Выбрать главу

Nancy nickte und lächelte, und alles trabte die Treppe hinunter.

«So, das wär’s«, sagte Nancy.»Wie steht’s jetzt mit einem Kaffee? Und vielleicht einer Kleinigkeit zu beißen?«

«Sie kennen hier doch sicher den einen oder anderen, mit dem Sie lieber Ihre Zeit verbringen… Ich komme auch allein zurecht.«

Ihre Lippen zuckten.»Ich brauche heute einen Leibwächter. Und ich habe Sie für den Job vorgesehen. Sie können mich ruhig im Stich lassen, wenn Sie wollen, aber falls nicht, bleiben Sie bitte da.«

«Kein Problem«, sagte ich.

«Toll. Also dann, auf zum Kaffee.«

Es gab Eiskaffee, und zwar einen ziemlich guten. Nach der Hälfte der Truthahnsandwiches kam der Grund, warum Nancy mich bei sich haben wollte, an unseren kleinen Tisch geschlendert und küßte sie von oben bis unten ab. Sie wehrte sich gegen etwas, das für mich aussah wie eine zufällige Ansammlung von langen Haaren, Bart, Perlen, Fransen und einem Kleidungsstück, das ich für ein Tischtuch mit einem Loch in der Mitte gehalten hätte. Aus diesem ganzen Gewühl erscholl jetzt ihre Stimme:»Kamerad, es wird ernst. Ihr Einsatz.«

Ich stand auf, streckte beide Hände aus, erwischte ein Gewirr aus Wolle und Haaren, das ich entschlossen von Nancy wegzerrte. Es entpuppte sich schließlich als ein überraschter, noch relativ junger Mann, der viel plötzlicher Platz nahm, als er beabsichtigt hatte.

«Nancy«, sagte er gekränkt.

«Das ist Chanter«, klärte sie mich auf.»Er ist dem Hippiezirkus nie entwachsen, wie man leicht sehen kann.«

«Ich bin Künstler«, sagte er. Er trug ein besticktes Stirnband: wie das Zaumzeug bei den Pferden, dachte ich flüchtig. Die Haarpracht war sauber, sein Gesicht flek-kenweise glatt rasiert, nur um zu beweisen, daß der Wildwuchs keine pure Faulheit war. Bei näherem Hinsehen vergewisserte ich mich, daß es sich bei seinem Gewand tatsächlich um ein dunkelgrünes Chenilletisch-tuch handelte, mit einem Loch in der Mitte für seinen Kopf. Darunter trug er eine Wildlederhose, die von der Hüfte bis zu den Knöcheln gefranst war, und ein grausiges Hemd aus stumpfem, malvenfarbenem Krepp, das sich wie angegossen über seinen flachen Bauch legte. Um den Hals baumelten ihm zahlreiche Ketten und Silbergehänge. Und unter der ganzen Pracht sahen schmutzige, nackte Füße hervor.

«Ich habe mit ihm zusammen die Kunsthochschule besucht«, sagte Nancy resigniert.»Das war in London. Jetzt wohnt er in Liverpool, nur einen Katzensprung entfernt. Jedesmal, wenn ich zu den Rennen hierherkomme, taucht er auch auf.«

«Hömm«, sagte Chanter tiefschürfend.

«Gibt es denn heute beliebig lange Studienbeihilfe?«fragte ich. Das war kein Hohn. Ich wollte es einfach wissen.

Er war nicht beleidigt.»Hey Mann, hier oben bin ich doch der Steißtrommler.«

Ich hätte fast gelacht. Nancy sagte:»Dann wissen Sie also, was das heißt?«

«Er gibt Unterricht«, sagte ich.

«Ja, Mann, genau das habe ich gesagt. «Er nahm sich eins der Truthahnsandwiches. Seine Finger waren grünlich mit schwarzen Streifen. Farbe.

«Und Sie belästigen dieses kleine Vögelchen nicht mit Ihren schmutzigen Gedanken«, sagte er zu mir, wobei er ein paar Brotkrümel ausspuckte.»Das ist ausschließlich mein Territorium. Und zwar ganz ausschließlich, Mann.«

«Tatsache?«

«Tatsache — definitiv, Mann.«

«Wieso?«

Der Blick, den er mir zuwarf, war genauso abartig wie seine Erscheinung.

«Ich hab noch etwas Salz, das ich diesem kleinen Vögelchen auf den Schwanz streuen muß«, sagte er.»Werde nicht lockerlassen, bis es an Ort und Stelle ist.«

Nancy sah ihn mit einem Ausdruck an, als wüßte sie nicht, ob sie ihn auslachen oder sich vor ihm fürchten sollte. Sie konnte nicht so recht entscheiden, ob er nun Chanter, der liebestolle Clown, war oder Chanter, der frustrierte Lustmolch. Ich konnte es auch nicht. Aber ich verstand, daß sie Hilfe brauchte, wenn er in der Nähe war.

«Er will mich bloß, weil ich nicht will«, sagte sie.

«Die Sache mit der Herausforderung. «Ich nickte.»Verletzung des männlichen Stolzes und so weiter.«

«Praktisch alle anderen Mädchen wollten«, sagte sie.

«Das macht die Sache noch schlimmer.«

Chanter sah mich düster an.»Sie sind echt ätzend, Mann. Ich meine, einfach öde.«

«Jedem das Seine«, sagte ich ironisch.

Er nahm sich das letzte Sandwich, wandte mir demonstrativ den Rücken zu und sagte zu Nancy:»Wollen wir beide, du und ich, diesen Schmutz jetzt abschütteln?«

«Wir beide wollen nichts dergleichen tun, Chanter. Wenn du hinter mir herlatschen willst, mußt du Matt mit in Kauf nehmen.«

Er blickte finster zu Boden und stand dann so abrupt auf, daß die Fransen und Perlen hüpften und klimperten.

«Na, dann los. Sehen wir uns die Pferde an. Das Leben ist kurz genug.«

«Er kann übrigens wirklich zeichnen«, sagte Nancy, als wir dem Tischtuch hinaus in den Sonnenschein folgten.

«Das würde ich nie bezweifeln. Aber ich wette, die Hälfte seiner Arbeiten sind Karikaturen, mit einem deutlich grausamen Zug.«

«Woher wissen Sie das?«fragte sie überrascht.

«Es sähe ihm ähnlich.«

Er trottete auf seinen nackten Füßen neben uns her, und seine für einen Rennplatz hinreichend ungewöhnliche Erscheinung wurde denn auch von fast jedermann angestarrt, teilweise belustigt, teilweise voller Zorn. Er schien nichts davon zu bemerken. Nancy machte den Eindruck, als sei sie daran gewöhnt.

Wir blieben vor den Rails des Führrings stehen, wo Chanter seine Ellbogen aufstützte und zu einer Rede ansetzte.

«Pferde«, sagte er.»Ich habe nichts übrig für dies Zeug von Stubbs und Munnings. Wenn ich ein Rennpferd sehe, sehe ich eine Maschine, und das ist es auch, was ich male, eine Maschine in Pferdegestalt, mit stampfenden Kolben und Muskelfasern wie Pleuelstangen und einem Riß in der Öl wanne, durch den das Öl Tröpfchen für Tröpfchen in die Körperhöhle sickert…«Er brach jäh ab und fragte im selben Atemzug:»Wie geht es deiner Schwester?«

«Schon viel besser«, sagte Nancy, der der abrupte Themenwechsel anscheinend nicht weiter auffiel.»Es geht ihr im Augenblick ganz gut.«

«Schön«, sagte er und fuhr augenblicklich mit seinem Vortrag fort.»Und dann zeichne ich ein paar ferne, überquellende Tribünen mit in die Luft fliegenden Hüten, und alles klatscht, und während der ganzen Zeit verausgabt sich die Maschine total, gibt ihr Letztes… Ich sehe Komponenten, ich sehe, was mit den einzelnen Teilen geschieht… die Spannungen… Ich sehe auch Farben in Komponenten… Nichts auf der Welt ist ein Ganzes…

Nichts ist jemals, was es zu sein scheint… Alles besteht aus Komponenten. «Er hielt abrupt inne und dachte über das, was er gesagt hatte, nach.

Nach einer angemessenen Pause der Bewunderung fragte ich:»Verkaufen Sie Ihre Gemälde eigentlich?«

«Sie verkaufen?«Er warf mir einen verächtlichen, überlegenen Blick zu.»Nein, das tue ich nicht. Geld ist ekelhaft.«

«Es ist noch ekelhafter, wenn man es nicht hat«, sagte Nancy.

«Du bist eine Verräterin, Mädchen«, sagte er heftig.

«Mit zwanzig«, sagte sie,»ist es ganz in Ordnung, von Luft und Liebe zu leben, aber mit sechzig ist es ziemlich mies.«

«Ich habe nicht vor, sechzig zu werden. Sechzig ist ein Alter für Großväter. Nicht mein Ding.«

Wir wandten uns von den Rails ab und standen plötzlich Major Tyderman gegenüber, der seine Sporting Life unterm Arm trug und mir die Flugzeugschlüssel hinhielt. Sein Blick glitt über Chanter — seine Selbstbeherrschung war bewunderungswürdig. Zuckte mit keiner Wimper.

Er gab mir die Schlüssel, nickte, warf noch einen Blick auf Chanter und trat einen geordneten Rückzug an.

Nicht einmal Nancy zuliebe war der Ordner bereit, Chanter die Treppe zu dem Bereich der» Besitzer und Trainer «hinaufzulassen. Wir sahen uns die Rennen auf Rasenhöhe an, während Chanter in regelmäßigen Abständen» stinkende Bourgeoisie «vor sich hin murmelte.