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In die kurze nachdenkliche Stille hinein sagte Clare:»Keiner hätte das überlebt, wenn er allein gewesen wäre.«

«Woraus man schließen kann. «, sagte Jeremy fröhlich.

Als wir zum Gasthaus zurückfuhren, sagte Clare:»Du hast ihm nicht von Amanda erzählt.«

«Das hat Zeit.«

«Er ist am Sonntag vorbeigekommen, weil er die Nachricht bekommen hatte, daß du sie gefunden hast. Er hat’s mir erzählt. Er hat gesagt, daß dein Telefon nicht in Ordnung war und er deshalb gekommen ist.«

«Ich hatte den Stecker rausgezogen.«

«Sonderbar, wie das Leben so spielt.«

«Mhm.«

Unsere zweite Nacht war eine Bekräftigung der ersten. Ziemlich ähnlich und doch neu und anders. Prickelnd, wild, sanft, intensiv, turbulent. Und es schien ihr genauso zu gefallen wie mir.

«Wo bleibt der Katzenjammer, den man angeblich kriegt?«sagte sie spät in der Nacht.»Die post. wie heißt das doch gleich?«

«Der kommt am Morgen, wenn du fährst.«

«Das ist noch Stunden hin.«

«Genau.«

Der Morgen kam wie immer. Ich fuhr sie zum Bahnhof, damit sie einen Zug nehmen konnte, und machte mich selbst nach Lambourn auf. Als ich dort ankam, schaute ich, bevor ich zu Harold ging, erst einmal bei meinem Haus vorbei. Alles schien ruhig. Alles kalt. Alles seltsam fremd, als ob mein Zuhause nicht mehr die natürliche Zufluchtstätte war, die es sein sollte. Zum ersten Mal fiel mir auf, wie kahl es war, sah ich die emotionale Kälte, die Jeremy bei seinem ersten Besuch sofort aufgefallen war. Es schien nicht mehr zu mir zu passen. Der Mensch, der dieses Zuhause geschaffen hatte, war am Verschwinden, entfernte sich in die Vergangenheit. Ich empfand eine seltsame Nostalgie. aber er ließ sich nicht zurückrufen. Der Reifungsprozeß war schon zu weit fortgeschritten.

Leicht fröstelnd breitete ich verschiedene Fotos von verschiedenen Leuten auf dem Küchentisch aus und bat dann meine Nachbarin, hereinzukommen und sie sich anzusehen.

«Nach was soll ich suchen, Mr. Nore?«

«Nach jemand, den Sie kennen.«

Gehorsam sah sie sich ein Bild nach dem anderen an und hielt ohne zu zögern bei einem Gesicht inne.

«Wie sonderbar!«rief sie aus.»Das ist der Mann, der wegen der Steuer hier war. Der, den ich hier reingelassen hab. Die Polizei war ziemlich sarkastisch deswegen, aber ich hab denen gesagt, daß man wirklich nicht damit rechnet, daß jemand sagt, er ist der Steuerbeamte, wenn er gar keiner ist.«»Sie sind sicher, daß das der Mann ist?«

«Ganz sicher«, sagte sie nickend.»Er hatte genau denselben Hut auf und alles.«

«Schreiben Sie das dann bitte hinten auf das Foto drauf, Mrs. Jackson?«Ich gab ihr einen schwarzen Filzstift, mit dem man gut auf das Fotopapier schreiben konnte, und diktierte ihr den Text, der besagte, daß dieser Mann, am Freitag, den siebenundzwanzigsten November, beim Haus von Philip Nore aufgetaucht war und sich als Steuerbeamter ausgegeben hatte.

«Ist das alles?«fragte sie.

«Noch Ihre Unterschrift, Mrs. Jackson. Und würden Sie bitte die ganze Aussage auch auf die Rückseite dieses Fotos hier schreiben?«

Sie schrieb konzentriert.»Geben Sie die der Polizei?«sagte sie.»Ich will eigentlich nicht mehr von denen belästigt werden. Kommen die nochmal mit ihren Fragen?«

«Ich glaube kaum«, sagte ich.

Kapitel 20

Victor Briggs war mit seinem Mercedes gekommen, aber er fuhr mit Harold im Landrover hinauf in die Downs. Ich ritt auf einem Pferd. Die Morgenarbeit wurde zur allgemeinen Zufriedenheit absolviert, und jeder kehrte auf seine Weise zum Hof zurück.

Als ich in den Hof ritt, stand Victor Briggs wartend bei seinem Auto. Ich glitt vom Pferd und übergab es der Obhut eines Stallburschen.

«Steigen Sie ein«, sagte Victor.

Wortkarg wie immer. Er trug seine übliche Kleidung, seine Handschuhe gegen den kühlen Wind, und verfinsterte den Tag. Wenn ich in der Lage wäre, seine Aura wahrzunehmen, wäre sie schwarz, dachte ich.

Ich setzte mich vorne auf den Beifahrersitz, wo er hinzeigte, und er selbst schob sich neben mich hinters Steuer. Er ließ den Motor an, löste die Handbremse, stellte die Automatik auf Fahrt. Das ruhige Metallgehäuse glitt langsam aus Lambourn hinaus, zurück in die Downs.

Er hielt auf einem breiten Grasstreifen an. Von hier aus konnte man halb Berkshire überblicken. Er stellte den Motor ab, lehnte sich in seinem Sitz zurück und sagte:»Also?«

«Wissen Sie, wovon ich reden werde?«fragte ich.

«Mir kommt manches zu Ohren«, sagte er.»Mir kommt viel zu Ohren.«

«Das weiß ich.«

«Mir ist zu Ohren gekommen, daß den Relgan seine Schläger auf Sie losgelassen hat.«

«Ach ja?«Ich sah ihn interessiert an.»Wo haben Sie das gehört?«

«Spielclub«, sagte er mit verkniffenem Mund.

«Was haben Sie denn gehört?«

«Es stimmt doch?«sagte er.»Man hat die Spuren am Samstag noch gesehen.«

«Haben Sie was über die Gründe gehört?«

Er verzog den Mund zu einem unterdrückten Lächeln.

«Mir ist zu Ohren gekommen«, sagte er,»daß Sie den Relgan erheblich schneller aus dem Jockey Club hinausbefördert haben, als er hineinkam.«

Als er sah, wie ich erschrak, zuckte er wieder mit den Lippen, in einem weniger gelungenen Versuch, seine Heiterkeit zu verbergen.

«Haben Sie gehört, wie?«

Er sagte leicht bedauernd:»Nein. Nur, daß Sie es getan haben. Die Schläger haben geredet. Dumme, holzköpfige Muskelprotze. Den Relgan muß mit Ärger rechnen, wenn er sie anheuert. Die können nie den Mund halten.«

«Sind die… ähm… kann man sich die mieten?«

«Rausschmeißer in einem Spielclub. Käufliche Gorillas. Sie sagen es.«

«Sie haben George Millaces Frau zusammengeschlagen. Haben Sie davon auch gehört?«

Nach einer Pause nickte er, gab aber keinen Kommentar ab.

Ich sah in sein verschlossenes Gesicht, die weißliche

Haut, die schwarzen Bartschatten. Ein verschwiegener, massiger, schwerfälliger Mann, mit Zugang zu einer Welt, von der ich wenig wußte. Spielclubs, gedungene Schläger, Unterweltklatsch.

«Die Schläger haben gesagt, sie hätten Sie halbtot geschlagen«, sagte er.»Eine Woche später gewinnen Sie ein Rennen.«

«Sie haben übertrieben«, sagte ich trocken.

Wieder ein Zucken in den Mundwinkeln, aber auch ein Kopfschütteln.»Einer von ihnen hatte Angst. Eine Heidenangst. Sagte, daß sie zu weit gegangen wären… mit den Stiefeln.«

«Sie kennen sie wohl gut?«sagte ich.

«Sie reden.«

Wieder eine Pause, dann sagte ich ohne besondere Betonung:»George Millace hat Ihnen einen Brief geschickt.«

Er bewegte sich in seinem Sitz, schien sich fast zu entspannen, stieß einen langen Seufzer aus. Darauf hatte er gewartet, dachte ich. Hatte geduldig gewartet, Antworten gegeben, Entgegenkommen gezeigt.

«Seit wann haben Sie ihn?«sagte er.

«Seit drei Wochen.«

«Sie können ihn nicht nutzen. «In dieser Feststellung schwang leichter Triumph mit.»Sie bekämen selbst Ärger.«

«Woher wußten Sie, daß ich ihn habe?«sagte ich.

Er blinzelte. Er preßte die Lippen zusammen. Er sagte langsam:»Ich habe gehört, Sie hätten George Millaces…«

«George Millaces was?«

«Unterlagen.«

«Ah«, sagte ich.»Hübsches nichtssagendes Wort, >Unterlagen<. Woher haben Sie gehört, daß ich sie hätte? Von wem?«

«Ivor«, sagte er.»Dana. Unabhängig voneinander.«

«Erzählen Sie’s mir?«

Er dachte darüber nach, während er mich ausdruckslos musterte, und sagte dann widerwillig:»Ivor war so wütend, daß er es nicht für sich behalten konnte. Er hat zuviel über Sie geredet… Sie wären ein Giftzwerg… Sie wären zehnmal schlimmer als George Millace. Und Dana dann. an einem anderen Abend. Sie hat mich gefragt, ob ich wüßte, daß Sie etliche Erpresserbriefe haben und auch benutzen, die George Millace früher verschickt hatte. Sie hat mich gefragt, ob ich ihr helfen könnte, ihren wiederzubekommen.«