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«Um was für ein Gas handelt es sich?«fragte einer der Polizisten.

«Schwefelwasserstoff.«

«Tödlich?«

«Extrem. Lähmt die Atmung. Gehen Sie nicht hinein, bevor wir Entwarnung geben. Da drin ist irgendeine Quelle, die immer noch Gas produziert.«

Der Polizist wandte sich an mich.»Was ist das?«sagte er.

Ich schüttelte den Kopf.»Ich weiß nicht. Ich besitze nichts in der Richtung.«

Er hatte mich schon vorher gefragt, was mit meinem Gesicht passiert sei.

«Bin beim Pferderennen gestürzt.«

Jedermann hatte das akzeptiert. Demolierte Jockeys waren in Lambourn an der Tagesordnung. Der ganze Zirkus bewegte sich die Straße entlang zu Harolds Haus, und die Ereignisse gerieten durcheinander.

Clare rief zweimal im Krankenhaus an, um sich nach Je-remys Befinden zu erkundigen.

«Er ist auf der Intensivstation… bedenklicher Zustand. Sie wollen wissen, wer seine nächsten Verwandten sind.«

«Eltern«, sagte ich verzweifelt.»Jeremy ist in St. Albans… zu Hause. «Die Nummer war in meinem Haus, beim Gas.

Harold bemühte die Telefonauskunft und bekam die Telefonnummer von Jeremys Vater.

Nicht sterben, dachte ich. Bleib verdammt nochmal am Leben… Bitte bleib am Leben.

Polizisten trampelten rein und raus. Ein Kriminalinspektor kam und stellte Fragen. Ich erzählte ihm, was passiert war. Clare erzählte ihm, was passiert war. Ich wüßte nicht, wie der Schwefelwasserstoff in meine Dunkelkammer geraten sei. Es sei reiner Zufall, daß Jeremy das Gas eingeatmet hatte. Ich hätte keine Ahnung, warum jemand meine Dunkelkammer mit Gas vollgepumpt habe. Ich wüßte nicht, wer.

Der Inspektor sagte, er glaube mir nicht. Solche Todesfallen würden niemandem ohne triftigen Grund ins Haus gelegt. Ich schüttelte den Kopf. Sprechen war immer noch eine Qual. Ich würde ihm den Grund sagen, wenn Jeremy starb. Sonst nicht.

Wie ich so schnell erkannt hätte, daß es sich um Gas handelte? Clare hatte gesagt, ich hätte blitzschnell reagiert. Wie das käme?

«Schwefelsaures Natrium. wurde früher in Fotolabors benutzt. Manchmal auch heute noch… aber sehr selten… wegen des Gestanks. Ich hatte keins. Es stammte nicht… von mir.«

«Ist das ein Gas?«sagte er verwirrt.

«Nein. Es ist kristallisiert. Hochgiftig. Gehört zur Sepiatoner-Ausrüstung. Kodak stellt so was her. Nennt sich T-7A… soweit ich weiß.«

«Aber Sie wußten doch, daß es Gas war.«

«Ja, weil Jeremy… ohnmächtig war. Und ich hab’s eingeatmet. irgendwas war. nicht in Ordnung. Man kann damit Gas produzieren. mit Natriumsulfid. Ich wußte einfach, daß es Gas war… Ich weiß auch nicht, warum… Ich wußte es einfach.«

«Wie macht man Schwefelwasserstoff aus kristallisiertem Natriumsulfid?«

«Weiß ich nicht.«

Er drängte hartnäckig auf eine Antwort, aber ich wußte es wirklich nicht. Und jetzt, Sir, zu Ihren Verletzungen. Ihren offensichtlichen Beschwerden und Ihrer Schwäche. Dem Zustand Ihres Gesichtes. Sind Sie sicher, Sir, daß all das auf einen Sturz beim Pferderennen zurückzuführen ist? Er habe nämlich den Eindruck, daß es eher auf einen schweren Angriff durch Menschen zurückzuführen sei. Er sähe so was nicht zum ersten Mal, sagte er.

Ein Sturz, sagte ich.

Der Inspektor fragte Harold, der besorgt aussah, aber eilfertig antwortete:»Ein gemeiner Sturz, Herr Inspektor. Zig Pferde haben ihn getreten. Wenn Sie Zeugen brauchen… etwa sechstausend Leute haben zugesehen.«

Der Inspektor zuckte die Achseln, wirkte jedoch ernüchtert. Vielleicht hatte er einen Instinkt, dachte ich, der ihm sagte, daß ich aus irgendeinem Grunde log. Als er weg war, sagte Harold:»Ich hoffe, du weißt, was du tust. Dein Gesicht war doch in Ordnung, als wir uns getrennt haben.«

«Ich erzähl’s dir ein andermal«, murmelte ich.

Er sagte zu Clare:»Was ist passiert?«, aber auch sie schüttelte den Kopf und sagte, sie wisse gar nichts, begreife gar nichts und fühle sich selbst schrecklich. Harolds

Frau umsorgte uns, gab uns zu essen und schließlich ein Nachtlager, und Jeremy war um Mitternacht immer noch am Leben.

Etliche elende Stunden später kam Harold in das kleine Zimmer, wo ich im Bett saß. Saß, weil ich so besser atmen konnte und weil ich nicht schlafen konnte und weil mir immer noch alles furchtbar wehtat. Meine junge Dame sei nach London zur Arbeit gefahren, sagte er, und würde heute abend anrufen. Die Polizei wolle mich sprechen. Und Jeremy? Jeremy lebte noch, sei immer noch bewußtlos, immer noch in einem kritischen Zustand.

Der ganze Tag war miserabel.

Die Polizei machte sich in meinem Haus zu schaffen, öffnete Türen und Fenster, damit der Wind durchblasen konnte, und der Inspektor kam zu Harolds Haus und erstattete mir Bericht.

Wir saßen in Harolds Büro, wo sich der Inspektor bei Tageslicht als ziemlich junger blonder Mann mit wachen Augen entpuppte, der die Angewohnheit hatte, mit den Fingerknöcheln zu knacken. Ich hatte ihn am Abend zuvor nicht als Person wahrgenommen, nur seine feindselige Ausstrahlung verspürt, und die war unverändert gegenwärtig.

«An dem Wasserhahn in Ihrer Dunkelkammer ist ein Wasserfilter«, sagte er.»Wozu brauchen Sie den?«

«Wasser, das man für Fotoarbeiten benutzt, muß sauber sein«, sagte ich.

Die schlimmsten Schwellungen um meine Augen und Lippen gingen langsam zurück. Ich konnte besser sehen, besser sprechen, immerhin eine Erleichterung.

«Ihr Wasserfilter ist ein Schwefelwasserstoff-Generator«, sagte der Inspektor.

«Das kann nicht sein.«

«Warum nicht?«

«Weil. ich ihn ständig benutze. Er dient zum Enthärten des Wassers. Er arbeitet mit Salz… wie alle Weichmacher. Er kann unmöglich Gas produzieren.«

Er starrte mich lange nachdenklich an. Dann verschwand er für eine Stunde und kam mit einer Schachtel und einem jungen Mann in Jeans und Pullover zurück.

«Also, Sir«, sagte der Inspektor mit der einstudierten, zweckdienlichen Höflichkeit des mißtrauischen Polizisten,»ist das Ihr Wasserfilter?«

Er öffnete die Schachtel, um mir den Inhalt zu zeigen. Ein Filter, oben angeschraubt der kurze Gummiaufsatz, den man normalerweise auf den Wasserhahn schob.

«Sieht ganz so aus«, sagte ich.»Sieht so aus, wie er aussehen sollte. Stimmt was nicht damit? Er konnte bestimmt kein Gas produzieren.«

Der Inspektor gab dem jungen Mann ein Zeichen, und dieser zog ein Paar Plastikhandschuhe aus seiner Tasche und streifte sie sich über. Dann nahm er den Filter, eine schwarze Plastikkugel von der Größe einer Grapefruit mit durchsichtigen Stellen oben und unten, und schraubte ihn in der Mitte auseinander.

«Hier drin ist normalerweise nur die Filterpatrone«, sagte er.»Aber Sie werden gleich sehen, daß die Dinge bei diesem speziellen Gerät anders liegen. In diesem hier sind zwei Einsätze, einer über dem anderen. Sie sind jetzt beide leer. aber in dem unteren war kristallisiertes Natrium-sulfid, und der hier. «, er hielt mit angeborenem Sinn für Dramatik inne,»… der obere enthielt Schwefelsäure. Eine Art Membran muß die Inhalte der beiden Einsätze getrennt gehalten haben… aber als der Wasserhahn aufgedreht wurde, hat der Wasserdruck die Membran zerstört oder aufgelöst, und die beiden Chemikalien haben sich vermischt. Schwefelsäure und Natriumsulfid, angetrieben von Wasser. ein ausgesprochen effektiver Sulfidgenerator. Er verströmte auch dann noch Gas, als das Wasser abgedreht wurde. Und das wurde es ja… vermutlich von Jeremy Folk.«

Es entstand ein langes, bedeutungsvolles deprimierendes Schweigen.

«Sie sehen also, Sir«, sagte der Inspektor,»es kann unmöglich ein Unfall gewesen sein.«

«Nein«, sagte ich matt.»Aber ich weiß nicht… Ich weiß wirklich nicht. wer so ein Ding installiert haben könnte… Dazu hätte man doch wissen müssen, was für einen Filter ich benutze, oder?«