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Steve Millace beschwerte sich im Umkleideraum über einen Starter, der den Start freigegeben hatte, bevor er, Steve, bereit gewesen sei, was ihn so überrumpelt habe, daß die anderen Pferde schon hundert Meter Vorsprung gehabt hätten, bevor er überhaupt weggekommen sei… der Besitzer sei wütend und wolle fürs nächste Mal einen anderen Jockey haben, und Steve ritt endlos darauf herum, ob das vielleicht fair sei.

«Nein«, sagte ich.»Das ganze Leben ist nicht fair.«

«Sollte es aber sein.«

«Das Beste, was du erwarten kannst, ist ein Tritt in die Zähne«, sagte ich lächelnd.»Damit mußt du dich abfinden.«

«Deine Zähne sind aber in Ordnung«, sagte jemand.

«Ich hab Kronen drauf.«

«Schön wieder aufstehen, wenn man auf die Schnauze fällt, was? Willst du das damit sagen?«Ich nickte.

Steve, der diesem Gedankenaustausch nicht folgen konnte, sagte:»Man sollte Starter verwarnen, die den Start freigeben, bevor alle Pferde bereit sind.«

«Reg dich ab«, sagte jemand, aber Steve beschäftigte sich wie üblich noch Stunden später damit.

Als ich mich nach seiner Mutter erkundigte, sagte er, sie sei zur Erholung zu Freunden nach Devon gefahren.

Draußen vor dem Waageraum belehrte Bart Underfield einen leichtgläubigen Zeitungsreporter über ungewöhnliche Nährstoffe.

«Es ist Blödsinn, Pferden Bier und Eier und solche lächerlichen Sachen zu geben. Ich mache das nie.«

Der Reporter vermied es, darauf hinzuweisen — oder er wußte es nicht —, daß Trainer, die auf Eier und Bier schworen, insgesamt erfolgreicher waren als Bart.

Als Bart mich sah, verwandelte sich sein Gesichtsausdruck: aus überheblicher Besserwisserei wurde verbissener Trotz. Er ließ den Reporter stehen und stellte sich mir mit zwei energischen Schritten in den Weg, aber als er mich aufgehalten hatte, sagte er nichts.

«Wollen Sie was von mir, Bart?«sagte ich.

Er sagte immer noch nichts. Vielleicht fand er nicht die kräftigen Worte, die seine Gefühle zum Ausdruck bringen konnten. Ich gewöhnte mich langsam daran, gehaßt zu werden, dachte ich.

Er fand seine Stimme.»Warten Sie nur«, sagte er mit bitterer Ruhe,»ich krieg Sie noch.«

Wenn er einen Dolch gehabt hätte und wir allein gewesen wären, hätte ich ihm nicht den Rücken zugekehrt und mich entfernt, wie ich es jetzt tat.

Lord White war da, mit anderen Stewards in ein ernstes

Gespräch vertieft. Er streifte mich zusammenzuckend mit einem flackernden Blick. Er würde sich in meiner Gegenwart nie wieder wohl fühlen. Nie hundertprozentig sicher sein, daß ich nichts ausplauderte. Sich nie damit anfreunden, daß ich wußte, was ich wußte.

Er würde wohl eine Zeitlang damit leben müssen, dachte ich. So oder so würde die Welt des Pferderennsports stets ebenso meine wie seine Welt sein. Er würde mich sehen und ich ihn, Woche für Woche, bis einer von uns starb.

Victor Briggs wartete im Führring, als ich zum Rennen mit Coral Key herauskam. Eine schwere, grüblerische Gestalt in dem breitkrempigen Hut und dem langen blauen Manteclass="underline" ernst, verschlossen, finster. Als ich höflich an meine Kappe tippte, erhielt ich keinerlei Gegenreaktion, nur anhaltendes, ausdrucksloses Starren.

Coral Key war ein Sonderfall unter Victor Briggs’ Pferden ein sechs Jahre alter Neuling auf der Hindernisbahn, aus der Jagdreiterei herausgekauft, als er anfing, bei Geländeritten vielversprechende Leistungen zu zeigen. In der Vergangenheit hatten große Pferde wie Oxo und Ben Nevis einmal so angefangen, beide hatten das Grand National gewonnen, und wenn auch Coral Key diese Spitzenklasse nie erreichen würde, hatte ich doch den Eindruck, daß auch ihm eine vielversprechende Zukunft bevorstand. Ich würde ihm den Anfang seiner Karriere auf keinen Fall verpfuschen, egal was für Anweisungen ich bekam. Ich dachte mir — und brachte das wohl auch durch mein Verhalten zum Ausdruck —, daß sein Besitzer es bloß nicht wagen sollte, mir zu sagen, daß das Pferd nicht gewinnen sollte.

Er sagte es nicht. Er sagte überhaupt nichts. Er beobachtete mich, ohne mit der Wimper zu zucken, und hielt den Mund.

Harold wuselte herum, als könnte allein Bewegung die gespannte Atmosphäre zwischen seinem Besitzer und seinem Jockey lockern. Und ich saß auf und ritt zum Start und hatte dabei das Gefühl, mich in einem stark aufgeladenen elektrischen Feld zu bewegen.

Ein Funke… eine Explosion… stand im Raum. Harold spürte es. Harold war bis in die Tiefen seiner eigenen explosiven Seele beunruhigt.

Es konnte das letzte Rennen werden, das ich für Victor Briggs ritt. Ich stellte mich am Start auf und dachte, daß es nicht gut war, sich solche Gedanken zu machen, daß ich mich einzig und allein auf das bevorstehende Rennen konzentrieren sollte.

Ein kalter, windiger, wolkiger Tag. Gutes Geläuf. Sieben andere Pferde, keines davon Spitzenklasse. Wenn Coral Key so sprang, wie ich ihn zu Hause geschult hatte, hatte er eine gute Chance.

Ich rückte mir die Schutzbrille vor den Augen zurecht und ergriff die Zügel.

«Bereit machen zum Start, Jockeys«, sagte der Starter.

Die Pferde bewegten sich langsam in einer Reihe auf die Bänder zu und beschleunigten, als das Tor aufflog, mit der geballten Kraft der Hinterhand. Dreizehn Hindernisse; zwei Meilen. Es würde sich bald herausstellen, dachte ich kläglich, ob ich doch noch nicht fit war.

Wichtig, ihn dazu zu bringen, daß er gut sprang, dachte ich. Darin lag meine größte Stärke. Es machte mir am meisten Spaß. Sieben Hindernisse folgten dicht hintereinander am anderen Ende der Bahn… Wenn man das erste genau richtig traf, paßten sie alle, ritt man es aber mit gezogener Handbremse an, lief es oft auf sieben verpatzte Sprünge und etliche Längen Rückstand hinaus.

Nach dem Start kamen zwei Hindernisse, dann die Steigung an der Tribüne vorbei, dann der obere Bogen, dann das Hindernis auf dem Gefälle, wo ich von Daylight abgestiegen war. Kein Problem auf Coral Key, er schaffte es spielend. Dann der Bogen zu den sieben tückischen Hindernissen, und wenn ich eine Länge verlor, um Coral Key in die richtige Position für das erste zu bringen, hatte ich nach dem siebten zehn gewonnen.

Noch war nichts entschieden; in dem langen unteren Bogen lag Coral Key auf dem zweiten Platz, legte eine Verschnaufpause ein. Noch drei Hindernisse. und die lange Steigung zum Ziel.

Zwischen den letzten beiden Hindernissen holte ich den Führenden ein. Wir sprangen nebeneinander über das letzte Hindernis, nichts zwischen uns. Jagten die Steigung hinauf, streckten uns, flogen. ich gab mein Bestes.

Das andere Pferd gewann mit zwei Längen.

Harold sagte ein bißchen besorgt:»Er ist gut gelaufen«, und klopfte Coral Key auf dem Absattelplatz den Hals; und Victor Briggs sagte nichts.

Ich zog den Sattel herunter und ging zum Zurückwiegen. Ich sah keine Möglichkeit, wie ich das Rennen hätte gewinnen können. Das andere Pferd war mit meiner Herausforderung fertig geworden. Es war stärker gewesen als Coral Key, und schneller. Ich hatte mich nicht schwach gefühlt. Ich hatte nichts durch Springfehler verschenkt. Ich hatte bloß nicht gewonnen.

Ich hätte für mein Gespräch mit Victor Briggs eine starke Position gebraucht, und ich hatte sie nicht bekommen.

Wenn dir das Leben die Zähne einschlägt, leg dir Kronen zu.

Ich gewann das andere Rennen, das für mich nicht so wichtig war, wohl aber für die Besitzer, ein munteres Quartett von Geschäftsleuten.

«Verdammt gute Leistung«, sagten sie strahlend.»Verdammt gut geritten.«

Ich sah Victor Briggs aus zehn Schritt Entfernung zuschauen, mit starrem, unheilvollem Blick. Ich fragte mich, ob er wußte, wieviel ich darum gegeben hätte, die zwei Ergebnisse umzukehren.

Clare sagte:»Mir scheint, du hast das falsche gewonnen.«

«Tja.«

«Ist das schlimm?«

«Das werde ich am Montag herausfinden.«