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«Tja…«, sagte ich.»Haben die Einbrecher auch die Tiefkühltruhe ausgeräumt?«

«Ach, du meine Güte. «Er war ganz verdattert.»Das weiß ich nicht. Daran hab ich gar nicht gedacht. Aber warum sollten sie auf seine Filme aus gewesen sein?«

«Die aus der Dunkelkammer haben sie gestohlen.«

«Aber die Polizei hat gesagt, daß das reine Boshaftigkeit war. Eigentlich ging’s ihnen nur um die Ausrüstung, die können sie nämlich verkaufen.«

«Hm«, sagte ich.»Dein Vater hat eine Menge Aufnahmen gemacht, die den Leuten gar nicht gefallen haben.«

«Ja, aber doch nur zum Spaß. «Er verteidigte George wie eh und je.

«Wollen wir nicht mal einen Blick in die Tiefkühltruhe werfen?«schlug ich vor.

«Ja. Gut. Sie ist draußen hinterm Haus in einer Art Schuppen.«

Er nahm einen Schlüssel aus der Tasche einer Schürze, die in der Küche hing, und ging durch die Hintertür voran in einen kleinen, überdachten Hof, wo Mülltonnen standen, Holzscheite aufgestapelt waren und Petersilie üppig in einem Bottich wucherte.

«Da drin«, sagte Steve. Er gab mir den Schlüssel und wies mit dem Kopf auf eine grüngestrichene Tür in einer angrenzenden Mauer. Ich ging hinein und fand eine riesige Tiefkühltruhe, die zwischen einem Motorrasenmäher und sechs Paar Gummistiefeln stand.

Ich hob den Deckel. Drinnen befand sich in enger Nachbarschaft von Lammkeulen und Packungen mit Beefburgern ein Stapel aus drei großen grauen Metallkassetten, jede fest in durchsichtige Plastikfolie gewickelt. Auf der obersten klebte ein Zettel mit der knappen Warnung: KEINE EISCREME NEBEN DEN KASSETTEN LAGERN

Ich lachte.

Steve warf einen Blick auf die Kassetten und die Warnung und sagte:»Da siehst du’s. Meine Mutter hat gesagt, daß er bald verrückt geworden ist, wie alles geschmolzen ist, aber dann hat sich herausgestellt, daß nichts von seinem Zeug beschädigt war. Die Lebensmittel waren verdorben, aber seinen besten Dias war nichts passiert. Danach hat er sie dann in diesen Kassetten aufbewahrt.«

Ich klappte den Deckel zu, und wir schlossen den Schuppen wieder ab und gingen ins Haus zurück.

«Du glaubst doch nicht im Ernst, daß die Einbrecher hinter den Fotos von meinem Vater her waren?«sagte Steve zweifelnd.»Sie haben schließlich alles mögliche gestohlen. Die Ringe von meiner Mutter und seine Manschettenknöpfe und ihren Pelzmantel und alles.«

«Ja… das stimmt.«

«Meinst du, ich soll der Polizei sagen, daß das ganze Zeug in der Tiefkühltruhe ist? Meine Mutter hat sicher vergessen, daß es da drin ist. Das hat uns nie groß interessiert.«

«Du kannst es ja mit ihr besprechen«, sagte ich.»Wart ab, was sie dazu meint.«

«Ja, das ist am besten. «Er wirkte ein kleines bißchen fröhlicher.»Wenigstens etwas Positives. Die ganzen Register mit den Daten und Ortsangaben, wo die Fotos gemacht worden sind, hat sie zwar verloren, aber sie hat immerhin noch einige seiner besten Sachen. Es ist nicht alles weg. Nicht alles.«

Ich half ihm beim Anziehen und verabschiedete mich dann bald, weil er sagte, daß er sich besser fühlte, und auch so aussah; und ich nahm die Schachtel mit George Millaces Pfuschwerk mit, die laut Steve in den Müll gehörte.

«Aber du hast nichts dagegen, wenn ich sie mitnehme?«sagte ich.

«Aber woher denn. Ich weiß, daß du gerne mit Filmen rumexperimentierst. genau wie er. früher. Er hing an dem alten Krempel. Keine Ahnung, warum. Nimm’s ruhig mit, wenn du willst.«

Er kam mit hinaus zur Auffahrt und sah zu, wie ich die Schachtel in den Kofferraum neben meine beiden Kamerataschen legte.

«Du bist nie ohne Kamera unterwegs, stimmt’s?«sagte er.»Wie mein Vater.«

«Sieht ganz so aus.«

«Mein Vater hat gesagt, daß er sich ohne ganz nackt fühlt.«

«Sie wird zu einem Teil von dir. «Ich machte den Kofferraum zu und schloß ihn aus alter Gewohnheit ab.»Sie ist eine Art Schutzschild. Hält dich auf Distanz zu deiner Umwelt. Macht dich zum Beobachter. Liefert dir einen Vorwand, dich emotional zu distanzieren.«

Es schien ihn sehr zu wundern, daß ich solche Gedanken hatte, und ich wunderte mich selbst, nicht über meine Gedanken, sondern darüber, daß ich sie ihm gegenüber geäußert hatte. Ich lächelte, um den Tiefsinn zu verscheuchen und den Eindruck zu erwecken, ich hätte es ironisch gemeint, und Steve, der Fotografensohn, schien erleichtert.

Ich fuhr die Stunde von Ascot nach Lambourn im Sonntagmorgentempo und sah einen großen Wagen vor meinem Haus parken.

Mein Haus war eins von sieben Reihenhäusern, die Anfang des Jahrhunderts für die weniger Begüterten gebaut worden waren, und außer mir wohnten dort im Moment ein Lehrer, ein Pferdetransportfahrer, ein Kurat, ein Tierarzthelfer, diverse Ehefrauen und Kinder und zwei Wohnheimladungen Stallburschen. Ich lebte als einziger allein. Angesichts der mich umgebenden Massen empfand ich es fast als unanständig, so viel Platz für mich allein zu beanspruchen.

Mein Haus lag in der Mitte. Zwei Zimmer oben, zwei unten und nach hinten hinaus ein moderner Küchenanbau. Eine weißgestrichene Backsteinfassade, schnörkellos, direkt an der Straße, kein Platz für einen Garten. Eine schwarze Tür, die einen Anstrich nötig hatte. Neue Aluminiumfensterrahmen anstelle der alten aus Holz, die verrottet waren. Ein altes, wieder aufgemöbeltes Ding. Nicht beeindruckend, aber ein Zuhause.

Ich fuhr langsam an dem Besucherauto vorbei und bog in den schlammigen Weg am Ende der Häuserreihe ein, fuhr zur Rückseite und parkte unter dem Wellplastikdach des Autoabstellplatzes neben der Küche. Im Vorbeifahren konnte ich einen Blick auf den Mann werfen, der hastig aus dem Auto stieg, und mir war klar, daß er mich gesehen hatte. Ich für meinen T eil fand, daß er kein Recht dazu hatte, mich am Sonntag zu verfolgen.

Ich ging von hinten durchs Haus und öffnete die Eingangstür. Vor mir stand Jeremy Folk, groß, dünn, linkisch, mit seinem schüchternen Ernst, den er wie zuvor bewußt als Hebel benutzte.

«Schlafen Anwälte sonntags nicht?«sagte ich.

«Nun ja, also, es tut mir schrecklich leid…«

«Klar«, sagte ich.»Kommen Sie rein. Wie lange warten Sie schon?«

«Nicht. äh. der Rede wert.«

Er trat leicht erwartungsvoll durch die Tür und trug die augenblickliche Enttäuschung mit einem Blinzeln. Ich hatte das Innere des Hauses so umgestaltet, daß das einstige repräsentative Vorderzimmer jetzt in Eingangsdiele und Dunkelkammer unterteilt war, und im Dielenteil gab es nichts weiter als einen Aktenschrank und das Fenster zur Straße. Weiße Wände, weiße Fliesen; nichtssagend.

«Hier lang«, sagte ich belustigt und führte ihn an der Dunkelkammer vorbei in den Raum, der einst als Küche gedient hatte, jetzt aber aufgeteilt war in Badezimmer und Erweiterung der Diele. Dahinter lag die neue Küche, und links war die schmale Treppe.

«Was wollen Sie?«sagte ich.»Kaffee oder reden?«

«Ähm… reden.«

«Dann hier hinauf.«

Ich ging nach oben, und er folgte. Eins der Schlafzimmer diente mir als Wohnzimmer, weil es der größte Raum im Haus war und man von hier aus die schönste Aussicht auf die Hügellandschaft der Downs hatte. In dem kleineren Raum daneben schlief ich.

Im Wohnzimmer weiße Wände, brauner Teppich, blaue Vorhänge, Strahler, Bücherregale, Sofa, Couchtisch und Sitzkissen. Mein Gast ließ kurze, taxierende Blicke herumhuschen.

«Nun?«sagte ich neutral.

«Ähm… das ist ein hübsches Bild. «Er trat näher, um den einzigen Gegenstand, der an der Wand hing, genauer zu betrachten: blaßgelbes Sonnenlicht fiel durch kahle Silberbirken auf Schnee.

«Ein… ähm… Druck?«

«Ein Foto«, sagte ich.