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Jamie schlief ruhig in der Obhut eines schwarzen Kabinenmädchens, und Irene war begierig darauf, Beauregard Devlin beim Spiel zuzusehen. Sie fanden den Spieler und seinen schwarzen Partner in einem der größten Salons, der eigens für den Spielbetrieb hergerichtet war und an dessen Tischen die Glücksgöttin auf die unterschiedlichsten Arten herausgefordert werden konnte. An den Wänden standen hölzerne oder eiserne Maschinen, die man mit kleinen Münzen füttern konnte und die, wenn man das nötige Glück hatte, ein Mehrfaches des Einsatzes ausspuckten; meistens allerdings behielt der Automat den Einsatz.

Devlin und Illinois standen an der langen Bar, nippten hin und wieder an einem Drink und schienen damit zufrieden zu sein, den anderen beim Spiel zuzuschauen. Irene fiel auf, daß Devlins Blick auf einen ganz bestimmten Pokertisch fixiert war, an dem ein etwa fünfzigjähriger Mann mit ergrauendem Haar und buschigem Schnurrbart den Ton angab. Er schien eindeutig der beste Spieler oder das größte Glückskind der Runde zu sein, denn immer wieder strich er den Gewinn ein. Nur selten konnte einer der anderen Spieler diesen Vorteil für sich verbuchen.

»Sie sitzen nicht am Spieltisch, Mr. Devlin?« fragte Jacob verwundert, als er und seine Freunde sich zu dem Spieler und seinem Schatten gesellten.

»Noch nicht«, korrigierte ihn der Mann im eleganten Dreiteiler. »Ich warte, bis mein Platz frei wird.«

Irene sah ihn erstaunt an. »Man kann sich Plätze reservieren lassen?«

Devlin lachte, was Irene nicht beleidigend, sondern sehr sympathisch fand. Es klang wie das unbeschwerte, ehrliche Lachen eines Kindes, das von der Bosheit der Welt noch nichts wußte.

»Nein, Miß Sommer, ich habe mir keinen Platz reservieren lassen. Aber es gibt einen ganz bestimmten Tisch, an dem ich gern mitspielen möchte, und an diesem Tisch sind zur Zeit alle Plätze besetzt.«

Irene glaubte den Tisch zu kennen, von dem er sprach. Es mußte der sein, an dem der grauhaarige Fünfziger mit der polternden Stimme den Ton angab.

Dort stand jetzt ein spindeldürrer Mann von seinem Stuhl auf, kratzte die wenigen ihm verbliebenen Chips zusammen und ging zum Barmann, um sie in Geld einzutauschen.

Devlin nahm sein Bourbonglas von der Theke und steuerte zielstrebig, aber doch mit äußerer Gelassenheit auf den Tisch zu. Illinois trank den letzten Schluck Cognac aus seinem Glas, stellte es zurück auf die Theke und folgte seinem Freund.

»Gestatten die Gentlemen, daß ich den freigewordenen Platz besetze?« fragte Devlin und tippte dabei höflich an seinen Hut.

Die Männer am Spieltisch äußerten ihre Zustimmung. Nur einer sagte nichts, sah Devlin lediglich mit stierem Blick an. Es war der Mann mit dem grauen Haar und dem buschigen Schnurrbart. Der Mann, vor dem sich die meisten Spielchips auftürmten.

Die Art, wie sich sein Blick und der Devlins kreuzten, ließ Irene erschauern. Sie wußte sofort, daß sich die beiden Männer nicht zum erstenmal begegneten. Sie strahlten eine fast körperlich spürbare Feindschaft aus.

»Wenn Sie unbedingt Ihre Dollars verlieren möchten, Mr. Devlin, nehmen Sie Platz«, sagte endlich der Grauhaarige, ohne daß er sich anmerken ließ, ob ihm der neue Mitspieler tatsächlich willkommen war. Sein Gesichtsausdruck ließ Irene eher das Gegenteil vermuten.

Während sich Devlin setzte, postierte sich Illinois so hinter ihm, daß niemand seinem Partner in die Karten sehen konnte.

»Woher wissen Sie, daß ich meine Dollars verlieren werde?« fragte Devlin, während er aus seinen Taschen die Chips kramte und vor sich auftürmte, die er zuvor beim Barmann eingetauscht hatte. »Kennen Sie etwa die Karten, bevor sie ausgeteilt werden, Mr. LaGrange?«

Ein Zucken durchlief das faltige Gesicht des Grauhaarigen. »Was wollen Sie damit sagen, Devlin?«

»Ich?« tat der elegante Spieler unschuldig. »Gar nichts. Ich habe Ihnen nur eine Frage gestellt.«

Ein bulliger, stark schwitzender Mann mischte sich ein. »Unterhalten wir uns, oder spielen wir Poker?«

Devlin lächelte. »Sie haben recht, Sir, wir spielen Poker. Wer gibt?«

»Ich«, antwortete der Bullige und begann die Karten zu mischen.

Irene wandte sich an den rothaarigen, irisch aussehenden Barmann, der von allen einfach Gerald genannt wurde. »Wer ist dieser Mr. LaGrange, der das meiste Geld zu gewinnen scheint?«

»Mr. LaGrange besitzt eine der größten Baumwollplantagen in Missouri, Ma'am. Jetzt, wo die Baumwolle des Südens durch den Krieg für den Norden ausfällt, laufen seine Geschäfte noch besser. Er fährt sehr oft auf dem Mississippi, um Geschäfte abzuwickeln und zu pokern.«

»Und der Mann hinter ihm?«

Irene war aufgefallen, daß auch LaGrange einen Schatten zu haben schien. Einen untersetzten blonden Mann mit extrem breiten Schultern.

»Das ist Mr. Steve Prescott. Er arbeitet für Mr. LaGrange.«

»Danke«, sagte Irene nur. Sie konnte sich schon denken, worin Prescotts Arbeit bestand. Er war das Gegenstück zu Jim Illinois.

Inzwischen waren die Karten ausgeteilt, und die Spieler hatten eine oder auch mehrere gegen neue ausgetauscht. Nur Devlin schien mit seinem Blatt so zufrieden zu sein, daß er keine neuen Karten wollte. Da er als erster mit dem Setzen dran war, erkundigte er sich nach dem Limit.

»Einhundert Dollar, Mister«, sagte der Bullige nicht ohne Stolz. »Wir pokern nämlich hier und treiben keine Kinderspiele.«

»Gut«, sagte Devlin und schob einen großen Perlmuttchip mit einer eingestanzten >100< in die Mitte der Tischplatte. »Ich setze also hundert Dollar.«

Damit fing er sich nicht nur die verblüfften Blicke seiner Mitspieler ein, sondern auch die der umstehenden Personen. Es war absolut ungewöhnlich, ein Spiel mit einem hohen Einsatz zu beginnen. Normalerweise tastete man sich mit niedrigen Einsätzen erst an seine Mitspieler heran, um zu sehen, wie sie reagierten.

Schon kam unter den Leuten im Salon Getuschel auf, Devlin müsse ein außergewöhnlich gutes Blatt besitzen. Sie erhielten keine Chance, sich dessen zu vergewissern; Devlins fünf Karten lagen mit dem Bild nach unten vor ihm auf dem Tisch, nachdem er sie einmal kurz betrachtet hatte.

»Sie bluffen, Mister«, meinte der Spieler links neben Devlin, ein kahlköpfiger älterer Mann.

»Wenn das so ist«, erwiderte Devlin ruhig, »können Sie ja ohne Risiko Ihren Einsatz machen.«

»Aber was ist, wenn Sie nicht bluffen?« fragte der Kahlkopf zweifelnd, und allmählich brach bei ihm ebenso der Schweiß aus wie schon seit längerer Zeit bei dem Bulligen rechts neben Devlin.

»Dann sollten Sie besser aussteigen«, antwortete Devlin kühl und sah den Älteren an, als könnte er kein Wässerchen trüben.

»Das werde ich auch tun!« stieß der Kahlkopf hervor und klatschte mit einem erleichterten Aufatmen sein Blatt auf den Tisch.

»Und was ist mit Ihnen, Sir?« fragte Devlin in unveränderter Gelassenheit den fast wie einen Geistlichen gekleideten Mann neben dem Kahlkopf.

»Ich bin auch draußen.«

Fast alle waren draußen bis auf Devlin, LaGrange und den Bulligen, der auf den Namen Barslow hörte. Die beiden letzteren gingen mit jeweils hundert Dollar mit.

»Fein«, sagte Devlin und setzte weitere hundert.

LaGrange ging wieder mit, aber Barslow stieg mit der Bemerkung aus, ein so hoher Einsatz und sein schlechtes Blatt paßten nicht zusammen.

»Schade«, meinte Devlin und setzte wieder hundert Dollar.

In LaGranges Gesicht begann es zu arbeiten, als der Plantagenbesitzer überlegte, wie er Devlins Verhalten einschätzen sollte. Es war offensichtlich, daß ihm die Entscheidung nicht leichtfiel. Schließlich schob auch er weitere hundert Dollar in Perlmutt auf den Tisch.