Sie suchten sich einen Lagerplatz auf einer kleinen Anhöhe. Hier war es zwar windig, aber ihr Feuer würde weithin gesehen werden. Jacob und Devlin suchten genügend Holz für die Nacht und entfachten dann ein ordentliches Lagerfeuer, das von beiden Flußseiten aus bemerkt werden mußte.
Nachdem ihre Sachen getrocknet waren, legten sie sich schlafen. Jeweils einer sollte Wache halten und auf vorbeifahrende Schiffes achten. Jacob übernahm die erste Wache, setzte sich an Feuer, sah hinaus auf den Fluß und war in Gedanken bei Irene.
*
Die beiden Männer, die Phantomen gleich über die Insel huschten, hatten keine Schwierigkeiten, ihre Opfer zu finden. Deren weithin leuchtendes Feuer wies ihnen den Weg. Sie wurden um so vorsichtiger und leiser, je näher sie der Anhöhe kamen, auf der die Ausgesetzten ihr Lager aufgeschlagen hatten.
Einer der beiden schlich die Anhöhe hinauf, schob sich durch das Buschwerk hindurch und beobachtete lange den Lagerplatz, bevor er zu seinem Gefährten zurückkehrte.
»Und?« fragte dieser im Flüsterton.
»Besser könnte es gar nicht sein. Zwei schlafen. Der dritte sitzt zwar am Feuer, aber er sieht auf den Fluß hinaus. Wenn wir uns in seinem Rücken anschleichen, können wir die drei erledigen, ehe sie etwas mitbekommen.«
»Dann los!«
Jetzt schlichen beide auf die Anhöhe hinauf und krochen durch das Buschwerk. Als sie das Lager sahen, war es genauso, wie es der eine eben beschrieben hatte. Der Mann am Feuer saß unbeweglich mit dem Rücken zu ihnen.
Der Mann, der vor wenigen Minuten das Terrain erkundet hatte, bedeutete seinem Begleiter, daß er den Wachtposten übernehmen wollte. Sein Gefährte sollte sich um die beiden Schlafenden kümmern. Dieser brachte durch ein Nicken sein Einverständnis zum Ausdruck und spannte den Hahn seines schweren Navy Colts.
Auch der zweite Mann machte seinen Navy Colt schußklar und zischte: »Jetzt!«
Augenblicklich brach das Gewitter über die drei Ausgesetzten herein. Ein Gewitter aus Feuerblitzen und Detonationen, das tödliches Blei auf die Männer im Lager regnen ließ.
Von mehreren Kugeln in den Rücken getroffen, brach der Mann am Feuer, noch immer von der um sich geschlungenen Decke verhüllt, zusammen und wäre fast in die Glut gerollt.
Die Schlafenden kamen nicht einmal dazu, sich zu rühren, so rasch wurden ihre Körper von den Geschossen durchbohrt.
Die Attentäter waren wie von einem Rausch ergriffen, zogen immer und immer wieder die Abzüge ihrer Warfen durch. Erst als die Hähne mehrmals klackend auf leere Kammern gestoßen waren, wurde ihnen bewußt, daß ihre Waffen leergeschossen und ihr blutiges Werk getan war.
»Geschafft«, stieß der bärtige Hutch Potter mit einer gewissen Erleichterung hervor und ließ seinen Colt sinken. »Wir haben die Kerle zur Hölle geschickt.«
»Yeah«, knurrte der kleine, spitzgesichtige Brady Tomlinson und trat langsam näher, in den Lichtschein des flackernden Feuers. »Sie sind so tot wie dieser schmutzige Nigger, den wir letzte Nacht in den Fluß geworfen haben.«
*
»Das würde ich so nicht sagen«, meinte im scharfen Ton der elegant gekleidete Mann, der hinter ihnen aus dem Gebüsch getreten war.
Beauregard Devlin stand breitbeinig da, in jeder Hand einen Derringer. Die Mündungen der Waffen waren auf die beiden Attentäter gerichtet. Hinter dem Spieler traten Jacob und Martin aus dem schützenden Buschwerk. Letzterer hielt den kurzläufigen Revolver aus Devlins Schulterholster in der Rechten.
Tomlinson und Potter starrten die drei an wie Gespenster.
»Das... das gibt es nicht«, stammelte der Bärtige. »Sie... Sie sind doch tot. Sie müssen tot sein. Wir haben Sie gerade erschossen!«
»Ihr habt nur Decken, Feuerholz und Verpflegungsbeutel erschossen«, erwiderte Devlin und trat, gefolgt von den beiden Auswanderern, langsam näher, weil er seine kleinen Pistolen nur auf kurze Distanz wirkungsvoll einsetzen konnte.
»Ihr wart zu laut, auch wenn ihr euch bemüht habt, es nicht zu sein«, sagte Jacob. »Ich habe euer Anschleichen bemerkt, und wir haben uns im Gebüsch versteckt.«
»Das ist Pech«, meinte Tomlinson tonlos und tat so, als wollte er seinen nutzlosen Revolver auf den Boden werfen.
Aber er schleuderte ihn gegen Devlin, der von der Waffe am Kopf getroffen wurde. Deshalb ging der Schuß aus seinem Derringer fehl. Der Spitzgesichtige sprang Devlin an und riß ihn zu Boden.
Potter hatte den leergeschossenen Navy Colt fallen gelassen und riß einen kurzläufigen 32er Smith & Wesson aus der Jackentasche. Doch bevor er die Waffe in Anschlag bringen konnte, war Jacob bei ihm und schmetterte ihm die rechte Faust mit solcher Wucht unters Kinn, daß der Bärtige erst in die Luft gehoben und dann zu Boden geschleudert wurde.
Jacob warf sich auf Potter, ehe sich der von der schmerzhaften Überraschung erholen konnte, und setzte ihn mit ein paar weiteren Schlägen außer Gefecht. Als sich der Bärtige hilflos stöhnend am Boden hin und her wälzte, entwand ihm der Deutsche mit Leichtigkeit die Waffe und sprang auf, um Devlin zu helfen.
Aber das war nicht mehr nötig. Devlin hielt Tomlinson mit eisernem Griff, während Martin Devlins Revolver unter das spitze Kinn des Überwältigten hielt. Sie brachten Tomlinson zu Potter und warfen ihn neben diesem auf den Boden.
»Und jetzt heraus mit der Sprache!« verlangte Devlin, der seine Derringers auf die Gefangenen richtete. »Warum wolltet ihr uns töten? Und was ist mit meinem Freund Jim geschehen?«
»Zur Hölle mit euch und eurem Niggerfreund!« fluchte Tomlinson und spuckte vor Devlin aus. »Von uns erfahrt ihr nichts!«
Ehe Martin und Jacob eingreifen konnten, versetzte Devlin dem Sprecher einen heftigen Stiefeltritt ins Gesicht, der seine Mund- und Nasenpartie in eine unförmige, blutige Masse verwandelte. Tomlinson heulte vor Schmerz und Entsetzen auf und betastete vorsichtig die deformierte Stelle.
»Das hier ist kein Spiel!« sagte Devlin. »Ihr beide habt Jim auf dem Gewissen. Und wenn ihr nicht sofort den Mund aufmacht, lege ich euch um!«
Er stieß die Derringers auf die beiden hinunter, so daß Potter heftig zusammenzuckte.
»Wir haben Ihrem Freund nichts getan«, wimmerte der Bärtige. »Wirklich nicht, Mister!«
»Und was ist das hier?« fragte Jacob, der etwas aufhob, was neben Potter auf dem Boden lag. Er hielt es gegen das Licht des Feuers. Es war einer von Jim Illinois' goldenen Ohrringen.
»Der Neger... Er war schon tot, als wir dazukamen«, stammelte Potter.
»Wer hat ihn getötet?« fragte Devlin.
»Prescott.«
»Dieser Hund!« zischte Devlin und sah dann wieder Potter an. »Was habt ihr beide mit der Sache zu tun?«
Der Bärtige erzählte es ihm.
»Und was soll dieser Mordanschlag? Warum seid ihr hier und nicht auf dem Schiff?«
»Das hat auch Prescott veranlaßt, im Auftrag von LaGrange. Wir sollten Sie und die beiden Deutschen töten. Wir haben fünfhundert Dollar dafür bekommen. Wir sollten noch mal fünfhundert kriegen, wenn wir die Sache erledigt haben.«
»Wie seid ihr unbemerkt vom Schiff gekommen?«
»Der Captain hat ein paar Matrosen Golddollars gegeben, damit sie uns heimlich mit einem Boot aufs Wasser lassen.«
»Der Captain?« fragte Devlin nach. »Homer F. Wilcox?«
Potter nickte.
»Wieso hilft Wilcox LaGrange?«
»Erst wollte er nicht. Aber Prescott hat zu ihm gesagt, LaGrange würde seine finanzielle Beteiligung am Schiff zurückziehen, wenn er sich weigert.«
»So ist das also«, murmelte Devlin und fuhr sich mit der Hand übers Kinn. »LaGrange ist an der QUEEN OF NEW ORLEANS beteiligt. Kein Wunder, daß er an Bord ungehindert seinen Betrügereien nachgehen kann und von Wilcox auch noch gedeckt wird.« Sein Blick wanderte in die Ferne, und er sprach nicht zu den Anwesenden, als er sagte: »Ich werde dich kriegen, LaGrange! Du wirst niemanden mehr betrügen und ins Grab bringen!«