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«Schon gut«, sagte ich, als hätte ich nichts bemerkt.

«Danke für den Stein.«

Sie lächelte das strahlende, leere Lächeln und ging weiter, und ich wartete eine Weile, bis ich mich unauffällig an das Mädchen heranpirschen konnte, in dessen Richtung sie geblickt hatte.

Sie war jung, klein, hatte ein glattes Gesicht, sonderbar leer um die Augen, und trug einen Anorak und einen schwingenden Rock. Sie hatte mittelbraunes Haar wie ich, aber es war glatt, nicht lockig, und ich konnte keine Ähnlichkeit zwischen unseren Gesichtern feststellen. Sie konnte das Kind meiner Mutter sein oder auch nicht.

Der Stein, den sie mir hinhielt, war dunkelblau mit schwarzen Flecken und hatte die Größe einer Pflaume.

«Sehr hübsch«, sagte ich.»Was kostet der?«

Ich bekam die Standardantwort und gab ihr ein Pfund.

«Amanda«, sagte ich.

Sie zuckte zusammen. Sie sah mich zweifelnd an.»Ich heiße nicht Amanda.«

«Wie dann?«

«Mandy.«

«Mandy und weiter?«

«Mandy North.«

Ich atmete sehr ruhig, um sie nicht zu beunruhigen, und lächelte und fragte sie, wie lange sie schon auf der >Zephyr Farm< lebte.

«Mein ganzes Leben lang«, sagte sie einfach.

«Bei deinen Freunden?«

Sie nickte.»Sie beschützen mich.«

«Und bist du glücklich?«

«Ja, natürlich. Wir tun Gottes Werk.«

«Wie alt bist du?«

Ihr Mißtrauen kehrte zurück.»Achtzehn… seit gestern… aber ich darf nicht über mich reden… nur über die Steine.«

Sie wirkte auffallend kindlich. Sie schien nicht direkt geistig zurückgeblieben, aber im hergebrachten Sinne einfältig. Es war kein Leben in ihr, keine Freude, keine erwachende Weiblichkeit. Im Vergleich zu normalen, aufgeweckten Teenagern wirkte sie wie eine Schlafwandlerin, die noch nie mit dem Tag in Berührung gekommen ist.

«Hast du noch mehr Steine?«fragte ich.

Sie nickte und holte noch einen Stein aus ihrem Rock hervor. Ich bewunderte ihn und willigte ein, ihn zu kaufen, und während ich eine weitere Pfundnote herauszog, sagte ich:»Wie heißt deine Mutter, Mandy?«

Sie sah ängstlich drein.»Das weiß ich nicht. Sie dürfen nicht so was fragen.«

«Hast du ein Pony gehabt, als du klein warst?«

Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte eine unauslöschliche Erinnerung in ihren Augen auf, und dann sah sie über meine linke Schulter hinweg jemanden an, und ihre einfältige Freude verwandelte sich in Schamröte.

Ich drehte mich halb um. Da stand ein Mann, nicht jung, nicht lächelnd. Ein hart aussehender Mann, ein paar

Jahre älter als ich, sehr sauber, sehr ordentlich gekleidet und sehr ärgerlich.

«Keine Unterhaltung, Mandy«, sagte er streng zu ihr.»Denk an die Regel. Dein erster Sammeltag, und schon brichst du die Regel. Die Mädchen bringen dich gleich nach Hause. Nach diesem Vorfall wirst du wieder Hausarbeit machen. Geh jetzt. Sie warten da drüben. «Er wies mit einem scharfen Kopfnicken auf eine wartende Gruppe von Mädchen und sah zu, wie sie mit bleiernen Füßen zu ihnen hinüberging. Arme Mandy in Ungnade. Arme Amanda. Arme kleine Schwester.

«Was für ein Spiel spielen Sie?«sagte der Mann zu mir.»Die Mädchen sagen, daß Sie von allen Steine gekauft haben. Worauf sind Sie aus?«

«Auf nichts. «sagte ich.»Die Steine sind hübsch.«

Er starrte mich ungläubig an, und ein zweiter, ähnlich aussehender Mann trat zu ihm, nachdem er mit den Mädchen gesprochen hatte, die jetzt weggingen.

«Der Kerl da hat die Mädchen nach ihren Namen gefragt«, sagte er.»Sucht eine Amanda.«

«Es gibt keine Amanda.«

«Mandy. Er hat mit ihr gesprochen.«

Die beiden sahen mich mit zusammengekniffenen Augen an, und ich befand, daß es Zeit war zu verschwinden. Sie versuchten nicht, mich aufzuhalten, als ich in Richtung Parkplatz losging. Sie versuchten nicht, mich aufzuhalten, aber sie hefteten sich an meine Fersen.

Ich machte mir nicht groß Gedanken darüber und bog in die kurze Seitenstraße ein, die zum Parkplatz führte. Als ich einen Blick zurück warf, um zu überprüfen, ob sie mir immer noch folgten, sah ich nicht nur sie, sondern mittlerweile vier von der Sorte. Die zwei neuen waren so jung wie die Mädchen.

Die Gegend schien nicht unbelebt, deshalb konnte kaum viel passieren, und es passierte auch nicht viel in Anbetracht dessen, was hätte passieren können. Es floß zum Beispiel kein Blut.

Am Eingang zum Parkplatz lungerten noch drei von ihnen herum, und alle sieben kreisten mich ein, bevor ich ihn erreichte. Ich schubste einen von ihnen, um den Weg frei zu bekommen, und wurde daraufhin von einem Wald von Händen gestoßen, ein paar Schritte die Straße entlang und gegen eine Backsteinmauer. Falls irgendeiner der vielgerühmten britischen Bürger sah, was passierte, zog er es vor, auf der andern Straßenseite vorüberzugehen.

Ich sah die sieben >Auserwählten< an und sagte:»Was wollen Sie?«

Der zweite der beiden älteren Männer sagte:»Warum haben Sie nach Mandy gefragt?«

«Sie ist meine Schwester.«

Das verwirrte die beiden älteren. Sie sahen sich an. Dann schüttelte der erste entschieden den Kopf.»Sie hat keine Familie. Ihre Mutter ist vor Jahren gestorben. Sie lügen. Wie kommen Sie darauf, daß sie Ihre Schwester ist?«

«Es paßt uns nicht, daß Sie hier rumschnüffeln und Ärger machen«, sagte der zweite.»Wenn ihr mich fragt, ist das ein Reporter.«

Das Wort stachelte sie dazu an, Gewalt mit ihrer seltsamen Religion in Einklang zu bringen. Sie knallten mich eine Spur zu oft gegen die Wand und stießen und traten mich eine Spur zu stark, aber abgesehen von dem Versuch, alle sieben wie bei einem Rugbygedränge wegzuschubsen, konnte ich körperlich kaum etwas machen, um sie zum Aufhören zu bringen. Es war eine von diesen dummen Raufereien, bei denen keiner zu weit gehen wollte. Sie hätten mich leicht halbtot schlagen können, wenn sie gewollt hätten, und ich hätte sie schlimmer verletzen können, als ich es tat. Eine Eskalation erschien als verrücktes Risiko, wo es ihnen nur darum ging, mich zu warnen, also stieß ich ihre auf mich eindrängenden Körper zurück und trat gegen ein paar Schienbeine, und das war alles.

Die Information, die mir die Prügel erspart hätte, gab ich ihnen nicht: daß Mandy nämlich ein Vermögen erben würde, wenn sie beweisen konnten, daß sie meine Schwester war.

Harold stand vor dem Waageraum und beobachtete mit finsterem Gesicht meine Ankunft.

«Du bist verdammt spät dran«, sagte er.»Und warum humpelst du?«

«Hab mir den Knöchel verstaucht.«

«Kannst du reiten?«

«Ja.«

«Puh.«

«Ist Victor Briggs hier?«

«Nein, ist er nicht. Du brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen. Sharpener soll gewinnen, und du kannst ihn reiten wie gewohnt. Keine verrückten, blödsinnigen Heldentaten. Klar? Du paßt auf Sharpener auf, oder ich zieh dir das Fell über die Ohren. Bring ihn heil zurück.«

Ich nickte und verkniff mir ein Lächeln, und er bedachte mich erneut mit einem finsteren Blick und entfernte sich.

«Ehrlich, Philip«, sagte Steve Millace im Vorbeigehen.»Er behandelt dich wie den letzten Dreck.«

«Nein… nur auf seine Art.«

«Ich würde mir das nicht bieten lassen.«

Ich sah in sein streitlustiges, blutjunges Gesicht und begriff, daß er keine Ahnung davon hatte, daß sich Zuneigung manchmal in einer rauhen Verpackung zeigte.

«Viel Glück heute«, sagte ich neutral, und er sagte» Danke «und ging in den Waageraum. Er würde nie wie sein Vater werden, dachte ich. Nie so intelligent, so genial, so scharfsinnig, so skrupellos oder so gemein.

Ich folgte ihm nach drinnen, legte Victor Briggs’ Farben an und spürte dabei am ganzen Leib schmerzhaft die Folgen der Aufmerksamkeiten der >Auserwählten<. Nicht weiter dramatisch. Lästig. Nicht so schlimm, daß es mich beim Reiten behinderte, hoffte ich.