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»Das hört sich nicht gut an«, flüsterte Jacob seinem Freund zu, nachdem sie stehengeblieben waren und auf die Schritte gelauscht hatten. »Wer etwas Gutes im Schilde führt, schleicht nicht durch die Nacht wie eine Katze auf Beutezug.«

»Am besten gehen wir schnell weiter«, schlug Martin vor. »In dieser Gasse gibt es keinen Schutz und keinen Fluchtweg.«

Jacob gab ihm recht, und sie setzten ihren Weg mit beschleunigtem Schritt fort. Sie waren keine Angsthasen, aber in dunklen Nächten waren schon größere Gruppen Opfer eines Überfalls geworden. Die beiden großen, kräftigen Männer wußten sich normalerweise ihrer Haut zu wehren. Wie damals in Hamburg, als sie sich beim Kampf gegen eine Straßenbande kennengelernt hatten.

Aber Martin konnte derzeit wegen seines verletzten Armes nur mit halber Kraft kämpfen. Die einzigen Waffen, die sie besaßen, waren ihre Klappmesser. Die in diesem Land so sehr geschätzten Schußwaffen lagen beiden nicht, weshalb sie darauf verzichtet hatten, sich welche zuzulegen. Vielleicht war das ein Fehler gewesen, dachte Jacob, als sie durch die nicht enden wollende Gasse eilten und hinter sich die Schritte ihrer Verfolger hörten.

Die beiden Deutschen bogen um eine Ecke und atmeten auf, als sie das helle Licht einer Straßenlaterne an der Stelle sahen, wo die Gasse in eine breitere Straße mündete. Aber ihre Erleichterung war nur von kurzer Dauer, denn plötzlich verdunkelten die Schatten zweier Männer die Einmündung. Im Licht der Laterne erkannten sie zwei der Matrosen aus dem Bierlokal; einer war der Mann mit dem mächtigen Vollbart.

»Wohin so schnell?« lallte er mit dröhnender Stimme. »Ist die QUEEN OF NEW ORLEANS etwa ein so schönes Schiff, daß ihr es kaum erwarten könnt, an Bord zu kommen?«

Jacob und Martin blieben in acht Yards Entfernung von den beiden Matrosen stehen, als hinter ihnen der Verfolgertrupp herankam. Die Auswanderer waren nicht überrascht, als sich die Umrisse der drei restlichen Matrosen aus der Dunkelheit schälten. Die Flußschiffer hatten ihnen den Weg abgeschnitten und sie mit ihrer erdrückenden Übermacht regelrecht eingekreist.

»Was wollen Sie eigentlich von uns?« fragte Jacob barsch.

»Will nur wissen, weshalb ihr unbedingt auf die QUEEN OF NEW ORLEANS wollt«, erwiderte der Vollbärtige.

»Weil wir nun mal Passagiere auf dem Schiff sind«, sagte Jacob und bemühte sich, seine Ruhe zu bewahren.

»Warum denn? Warum nicht auf der QUEEN OF ST. LOUIS? Das is' nämlich unser Schiff, wißt ihr. Und es is' das verdammt viel bessere Schiff. Die NEW ORLEANS is' nur vor uns in Cairo angekommen, weil sie uns oben an der NewtonStrömung ausgetrickst hat.«

»Das glauben wir Ihnen«, seufzte Jacob. »Aber da wir das nicht wissen konnten, haben wir uns auf der QUEEN OF NEW ORLEANS eingeschifft.«

»Dann bucht doch jetzt, wo ihr's wißt, Passagen auf unserem Schiff!«

»Das geht nicht.«

»Warum nich'?«

»Weil wir es eilig haben.«

»Na eben! Die QUEEN OF ST. LOUIS is' viel schneller als die NEW ORLEANS und wird vor ihr in St. Louis eintreffen.«

»Das werden wir sehen, wenn wir am Ziel sind.«

»Seh' schon, ihr mögt unser Schiff nicht.« Der Vollbärtige erhob seine Stimme. »Los, Boys, bleut diesen gottverfluchten, stinkenden Landratten mal kräftig ein, daß die QUEEN OF ST. LOUIS das vermaledeit beste Schiff auf dem Mississippi is'!«

Von beiden Seiten setzten sich die Matrosen in feindseliger Haltung in Bewegung und kamen langsam auf die Auswanderer zu. Es stand außer Frage, daß sie auf eine handfeste Auseinandersetzung aus waren.

»Die Messer?« raunte Martin seinem Freund zu.

»Noch nicht«, entschied Jacob. »Nicht, solange die keine Waffen ziehen. Wir wollen doch kein blutiges Gemetzel.«

Plötzlich tauchten an der Straßeneinmündung zwei weitere Gestalten auf, die Jacob und Martin sofort erkannten, obwohl sie von ihrem Auftauchen überrascht waren. Der elegant gekleidete Beauregard Devlin und sein schwarzer Partner Jim Illinois näherten sich dem vollbärtigen Matrosen und seinem Begleiter mit schnellen Schritten und zogen dabei Revolver aus Schulterhalftern. Für eine Sekunde erstarrte Jacob bei dem Gedanken, mit ansehen zu müssen, wie der Spieler und sein Schatten die Matrosen hinterrücks abknallten.

Aber Devlin und Illinois zogen den Flußschiffern lediglich die Waffenläufe über die Schädel. Die Männer von der QUEEN OF ST. LOUIS fielen zu Boden wie vom Blitz getroffen.

Die Bewaffneten richteten ihre Revolver jetzt auf die drei übriggebliebenen Matrosen, und Devlin sagte: »Eure Freunde werden gehöriges Kopfweh haben, wenn sie wieder aufwachen. Wenn ihr nicht vernünftiger seid, kann es euch genauso ergehen. Vielleicht auch schlimmer, denn die blauen Bohnen in unseren Trommeln brennen geradezu auf einen Ausflug.«

Die Flußschiffer tuschelten miteinander, und dann fragte einer: »Was woll'n Sie von uns, Mister?«

»Daß ihr vernünftig und brav seid und unsere Freunde in Ruhe ziehen laßt. Mehr nicht.«

Wieder Getuschel.

»Geht klar, Boß«, verkündete dann der Sprecher der Matrosen.

Devlin sah die Deutschen an. »Kommen Sie mit uns, Gentlemen. Wir begleiten Sie zum Schiff.«

Die Auswanderer folgten Devlin und Illinois hinaus auf die beleuchtete Straße, wo die beiden ihre Revolver wieder einsteckten. Hinter ihnen in der dunklen Gasse kümmerten sich die Matrosen um ihre ohnmächtigen Kameraden.

»Vielen Dank für die erneute Hilfe«, sagte Jacob. »Aber ich denke, den restlichen Weg zur QUEEN OF NEW ORLEANS werden wir auch ohne Begleitschutz überstehen.«

»Sie irren sich, wir sind kein Begleitschutz«, erwiderte Devlin. »Ihr Weg ist auch unserer. Unser Gepäck müßte sich schon an Bord der NEW ORLEANS befinden.«

»Wie kommt denn das?« fragte Martin erstaunt.

»Wir haben eine Passage in einer Zweierkabine auf der NEW ORLEANS beim Pokern gewonnen«, erklärte der elegante Spieler. »Zufällig gerieten wir beim Spielen an einen Geschäftsmann aus St. Louis, der mit seinem Sohn auf der NEW ORLEANS nach Hause fahren wollte. Als er kein Bargeld mehr hatte, setzte er auf mein Anraten seine Passage ein.«

»Zufällig?« fragte Martin ungläubig.

»Ja, ganz zufällig«, antwortete Devlin, aber - das Grinsen in seinem Gesicht sagte etwas anderes.

»Und was haben Sie mit Ihrer Passage auf der ST. LOUIS gemacht?« erkundigte sich Jacob.

»Dem Kaufmann und seinem Sohn gegen einen Schuldschein überlassen.«

Auch Jacob mußte jetzt grinsen, als er an Devlins Geschäftstüchtigkeit dachte. Er fragte sich, ob ihr Bekannter am Spieltisch wirklich so ehrlich war, wie er vorgab.

Und er fragte sich, warum er unbedingt auf der QUEEN OF NEW ORLEANS reisen wollte, wo doch die QUEEN OF ST. LOUIS Cairo nicht viel später verlassen würde. War es wirklich nur wegen eines Pokerspiels?

*

Als bereits die Lichter der im Hafen liegenden Schiffe vor ihnen auftauchten, fragte Jacob den Spieler, welchem Umstand sie das überraschende Eingreifen vorhin zu verdanken hatten.

»Dem Umstand, daß Jim und ich Sie und Mr. Bauer aus dem Bierlokal kommen sahen. Wir wollten Sie schon anrufen, als wir bemerkten, daß Ihnen die Matrosen hinterherschlichen. Also schlichen wir unsererseits den Flußschiffern nach und fanden sehr schnell heraus, daß sie Ihnen eine Falle stellen wollten. Warum waren die Matrosen auf Sie so schlecht zu sprechen?«

»Aus einem vollkommen nichtigen Grund«, antwortete Jacob und erzählte Devlin und Illinois von der ihm lächerlichen erscheinenden Forderung der Matrosen, eine Passage auf ihrem Schiff zu buchen.

»Für die Flußschiffer ist das keineswegs lächerlich«, belehrte ihn der Spieler. »Die NEW ORLEANS und die ST. LOUIS sind die größten, prächtigsten Schiffe auf diesem Flußabschnitt, vielleicht auf dem ganzen Mississippi. Für die Schiffer ist es eine Auszeichnung, auf einem der Schiffe zu arbeiten. Deshalb meinen sie, daß es auch für die Passagiere eine Auszeichnung sein müsse, gerade auf ihrem Schiff zu fahren.«