Bei dem Plantagenbesitzer schien es nicht anders zu sein. Sobald Devlin mit Jacob den großen Spielsalon betrat, wo LaGrange bereits in einer Pokerrunde saß - hinter ihm der unvermeidliche Steve Prescott -, winkte er Devlin und rief: »Noch ist ein Platz frei. Kommen Sie nur und setzen Sie sich, Devlin. Vielleicht kann ich mir etwas von dem Geld zurückholen, das Sie mir gestern abgenommen haben.«
»Sie haben in Ihrem Leben doch schon genug gewonnen«, sagte Devlin und setzte sich auf den freien Stuhl, während Jacob für ihn beim Barmann Spielchips einwechselte. Und zwar in der beträchtlichen Höhe von fünftausend Dollar.
Jacob hatte das Gefühl, daß der irische Barmann besonders nervös war, und schob es auf die allgemeine Anspannung der Menschen im Spielsalon, die darauf warteten, wie das Duell am Pokertisch heute ausgehen würde. Aus aller Augen waren lauernde, neugierige Blicke auf Devlin und LaGrange gerichtet.
Auch Martin erschien in dem Salon, nachdem er Irene in ihre Kabine begleitet hatte. Sie weigerte sich, der Pokerpartie angesichts von Jim Illinois' möglichem Tod beizuwohnen.
Die Leute, die sich um den Pokertisch versammelten, staunten über die Anzahl der Perlmuttchips, die Jacob vor Devlin ablud. Allerdings lagen vor LaGrange kaum weniger Chips.
Jacob fiel auf, daß heute im linken Auge des Plantagenbesitzers ein Monokel saß. Irgendwie paßte das nicht zu dem etwas grobschlächtigen Mann mit der polternden Stimme.
Das erste Spiel begann, und es endete mit einem Sieg für den bulligen, stets schwitzenden Mr. Barslow, dessen drei Zehnen niemand etwas entgegenzusetzen hatte.
Jacob stand hinter Devlin, beobachtete die umstehenden Leute und achtete darauf, daß keiner seinem Bekannten in die Karten sehen konnte.
Als sich Runde um Runde hinzog, ohne einen klaren Vorteil für einen der Spieler oder auch nur ein herausragendes, an den gestrigen Abend erinnerndes Spiel aufzuweisen, zog sich ein Großteil der Kiebitze an die anderen Tische zurück, um ihren eigenen Spielen zu frönen.
Devlin, LaGrange und ihre Mitspieler ließen sich davon nicht beeindrucken. Sie spielten nicht für die Menge der Schaulustigen. Es ging ihnen um das Geld oder um den Nervenkitzel an sich.
Bei Devlin und LaGrange steckte noch etwas anderes dahinter, dessen war sich Jacob sicher. Bloß was? Doch alles Überlegen brachte ihm keine Antwort.
Allmählich zeichnete sich ab, daß LaGrange an diesem Abend den Siegeslorbeer ernten würde. Sein Perlmuttvorrat wuchs langsam, aber beständig an, während Devlins immer mehr schrumpfte. Nach gut zwei Stunden waren von Devlins fünftausend Dollar nur noch fünfhundert übrig.
Bei der nächsten Partie mußte LaGrange mit dem Setzen beginnen, und er stieg gleich mit dem Limit von hundert Dollar ein. Die Augen in den bis jetzt eher gelangweilten Gesichtern der Spieler und der wenigen übriggebliebenen Zuschauer leuchteten auf. Jetzt endlich schien sich etwas zu tun. Anscheinend wollte sich LaGrange für den gestrigen Abend bei Devlin revanchieren und ihm den Todesstoß versetzen.
Devlin ging mit. In jeder Runde erhöhte der Plantagenbesitzer um einen Hunderter, und Devlin ging mit, bis sein letzter Chip im Pool lag.
»Ihr Geld ist alle, Devlin«, bemerkte LaGrange und gab sich keine Mühe, seine Genugtuung zu verbergen. »Damit sind Sie draußen. Ich erhöhe nämlich um weitere hundert.«
Die letzten der anderen Spieler stiegen aus. Der Einsatz war ihnen zu hoch, ihre Blätter ihnen zu schlecht oder beides.
»Sie täuschen sich, LaGrange«, erwiderte Devlin. »Nicht das Geld ist mir ausgegangen, sondern nur meine Chips. Wenn Sie sich einen Augenblick gedulden wollen, werden Mr. Adler und ich an der Bar neue einwechseln.«.
»Nur zu«, meinte der Plantagenbesitzer mit einer generösen Geste. »Ich warte gern auf mein Geld.«
Devlin wandte sich an den neben Jacob stehenden Martin. »Würden Sie in der Zwischenzeit ein Auge auf meine Karten und auf die von Mr. LaGrange haben, Mr. Bauer?«
Martin nickte. »Gern.«
Devlin hatte laut genug gesprochen, daß LaGrange die Erwähnung seines Blattes hören konnte. Das war ein glatter Affront, da Devlin ihn indirekt als Betrüger darstellte. Nur das bereits bekannte Zucken in LaGranges Gesicht verriet, daß er sich getroffen fühlte. Äußerlich bewahrte er die Pose des unerschütterlichen Siegers.
Die Zuschauermenge war bei dieser Partie kräftig angeschwollen. Devlin und Jacob bahnten sich einen Weg hindurch.
»Weshalb wollen Sie mich sprechen?« fragte der Deutsche leise.
»Woher wissen Sie, daß ich mit Ihnen sprechen will?«
»Weil einer von uns beiden genügt hätte, um die Chips zu holen.«
»Das ist richtig«, bestätigte Devlin mit einem leichten Grinsen, wurde aber sofort wieder ernst. »Die Sache geht nicht mit rechten Dingen zu.«
»Sie meinen, LaGrange betrügt?«
»Ja, das tut er mit Sicherheit. So viel Pech wie heute habe ich noch nie in meinem Leben beim Spiel gehabt. Es gibt nur eine Erklärung: LaGrange kennt die Karten.«
»Aber wie? Ich bin mir ziemlich sicher, daß Ihnen keiner ins Blatt sieht außer Martin und mir. Und für meinen Freund lege ich meine Hand ins Feuer.«
»Zweifellos. Nein, ein Signalgeber ist es nicht. Ich vermute, daß die Karten irgendwie markiert sind, aber ich konnte nichts feststellen. Außerdem sind es stets frische, versiegelte Kartensätze des Schiffes.«
Das stimmte. Alle neuen Karten wurden an der Bar gekauft. Sie waren speziell für die QUEEN OF NEW ORLEANS hergestellt und zeigten auf der Rückseite das Schiff und seinen Namenszug.
»Was wollen Sie jetzt unternehmen?« fragte Jacob.
»Mit meinem letzten Geld weiterspielen und hoffen, daß ich LaGrange noch auf die Schliche komme, bevor ich pleite bin. Achten Sie auf alles, und benachrichtigen Sie mich sofort, wenn Ihnen etwas Ungewöhnliches auffällt. Tippen Sie mir leicht auf die Schulter, dann unterbreche ich das Spiel.«
Devlin tauschte dreitausend Dollar um und setzte sich wieder an den Spieltisch, von der Hoffnung beseelt, diese Partie zu gewinnen. Die Hoffnung war nicht unbegründet, denn sein Full House - drei Damen und zwei Neunen - war ein sehr gutes Blatt.
Er setzte noch einmal tausend Dollar und wollte dann die Karten sehen. Als er sein Full House aufdeckte, war die Menge begeistert. Als auch LaGrange ein Full House hatte, schwieg sie ergriffen. »Das höchste Dreierpaar entscheidet«, meinte der Plantagenbesitzer zufrieden und zog die Chips im Pool zu sich heran. »Ihre drei Damen sind leider schwächer als meine drei Könige.«
»Das haben Sie von Anfang an gewußt«, zischte Devlin und stand so barsch auf, daß sein Stuhl umgefallen wäre, hätte ihn Jacob nicht im letzten Moment ergriffen.
Devlin stieß die Zuschauer beiseite und umrundete den Tisch in langen Sätzen, bis er neben LaGrange stand. Prescotts Hand fuhr unter seine Jacke, um eine Waffe zu ziehen, aber Devlin schickte ihn vorher mit einem Fausthieb zu Boden. Dann griff er nach LaGrange, riß ihm das Monokel vom Auge und sah hindurch.
»Leicht blaugetöntes Glas und Kartenmarkierungen mit phosphoreszierender Tinte«, flüsterte er. »Jetzt wird mir alles klar!«
»Lüge!« schrie LaGrange, sprang auf und stieß dabei Devlin so an, daß das Monokel zu Boden fiel und dort - war es Zufall oder Absicht? - zersprang. »Sie sind ein gottverdammter Lügner, Devlin, der das Verlieren nicht ertragen kann. So wie Ihr Vater!«
Prescott hatte sich vom Boden erhoben und zog einen Colt mit stark verkürztem Lauf aus seiner Westentasche. Als Jacob das sah, sprang er auf den Spieltisch und von dort LaGranges aschblonden Leibwächter an. Die beiden Männer gingen zu Boden und wälzten sich im Kampf um die Schußwaffe hin und her. Prescott wollte die Mündung auf Jacob richten, aber der entwand ihm den Colt, richtete ihn seinerseits auf den Untersetzten und zog den Hahn zurück.
»Verhalten Sie sich ruhig, Prescott, sonst trifft Sie Ihre eigene Kugel!«
Der Blonde war eingeschüchtert und gab jeden Widerstand gegen den auf ihm sitzenden Deutschen auf.