherheit zu Ende führen. Also mußte ich aus dem Büro verschwinden, bevor er zurückkam. Und es wäre doch etwas unpassend gewesen, mit einem Messer im Rücken durch Warwick zu laufen. Also zog ich es heraus.

Ich mußte zweimal ziehen und verlor danach jedesmal mehr oder weniger das Bewußtsein. Redete mir ein, das sei die Gehirnerschütterung, die ich mir am Kaminsims zugezogen hatte, aber ich schrie auch dabei. Hält nichts aus, dieser Matt Shore.

Als es heraus war, blieb ich eine Weile liegen, wo ich lag, starrte das Messer an, greinte schwach und spürte, wie sich die klebrige Wärme langsam ausbreitete. Aber ich wurde innerlich etwas ruhiger, weil ich mir jetzt ziemlich sicher war, daß das Messer nicht in meiner Lunge gesteckt hatte. Es mußte mein Schulterblatt wohl von der Seite her getroffen haben: Es hatte zwar fast zehn Zentimeter tief daringesteckt, aber schräg, nicht gerade. Ich würde nicht sterben. Noch nicht jedenfalls.

Nach einer Weile richtete ich mich auf, zunächst auf die Knie. Ich hatte nicht endlos Zeit. Ich legte die Rechte auf Carthy-Todds Schreibtisch und zog mich dann hoch.

Schwankte. Fand, daß bestimmt alles viel schlimmer würde, wenn ich wieder stürzte. Lehnte mich an den Schreibtisch und blickte mich unsicher im Büro um.

Die unterste Schublade des zweiten Aktenschrankes stand offen.

Das sollte sie nicht. Ich hatte sie geschlossen.

Offen.

Ich schob mich vom Schreibtisch weg und wagte einige Schritte. Wankte. Schaffte es. Lehnte mich geschwächt an die Wand. Sah in die Schublade.

Die beiden Pappkartons waren noch da. Die leere Blechbüchse auch. Die kleine, schwere Büchse nicht mehr.

Stellte nüchtern fest, daß Zukunft für mich nicht länger bedeutete, nur mich selbst in Sicherheit zu bringen, sondern auch den Herzog zu erreichen, bevor die Bombe explodierte.

Es waren nur vierhundert Meter. nur.

Ich muß es tun, dachte ich, denn wenn ich nicht Carthy-Todds Büro durchsucht hätte, dann wäre Carthy-Todd jetzt nicht in solcher Eile.

Wenn ich nicht auftauchte, um die Whiteknights heimzufliegen — das heißt, wenn ich nirgends mehr auftauchte außer vielleicht in einem Graben mit einer Stichwunde im Rücken —, konnte der Herzog sagen, wo ich mich zuletzt aufgehalten hatte… Und Carthy-Todd würde polizeiliche Nachforschungen scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Er würde sie nicht abwarten. Sondern meine Spuren auslöschen.

Noch etwas fehlte in dem Büro. Ich konnte aber nicht sagen, was, sondern nur, daß etwas fehlte. Die Frage quälte mich einen Augenblick lang, aber ich beließ es dabei. Glaubte nicht, daß es wichtig sein könne…

Ich ging nach reiflicher Überlegung zur Tür. Öffnete sie, ging hinaus. Verharrte auf dem Treppenabsatz, schwindelig, schwach.

Gut. Irgendwie mußte ich hinunter. Mußte einfach.

Der Handlauf war an der linken Seite. Ich brachte es nicht fertig, den linken Arm zu heben. Drehte mich also herum, straffte mich und ging die Treppe rückwärts hinunter.

«Siehst du«, sagte ich laut zu mir selbst.»Du kannst es, verdammt. «Konnte mich selbst nicht überzeugen. Aber der Gedanke an Carthy-Todd überzeugte.

Ich lachte schwach. Ich hatte bei der Versicherung meinen vollen Beitrag bezahlt. Wäre zu schön, wenn Carthy-Todd mir etwas auszahlen müßte… Tausend Eier für ein Messer im Rücken. Herrlich.

Schob mich hinaus auf die Straße in den heißen Sonnenschein, so hohl im Kopf wie die sprichwörtliche Blondine.

Der blonde Acey Jones…

Acey Jones stand unter Zugzwang. War in Eile. Wußte, daß ich ihm auf die Schliche gekommen war, glaubte aber, er könne die Situation noch retten. Immer noch seine Zweihunderttausend machen. Wenn er die Nerven behielt. Wenn er den Herzog auf der Stelle umbrachte, an diesem Nachmittag, und es irgendwie als einen Unfall hinstellte. Wenn er mich später irgendwo ablud, so wie er es mit dem Major getan.